Jürgen Fritz Blog

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Australien annulliert Djokovics Visum, der geht nun vor Gericht

Von Jürgen Fritz, Do. 06. Jan 2022, Titelbild: 9 News Australia-Screenshot

Das Drama um den Weltranglistenersten und neunfachen Australian Open-Champion Novak Djokovic, der sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen will, geht weiter. Am Mittwoch traf er gegen 23:30 Uhr in Melbourne ein, wurde die ganze Nacht im Flughafen festgehalten und verhört. Dann wurde sein Visum annulliert, er ausgewiesen. Dagegen gehen seine Anwälte nun gerichtlich vor.

Djokovics Visum wurde vom Grenzschutz annulliert, er in ein spezielles Quarantäne-Hotel verbracht

Monatelang hatte sich der 34-Jährige geweigert, seinen Impfstatus bekannt zu geben. Schon seit April 2020 ist bekannt, dass Djokovic a) die Pandemie wenig ernst nahm (er veranstaltete selbst während der ATP-Pandemiepause eine Adriatour, auf der Abends Partys gefeiert wurden und sich x Spieler ansteckten) und b) dass er der COVID-19-Impfung mindestens äußerst skeptisch gegenübersteht, wenn nicht ablehnend.

Wochenlang hatte der Ausnahmetennisspieler auf die australischen Behörden und die Turnierleitung Druck ausgeübt und angedeutet respektive über seinen Vater ausrichten lassen, dass er als Titelverteidiger und Rekord-Sieger, quasi als Hauptattraktion, nicht antreten werde, wenn auf eine Impfung bestanden wird. Dann verkündete er gestern selbst über Twitter, dass er eine medizinische Ausnahmegenehmigung habe, warum er nicht geimpft zu werden brauche, und nun nach Melbourne reisen und an den Australian Open teilnehmen werde.

Dies erzeugte einiges an Unmut in der australischen Bevölkerung und den Medien. Viele Menschen empfanden das wie einen Schlag ins Gesicht all derer, die sich fast zwei Jahre lang allen Regeln unterworfen haben. Nun kam heute Nacht die nächste Wende in dieser Angelegenheit.

Trotz einer zuvor erteilten – und höchst umstrittenen – medizinischen Ausnahmegenehmigung habe die australischen Grenzschutzbehörde die Einreise untersagt, berichtete die australische Nachrichtenagentur AAP. Djokovic habe keine geeigneten Beweise zur Erfüllung der Einreisebestimmungen vorgelegt, daher sei „das Visum anschließend storniert“ worden, hieß es in der Erklärung der Grenzschutzbehörde.

Djokovic soll am späten Mittwochabend um ca. 23.30 Uhr Ortszeit in Melbourne angekommen sein (Melbourne liegt zeitlich 10 Stunden vor MEZ). Dort soll er die ganze Nach am Flughafen von den Beamten wegen offenkundiger Unstimmigkeiten mit seinem Visum festgehalten und in einem separaten Raum isoliert von seinen Begleitern verhört worden sein. Offenbar hatte Djokovic ein falsches Visum beantragt, das gar keine Ausnahmegenehmigungen vorsieht. Zudem konnte er wohl auch nicht glaubhaft beweisen, dass diese Ausnahmegenehmigung zurecht erteilt worden war.

Behörden des australischen Bundesstaats Victoria wurden deshalb eingeschaltet. Und diese verweigerten ihm die Unterstützung. In australischen Medien wurde darüber spekuliert, dass sich Djokovic offenbar auf die Genesung von einer früheren Corona-Infektion berufen und so ohne die eigentlich vorgeschriebene Impfung ins Land kommen wollte. Dazu hätte die Infektion aber in den letzten sechs Monaten vorliegen müssen. Djokovic hatte sich 2020 mit SARS-CoV-2 infiziert, von einer Ansteckung 2021, geschweige denn in den letzten Monaten, wurde aber niemals etwas bekannt.

Offenbar hat man Djokovic dann am frühen Donnerstagmorgen, etwa neun oder zehn Stunden nach der Landung am Flughafen in ein bewachtes Quarantäne-Hotel gebracht, wo er bis zu seiner Ausreise bleiben soll. Australien will ihn also wohl tatsächlich ausweisen und aus dem Land bringen. Der hundertfache Millionär hat daraufhin seine Anwälte eingeschaltet. Und Auch hat sich Djokovics Heimatland Serbien schaltete sich ein.

