Was andere Tennisspieler zur Causa Djokovic sagen

Von Jürgen Fritz, Fr. 14. Jan 2022, Titelbild: ZDF-Screenshot

Die Djokovic-Saga geht weiter. Die Australische Regierung hat das Visum des Serben erneut für ungültig erklärt und der hat über seine Anwaltsarmada erneut Einspruch eingelegt. Nun geht der Fall des Tennisspielers, der ungeimpft nach Australien einreiste, wieder vor Gericht. Doch was sagen andere Spieler zu diesem ganzen Theater?

Die australische Regierung erklärt Djokovics Visum erneut für ungültig und der zieht wieder vor Gericht

Der australische Immigrationsminister Alex Hawke hat das Visum des serbischen Tennisprofis Novak Djokovic in einer persönlichen Entscheidung für ungültig erklärt. Dies sei gut begründet und „im öffentlichen Interesse“, teilte der Minister am Freitag gegen 18 Uhr Ortszeit (08 Uhr MEZ) mit. Eine Teilnahme des Weltranglisten-Ersten an den Montag beginnenden Australian Open ist damit zwar noch nicht ausgeschlossen, weil der 34-Jährige, der eine ganze Armada von Top-Anwälten engagiert haben soll, erneut vor Gericht geht, aber seine Teilnahme an dem wichtigen Turnier wird damit zunehmend unwahrscheinlicher.

„Heute habe ich meine Befugnis gemäß Abschnitt 133C(3) des Migrationsgesetzes ausgeübt, das Visum von Herrn Novak Djokovic aus Gründen der Gesundheit und der Ordnung zu annullieren, da dies im öffentlichen Interesse lag“, so Hawke in einer Erklärung. „Bei dieser Entscheidung habe ich die Informationen, die mir vom Innenministerium, der Australian Border Force und Herrn Djokovic zur Verfügung gestellt wurden, sorgfältig geprüft. Die Regierung Morrison setzt sich fest für den Schutz der australischen Grenzen ein, insbesondere in Bezug auf die COVID19-Pandemie, so der Immigrationsminister weiter. Doch was sagen eigentlich andere Tennisspieler zu diesem ganzen Djokovic-Theater?

Mehrere Spieler versuchen, Djokovic Rückendeckung zu geben, so der Australier Nick Kyrgios und der US-Amerikander John Isner. Inzwischen gibt es aber auch andere Stimmen, wobei es für aktive Spieler nicht leicht ist, einen anderen Spieler, zumal eine derart mächtige Nr. 1, öffentlich zu kritisieren.

Andy Murray: Das ist nicht gut für das Tennis, nicht gut für die Australian Open und nicht gut für Novak

Djokovic Weggefährte an die Weltspitze Andy Murray, beide sind im Mai 1987 geboren und beide schafften es bis an die Weltspitze, erklärte, es sei bedauerlich, dass es zu dieser Situation gekommen sei. „Ich weiß nicht, welchen Weg er einschlagen wird, ob er Berufung einlegen kann und wie lange das dauert, und ob er noch trainieren kann, während das Verfahren läuft, oder ob er noch am Turnier teilnimmt.“

Er wolle nur, dass die Sache geklärt werde. „Ich denke, es wäre für alle gut, wenn das der Fall wäre. Es scheint so, als würde es sich jetzt schon ziemlich lange hinziehen, und ja, das ist nicht gut für das Tennis, nicht gut für die Australian Open und nicht gut für Novak„, so der dreifache Grand Slam-, zweifache Olympiasieger und Spieler des Jahres 2016.

Michael Stich: Es ergibt alles keinen Sinn, es passt alles nicht zusammen.

Der deutsche Wimbledon-Sieger von 1991 Michael Stich meinte: stört, dass in der Öffentlichkeit fast nur noch über Djokovic diskutiert wird und die meisten anderen Spieler vor Beginn der Australian Open medial kaum existent sind. „Das ist ja der große Fehler: Die Welt spricht nicht über Tennis, sie spricht über Novak Djokovic. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe“, sagte der 53-Jährige dem „Spiegel“.

 Es ergibt alles keinen Sinn. Es passt alles nicht zusammen. Am Ende des Tages ist er der einzige, der es auflösen könnte (oder polizeiliche Ermittler, denn Djokovic kann viel behaupten JFB). Eine Nummer eins im Tennis oder in welcher Sportart auch immer hat keine Ausnahmerechte. Und kein Sportler ist größer als der Sport.“

Und zu der Behauptung von Djokovic, dass er nach seinem angeblich positiven PCR-Test am 16. Dezember zwei Tage später zu einem Interview und Fotoshooting bei der französischen Sportzeitung L’Equipe erschien und dem Journalisten respektive Fotografen nichts von seiner Infektion sagte, meinte Stich: „Da er ansonsten immer alles sehr genau plant, passt es einfach nicht ins Bild, das man von ihm hat. Als ehemaliger Tennisprofi kann ich nur sagen, dass es einem meistens nicht besonders schwerfällt, ein Interview abzusagen. Man macht sich keine großen Gedanken darüber, ob man jemanden damit enttäuscht, wenn es die eigene Entscheidung ist.“

Einiges ist nicht glaubwürdig

Auch bezüglich Djokovics Behauptung, es wäre sein Agent gewesen, der falsche Angaben bei dem Visumsantrag machte und angab, Djokovic wäre in den 14 Tagen vor der Einreise nicht ins Ausland gereist, dabei war er in dieser Zeit sowohl in Serbien als auch in Spanien, tut sich Stich „schwer damit, die Begründung zu glauben.

