Annalena Baerbock: keine Juristin, aber Völkerrechtlerin?

Von Jürgen Fritz, Fr. 21 Mai 2021, Titelbild: ZDF-Screenshot

Die Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der Grünen setzt sich selbst gerne als „Völkerrechtlerin“ in Szene. Unter einem Völkerrechtler versteht man normalerweise einen Juristen mit Spezialkenntnissen auf dem Gebiete des Völkerrechts, also ein Jurist, der sich auf Völkerrecht spezialisiert hat. Ob man dies in Bezug auf Annalena Baerbock tatsächlich behaupten kann, ist derzeit umstritten.

Baerbock brach ihr Studium an der Uni Hamburg nach vier Jahren ab

Seit Januar 2018 ist Annalena Baerbock (geboren am 15.12.1980) gemeinsam mit Robert Habeck Bundesvorsitzende der Grünen. Am 19. April 2021 gaben die Grünen dann bekannt, dass Baerbock die erste grüne Kanzlerkandidatin wird. Im Vorfeld hatte Baerbock sich gerne als die große Völkerrechtsexpertin dargestellt, Robert Habeck dagegen stellte Baerbock dagegen öffentlich als Bauer und Kühemelker dar, dabei hat dieser ein Magisterstudium der Philosophie, Germanistik und Philologie erfolgreich abgeschlossen, dann auch noch eine Promotion erfolgreich beendet. Zudem hat Habeck – im Gegensatz zu Baerbock – bereits sechs Jahre (von 2012 bis 2018) Regierungserfahrung als Landesminister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt, ja war sogar sechs Jahre der erste Stellvertreter des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein.

Dem Blogger Hadmut Danisch fielen dann einige Ungereimtheiten im Lebenslauf „der Völkerrechtlerin“ auf und er fragte bei den Hochschulen, die Baerbock besucht hatte, mehrfach nach, was genau sie eigentlich studiert und welche Abschlüsse sie tatsächlich erworben hat.

Dabei kam unter anderem heraus, dass Baerbock überhaupt niemals Jura an einer deutschen Hochschule studiert hat, was normalerweise die Voraussetzung ist, um Völkerrechtler zu werden. Eingeschrieben war sie vielmehr von 2000 bis 2004 im Fach Politische Wissenschaft mit Nebenfach Öffentliches Recht / Europarecht der Universität Hamburg. Aber auch dieses Studium der Politikwissenschaft schloss Baerbock niemals ab. Über die sogenannte „Diplom-Vorprüfung“, mit der meist nach vier Semestern (zwei Jahren) das Grundstudium abgeschlossen wird, kam Baerbock offensichtlich nicht hinaus.

Wann genau Baerbock ihre Scheine zum Vordiplom zusammen hatte, ist unklar, soll womöglich verschleiert werden

Diplom-Vorprüfungen sind übrigens in der Regel keine wirklichen Prüfungen, die dann am Ende des Grundstudiums abgelegt würden, sondern man sammelt im Grundstudium, das in der Regel vier Semester umfasst, meist einfach Scheine für die Vorlesungen und Seminare, die man besucht hat, sei es in Form von kleinen Prüfungen am Semesterende über dieses eine Thema der Vorlesung / des Seminars oder auch in Form eines Referats oder einer schriftlichen Hausarbeit.

Auch ist nicht klar, wann Annalena Baerbock ihre Scheine zum Abschluss des Grundstudiums zusammen hatte, ob nach vier, fünf oder sechs Semestern (oder gar noch später). In dem Bild, das der Wahlkampfsprecher der Grünen, Andreas Kappler, auf Twitter veröffentlichte, wurde gezielt das Datum weggeschnitten. Ebenso wurde auch auf dem Bild des „MASTER OF LAWS“ der London School of Economics and Political Science das Datum gezielt weggeschnitten.

plagiatsgutachten.com @antiplag Doz. Dr. Stefan Weber & Team schreibt dazu: Vordiplom und LL.M.-Zeugnis müssen komplett und nicht nur auszugsweise veröffentlicht werden, um den Spekulationen nachhaltig ein Ende zu bereiten.“

Dann ging sie für ein Jahr an die renommierte London School of Economics and Political Science

Die Behauptungen, die in Zeitungen, im Internet, wohl auch bei Wikipedia wahrscheinlich sogar Jahre lang verbreitet wurden, Baerbock habe ihr Studium in Hamburg mit einem Bachelor abgeschlossen, erwiesen sich als eine Falschbehauptung. Das Süddeutsche Zeitung Magazin schrieb dann auch: „In einer vorigen Fassung des Texts hatten wir angegeben, Frau Baerbock habe einen Bachelorabschluss. Dies ist nicht korrekt.“