Quarantäne-Hotel

9 News-Screenshot

Australischer Premierminister: Niemand steht über den Regeln, die für alle gelten

Wer nach Australien einreise, müsse sicherstellen, dass er dazu auch berechtigt sei und dies nachweisen könne, sagte der australische Premierminister Scott Morrison. Dafür brauche es den Nachweis einer doppelten Impfung oder eine gültige medizinische Ausnahmegenehmigung. „Wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird der Grenzschutz seinen Job machen – und sie haben ihren Job gemacht.“ Daran ändere auch das Intervenieren der serbischen Botschaft in Australien nichts. „Regeln sind Regeln, vor allem, wenn es um unsere Grenzen geht“, schrieb Morrison auf Twitter. „Niemand steht über diesen Regeln.“

Scott Morrison 2

9 News-Screenshot

Australiens Gesundheitsminister Greg Hunt sagte:

„Das Visum für Novak Djokovic wurde gecancelt. Das ist das Ergebnis einer Überprüfung der Ausnahmeregelung, die von der Regierung des Staates Victoria ausgestellt wurde. Mr. Djokovic konnte die geeigneten Beweise nicht vorlegen, die für eine Einreise nach Australien notwendig sind. Wenn jemandem das Visum gecancelt wird, muss er das Land verlassen. Ja, es ist hart. Aber es ist fair. Es ist eine Regelung für alle.“

Der australische TV-Sender Sunrise berichtete in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag live vor Ort, dass Djokovic allein in einem Raum von Grenzbeamten verhört werde. Sein Handy habe er vorher abgeben müssen. Sein Trainer Goran Ivanisevic und sein sonstiger Anhang, die wohl alle vollständig geimpft sind, durften dagegen einreisen und warteten die ganze Nacht auf Djokovic im Flughafen.

Zu der verweigerten Einreise erklärte Reporter Nathan Currie am Flughafen Melbourne: „Jemand in seinem Team hat ein falsches Visum ausgefüllt. Und dieses Visum, das beantragt worden ist, lässt keine medizinische Befreiung in Bezug auf die Impfregelung zu.“

Ivanisevic Posting

9 News-Screenshot

Djokovic und sein Alchemie-Guru

Djokovic, schon jetzt einer der drei erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten, unter anderem neunfacher Australian Open-Champion (Allzeitredkord) und 20-facher Grand Slam-Sieger (Allzeitrekord zusammen mit Federer und Nadal), der unbedingt die ewige Nr. 1 werden will, ist in Serbien eine Art Nationalheld. In Melbourne, dem Turnier das dem siebenfachen Spieler des Jahres ganz besonders liegt, wollte er seinen 21. Grand Slam-Titel holen und damit auch in der wichtigsten aller Rubriken an Federer und Nadal vorbeiziehen.

Der 34-Jährige hat unglaublich viel für den Tennissport getan, hat in den sozialen Medien weltweit neun bis zehn Millionen Follower und ist womöglich wirklich der beste Spieler aller Zeiten. Zugleich ist er auch bekannt für – vorsichtig formuliert – teilweise etwas seltsame Vorstellungen und Einstellungen. Seit Jahren umgibt er sich mit obskuren Personen, so dem spirituellen spanischen Guru Pepe Imaz und seinem „persischen Bruder“ Chervin Jafarieh.

Jafarieh bezeichnet sich selber als Alchemist, dessen Mission es sei, „möglichst viele Seelen wieder mit Mutter Erde zu verbinden“. Zugleich ist der Iraner ein gewiefter Geschäftsmann, ein Vermarkter seiner selbst. Jafarieh ist Gründer von Cymbiotika, einer Firma, die Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Die Pülverchen und Sprays preist er an als glutenfrei, vegan, und natürlich. Sie versprechen Linderung bei Beschwerden aller Couleur: „Golden Mind“ stimuliere sogar das Wachstum neuer Hirnzellen. Im Kleingedruckten steht dann, dass die Mittelchen von der FDA, der amerikanische Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde, nicht freigegeben sind und weder als Diagnose, Kur, Therapie oder Prävention vor Krankheiten schützen.

Djokovic und Jafarieh treten bisweilen gemeinsam in Instagram-Chats auf, begrüßen sich mit „Bruder“. Jafarieh firmiert seit einigen Jahren als Ratgeber von Djokovic. In mehreren Episoden tauschten sie die beiden „Brüder“ „über ihre Lebensphilosophie“ aus. Die Zuschauer konnten dabei spüren, dass Djokovic und Jafarieh dieselbe Sprache sprechen. Die beiden sagen dann Sätze wie: „Wir ehren Gaia, die Mutter Erde.“

Djokovic glaubt daran, giftiges Essen und Wasser durch die Kraft von Gebeten in heilendes Essen/Wasser verwandeln zu können, an die Impfung aber glaubt er nicht

Dabei gab Djokovic zum Beispiel auch solche Dinge von sich:

„Ich kenne einige Leute, die durch energetische Transformationen, durch die Kraft von Gebeten, durch die Kraft von Dankbarkeit, das giftigste Essen oder vielleicht das giftigste Wasser in das Wasser mit der größten Heilkraft verwandelt haben, weil Wasser reagiert.“ Wissenschaftler hätten „bewiesen, dass die Moleküle im Wasser auf unsere Emotionen, auf das, was gesagt wurde, reagieren“,

so Djokovic wörtlich. Solche Dinge und die Leute, mit den sich der Serbe seit einigen Jahren umgibt, waren wohl auch mit ein Grund, warum Boris Becker, der Djokovic drei Jahre lang trainierte, die Zusammenarbeit zum Jahreswechsel 2016/17, also vor genau fünf Jahren, beendete.

Gegenüber Impfungen gegen COVID-19 hatte Djokovic sich schon früh sehr ablehnend geäußert:

„Ich habe meine Meinung gesagt, weil ich das Recht dazu habe und ich mich verantwortlich fühle, über gewisse Themen zu sprechen, die das Tennis betreffen. Ich bin kein Experte, doch ich will die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, was für meinen Körper am besten ist.“

Das Beste für seinen Körper, das sind nach Novak Djokovics Ansicht die Mittelchen aus der Alchemisten-Küche seines persischen Bruders Chervin Jafarieh. 

Nadal appelliert, den Wissenschaftlern zu vertrauen

Eine klare Position bezog Djokovics größter Gegenspieler der letzten zehn bis 15 Jahre Rafael Nadal, der wie Djokovic 20 Grand Slam-Turniere gewinnen konnte, darunter 13 French Open-Siege (einmaliger Rekord). Nadal war letztes Jahr fast zwei Drittel der Saison verletzt und bestritt heute bei einem kleineren Turnier der E-Kategorie in Melbourne sein erstes offizielles Match seit fast fünf Monaten.

Zwar tue ihm das für Djokovic auch leid, sagte der Spanier, aber „es gibt Regeln, und wenn man sich nicht impfen lassen will, dann kann man Probleme bekommen“. Djokovic habe „die Bedingungen schon seit vielen Monaten“ gekannt. „Das Einzige, was für mich klar ist, ist, dass man, wenn man geimpft ist, bei den Australian Open und überall spielen kann. Und die Welt hat meiner Meinung nach genug gelitten, um die Regeln nicht zu befolgen.“ 

„Ich denke, wenn er wollte, würde er hier in Australien spielen ohne ein Problem. Er hat einen anderen Weg eingeschlagen, er hat seine eigenen Entscheidungen getroffen. Und es steht jedem frei, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, aber dann gibt es Konsequenzen“, so der 13-fache French Open- und Australian Open-Champion 2009.

Der 35-Jährige war im Dezember selbst mit SARS-CoV-2 infiziert und er ist zweimal geimpft, wie er sagte. Seine Erkrankung habe ihn in der Vorbereitung auf die Australian Open zurückgeworfen. Nach einer viermonatigen Fußverletzung hat er Mitte Dezember bei einem Einladungsturnier in Abu Dhabi gespielt, um wenigstens etwas Matchpraxis zu sammeln. Dort haben sich dann über die Hälfte der Teilnehmer infiziert. „Ich habe mich sehr müde gefühlt und hatte Fieber“, sagte Nadal heute auf der Pressekonferenz nach seinem ersten ATP-Match seit August 2021.