Auch die grüne Heinrich Böll Stiftung hatte diese Falschbehauptung verbreitet, Baerbock habe ihr Studium in Hamburg mit einem Bachelor abgeschlossen, und hat dies inzwischen korrigiert. Wikipedia soll seine Angaben zu Baerbock in den letzten Wochen zigfach geändert haben, dabei oftmals in Bezug auf Baerbocks Lebenslauf. Baerbock selbst hat wohl auch ihre eigene Homepage diesbezüglich mehrfach geändert in den letzten Tagen/Wochen, nachdem Danisch aus Spurensuche gegangen war.

Fest steht, Annalena Baerbock hat ihr Studium in Hamburg überhaupt nicht abgeschlossen, sie hat es vielmehr abgebrochen. Sie hat in Hamburg weder einen Bachelor gemacht (Regelstudienzeit meist ca. 6 Semester), den es damals dort noch gar nicht gab, noch ein erstes Staatsexamen abgelegt (Regelstudienzeit 10 Semester), geschweige denn ein zweites Staatsexamen (meist nach etwa sieben Jahren), was sie zu einer Volljuristin machen würde. Sie brach ihr Studium vielmehr nach vier Jahren mit ihrem Vordiplom und wahrscheinlich einigen Hauptseminarscheinen ab und ging nun (2004) nach Großbritannien an die sehr renommierte London School of Economics and Political Science. Dort erwarb sie dann nach nur einem Jahr (2005) den Master of Laws in Public International Law.

Sicher ging alles mit rechten Dingen zu, aber einige Dinge wirken einfach komisch

Im Masterportal Deutschlands ist zu dem Studiengang „Master Internationales Recht“ zu lesen:

„Die allgemeine Zulassungsbedingung ist ein abgeschlossenes Erststudium in der Rechtswissenschaft. (…) Das Masterstudium Internationales Recht dauert in der Regel zwei Jahre.“

Nun hatte Baerbock aber überhaupt nicht Rechtswissenschaft studiert, sondern Politikwissenschaft. Und auch dieses Studium hatte sie nicht abgeschlossen. Sie hatte also gar kein abgeschlossenes Erststudium in Rechtswissenschaft, sie hatte gar kein abgeschlossenes Erststudium, auch nicht in Politikwissenschaft. Gleichwohl nahm die London School of Economics and Political Science (LSE) Baerbock als Masterstudentin in diesem Studiengang an. Das durfte sie, aber es wirkt eben etwas komisch. Komisch wirkt ebenso, dass Baerbock gar keine zwei Jahre in London studierte, sondern nur eines.

Außerdem ist ein Studium an der LSE nicht gerade preisgünstig. Die Studiengebühren lagen 2013/14 (weiter reicht die Website der LSE nicht zurück) bei 12.624 Britischen Pfund (damals ca. 15.000 Euro) pro Jahr. Damit stellt sich die Frage, wo dieses Geld a) für diese happigen Studiengebühren und b) auch für das alles andere als billige Leben in London herkamen, ob von den Eltern oder von woanders her.

Laut RND habe die Grünen-Sprecherin mitgeteilt, Baerbock habe in den Semesterferien gejobbt, unter anderem in einer Fabrik, um so Geld für das Studium zu verdienen. Wie man mit Jobben in den Semesterferien mal eben so schnell 15.000 Euro Studiengebühren plus die Lebenshaltungskosten für ein Jahr in London zusammen bekommt, insgesamt also zigtausend Euro, ist eine andere Frage, die hier nicht weiter erörtert werden soll. Stattdessen scheint noch ein weiterer Punkt von Bedeutung.

Warum Baerbocks Masterarbeit öffentlich zugänglich gemacht werden sollte

Das teure Studium in London hat Frau Baerbock mit einer Masterarbeit abgeschlossen. Dazu schreibt der Plagiatsgutachter Doz. Dr. Stefan Weber:

Genau so verhält es sich mit einer allfälligen Masterarbeit. Ich weiß nicht, ob im Jahr 2005 überhaupt eine zu verfassen war, heute sind in besagtem Studiengang an der LSE jedenfalls nur 10.000 Wörter zu schreiben, das sind nicht einmal 30 Seiten.“ 

10.000 Wörter entsprechen tatsächlich nur ca. 25 bis 29 DIN-A4-Seiten. Für eine Masterarbeit wäre das mehr als dünn, deutlich weniger als bei einer deutschen Magister-/Masterarbeit. (Meine Staatsexamensarbeit umfasste 140 DIN-A4-Seiten).