Zudem appellierte Nadal an die Vernunft und der Wissenschaft im Kampf gegen Corona zu vertrauen. „Ich glaube daran, was die Leute, die sich mit Medizin auskennen, sagen. Und wenn sie sagen, dass wir geimpft werden müssen, müssen wir uns impfen lassen.“ Diese vernunftgeleitete Herangehensweise gilt für die allermeisten Tennisprofis, aber eben nicht für alle (über 95 der Top 100 sollen geimpft sein). Und eine der wenigen Ausnahmen ist ausgerechnet der derzeitige Branchenprimus Novak Djokovic.

Nadal zu Djokovic

9 News-Screenshot

Der deutsche Tennisspieler Dustin Brown äußerte sich ganz ähnlich

In ganz ähnlicher Weise wie Nadal hat sich auch Dustin Brown zur Causa Djokovic geäußert. Entscheidungen haben Konsequenzen, egal, wie man selbst zu der Sache steht, so Brown.

„Jeder Spieler auf der Tour hatte eine Entscheidung zu treffen. Abhängig davon, was sie glauben, entschieden sie sich dafür oder dagegen (die Impfung, JFB). Beide Entscheidungen haben Konsequenzen. (…) Wenn ich mich gegen die Impfung entscheide (aus welchen Gründen auch immer), muss ich mit den Konsequenzen leben, in ein Land nicht einreisen zu können, wenn dieses Land eine Impfung vorschreibt.“

Dustin Brown-Statement

Twitter-Screenshot

Djokovics Vater fabuliert in gewohnt theatralischer Weise und die serbische Regierung schaltet sich ein

Djokovics Vater, Srdjan Djokovic (61), der bekannt ist für seine verbalen Ausfälle und abstrusen Statements, sagte laut serbischen Medien:

„Ich habe keine Ahnung, was passiert. Sie halten meinen Sohn seit Stunden fest. Wenn sie ihn nicht in einer halben Stunde gehen lassen, werden wir uns auf den Straßen versammeln. Das hier ist ein Kampf für Jedermann.“

Djokovics Vater 3

YouTube-Screenshot

Fakt ist aber, dass fast jedermann, auch weit über 90 Prozent der Spieler, sich an die Regeln halten und auch kein Geheimnis aus ihrem Impfstatus machen und keine Tennistour während der Pandemiepause organisieren.

Außerdem soll Serbiens Außenminister Nikola Selakovic den serbischen Botschafter in der australischen Hauptstadt Canberra um Hilfe in Bezug auf die „sofortige Freilassung“ des Weltranglisten-Ersten und Titelverteidigers und dessen Einreise nach Australien gebeten haben.

Und der serbische Präsident Aleksander Vucic habe selbst mit Djokovic telefoniert, während dieser am Flughafen festsaß. „Unsere Behörden ergreifen alle Maßnahmen, um die Belästigung des besten Tennisspielers der Welt in kürzester Zeit zu stoppen“, schrieb der serbische Präsident auf seinem Instagram-Account.

„In Übereinstimmung mit den Normen des internationalen öffentlichen Rechts wird Serbien für Novak Djokovic, für Gerechtigkeit und Wahrheit kämpfen. Ansonsten ist Novak stark, wie wir ihn alle kennen.“

Serbischer Präsident

YouTube-Screenshot

Djokovics Anwälte erwirken eine einstweilige Verfügung gegen die Ausweisung

Australiens Premierminister Scott Morrison hatte dagegen schon zuvor klargestellt:

„Kann er die Nachweise nicht erbringen, wird er behandelt wie jeder andere Mensch auch. Dann sitzt er im ersten Flieger nach Hause.“

Djokovic Visum wurde also von den australischen Behörden annulliert, er selbst ausgewiesen. Doch der serbische Titelverteidiger und Rekordsieger will weiter um seine Teilnahme an den Australian Open kämpfen. Die Anwälte des hundertfachen Millionärs haben vor einem Gericht in Melbourne Einspruch gegen die Abschiebung des Weltranglisten-Ersten eingelegt. Sie konnten eine einstweilige Verfügung gegen die Ausweisung erwirken.

Djokovic darf nun bis Montag in Melbourne bleiben, untergebracht in einem speziellen Quarantäne-Hotel. Spätestens am kommenden Montag, genau eine Woche vor Beginn der Australian Open, soll dann endgültig über das weitere Vorgehen entschieden werden, ob Djokovic doch noch starten darf, wenn seine Anwälte zum Beispiel überzeugende Beweise für seine medizinische Ausnahmegenehmigung vorlegen kann, oder ob er Australien verlassen und unverrichteter Dinge die Heimreise antreten muss.

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