Aber vielleicht war Baerbocks Masterarbeit sehr viel umfangreicher als nur 25 bis 29 Seiten. Das kann sein. Ich denke, es wäre gut, wenn Frau Baerbock ihre Masterarbeit allgemein zugänglich machen würde. Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit ist unter anderem, dass sie stets überprüfbar sein muss. Das sollte auch für wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere Magister-, Staatsexamens- und Master-Arbeiten gelten, die Voraussetzung für entsprechende Abschlüsse sind.

Damit hier gar nicht erst der Verdacht entstehen kann, solche Abschlüsse würden auf Grund von Beziehungen, ähnlicher politischer Ausrichtung oder gegen Zahlung sehr hoher Studiengebühren halb verschenkt, sollten solche Arbeiten grundsätzlich öffentlich zugänglich sein, damit jeder, der das möchte, die Seriosität selbst überprüfen kann. Daher wäre es gut, wenn Frau Baerbock ihre Londonder Masterarbeit allgemein zugänglich machen würde, so dies nicht bereits der Fall ist.

Auch ihre Promotion brach Baerbock ab

Im Jahr 2009 begann Annalena Baerbock dann im Alter von 28 Jahren übrigens auch noch eine Dissertation zum Thema Naturkatastrophen und humanitäre Hilfe im Völkerrecht an der Freien Universität Berlin. Im Oktober 2013 gab die nun fast 33-Jährige an, dass sie „die fast fertige Promotion“ nun endlich beenden wolle.

Kurze Zeit später sagte sie dann aber, ihr Promotionsvorhaben sei „in den letzten Zügen“, ruhe jedoch aufgrund ihrer politischen Tätigkeit. Später brach sie dann aber auch ihre Promotion ohne Abschluss ab, nach eigenen Angaben, um sich ganz auf ihr politisches Mandat konzentrieren zu können.

Nachtrag: Baerbock brach ihr Promotionsvorhaben bereits 2015 ab, gab sich aber bis Mai 2021 weiter ohne zeitliche Angabe als „Doktorandin der Völkerrechts“ aus

Im Newsblog des Plagiatsgutachters Doz. Dr. Stefan Weber ist am 21.05.2021 die nächste Unregelmäßigkeit aufgelistet. Dort ist zu lesen:

»Frau Baerbock hat ja die Online-Fassung ihres Lebenslaufs zuletzt mehrfach geändert, laut Metadaten des aktuellen PDF-Files zuletzt am 14.05.2021. Dabei änderte sie bekanntlich zweimal ihre Studienrichtungen in Hamburg. Was sie aber immer stehen ließ, ist diese Formulierung, pikanterweise die einzige in der Rubrik „Ausbildung & Beruf“ ohne zeitliche Angabe:«

Und Doz. Dr. Stefan Weber weiter:

»Allerdings gab die FU Berlin in einer autorisierten E-Mail an den Blogger Hadmut Danisch gestern abend bekannt, dass Frau Baerbock der FU gegenüber „ausdrücklich mitgeteilt“ habe, dass sie ihr Promotionsvorhaben nicht mehr weiter verfolgen werde und sich im Promotionsstudium exmatrikuliert habe. Und das war schon 2015!«

In einer E-Mail vom 20.05.2021, 19:54 Uhr schreibt die FU Berlin explizit:

„Diese Frage ist aber dadurch irrelevant geworden, dass Frau Baerbock im Jahre 2015 ausdrücklich mitgeteilt hat, dass sie ihr Promotionsvorhaben nicht weiterverfolgen werde und sich als Promotionsstudentin exmatrikuliert habe.“

Baerbock 2015 exmatrikuliert

Und weiter schreibt Doz. Dr. Stefan Weber:

»Jemand, der seine Dissertation abgebrochen hat, ist kein Doktorand mehr. Das wiegt nun meines Erachtens viel schwerer als die irreführende Bezeichung „Völkerrechtlerin“, die auch semantisch nicht korrekt war, weil Frau Baerbock nach deutschem Sprachgebrauch eben keine Juristin ist …«

Trägt Annalena Baerbock rechtmäßig den Titel einer Völkerrechtlerin?

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