„Dass ein Mitarbeiter mal ein falsches Kreuz macht, ist natürlich möglich. Aber gerade jetzt, in Zeiten von Corona, sollte so etwas nicht passieren. Die Aussage, dass er keine Symptome hatte und den Interviewtermin wahrgenommen hat, um den Journalisten nicht zu enttäuschen, halte ich ehrlich gesagt für unglaubwürdig – und auch Djokovics Person nicht entsprechend“, so Stich.

Generell ruft die verworrene Situation um die Einreise des Grand-Slam-Rekordsiegers bei Stich „im Grunde Unverständnis über das Vorgehen aller Beteiligten hervor, von Djokovic über den Verband Tennis Australia bis hin zu den Behörden. Die Geschichte sei mittlerweile „so politisiert, dass der Respekt gegenüber all den anderen Profis, die in Melbourne antreten, verloren geht“, ärgerte sich der Wimbledonsieger, der auch fast zehn Jahre Direktor des Tennisturniers am Hamburger Rothenbaum war.

Marton Fucsovics: Er hat kein Recht, hier zu sein

Die deutsche Tennislegende Boris Becker, der Djokovic sehr gut kennt, hat er ihn doch vom Jahreswechsel 2013/14 bis zum Jahreswechsel 2016/17 drei Jahre lang trainiert, sagte: „Ich glaube, er macht einen großen Fehler, sich nicht impfen zu lassen. Ich würde ihm dringend raten, sich impfen zu lassen – ob er auf mich hören würde, ist eine andere Sache“, so Becker. Die Regeln seien zu akzeptieren.

Der ungarische Top 30-Spieler Marton Fucsovics äußerte sich wie folgt: „Die Gesundheit der Menschen steht an erster Stelle, und es gibt Regeln, die schon vor Monaten festgelegt wurden.“ Doch Djokovic habe sich nicht an diese Regeln gehalten, mahnte der 29-Jährige an. Daher vertrete er eine klare Meinung, meinte Fucsovics: „Unter diesem Gesichtspunkt glaube ich, dass er kein Recht hätte, hier zu sein. Viele Spieler, ich gehöre nicht dazu, wollten sich nicht impfen lassen und wurden dazu gezwungen, um Turniere Spiele zu dürfen. Er umgeht diese Regeln.“

Stefanos Tsitsipas: Er lässt die Mehrheit irgendwie alle wie Idioten aussehen

Ganz ähnlich äußerte sich auch der Portugiese João Sousa: „Ich respektiere, dass er für das kämpft, woran er glaubt, und ich kann nachfühlen, was er in Australien durchmacht. Aber es ist ein bisschen egoistisch von ihm, hier als einziger Spieler ungeimpft anzukommen. Es ist schwer für uns Spieler, das zu akzeptieren. Viele Spieler – nicht mein Fall – wollten sich nicht impfen lassen und wurden dazu gezwungen, um an Turnieren teilnehmen zu können. Er findet einen Weg, diese Regeln zu umgehen„, sagte der 32-Jährige.

Auch Stefanos Tsitsipas, die Nr. 4 der Welt, ließ dezent Kritik an Djokovics Verhalten durchblicken: Djokovics Versuche, die Regeln zu umgehen, seien ein Schlag ins Gesicht für alle anderen, die die richtige Entscheidung getroffen hätten. „Die Statistik besagt, dass 98 Prozent (laut ATP 97 Prozent, JFB) der Spieler geimpft wurden und getan haben, was sie tun mussten, um in Australien spielen zu können“, sagte Tsitsipas dem indischen Sender WIO News. „Die eine Seite ist, dass wir alle die Protokolle befolgt haben, um in Australien zu spielen, wir waren sehr diszipliniert in diesem Teil. Die andere Seite ist, dass es so aussieht, als ob sich nicht jeder an die Regeln hält, die Tennis Australia und die Regierung aufgestellt haben. Eine sehr kleine Gruppe hat sich entschieden, ihren eigenen Weg zu gehen, und das lässt die Mehrheit irgendwie so aussehen, als wären sie alle Idioten.“

Martina Navratilova: Lass dich impfen oder spiele nicht!

Sehr deutliche Worte findet inzwischen auch die 18-fache Grand Slam-Siegerin Martina Navratilova, die zudem noch 31 Grand Slam-Titel im Damendoppel und 10 im Mixed einsammelte. Navratilova, bislang eine der lautstärksten Unterstützer von Djoković sagte nun in seine Richtung: „Lass dich impfen oder spiele nicht!“ 

Zu Novak Djokovic als Person sagte Navratilova:Ich habe Djokovic über die Jahre immer wieder verteidigt. Er hatte es schwierig, wenn es um Vergleiche mit Roger oder Rafa ging. Er war immer der weniger Beliebte. Ich hatte das auch oft. Aber ich habe immer seine Entschlossenheit bewundert, der beste Tennisspieler zu werden, den er sein kann. Denn ich weiß, was es dafür braucht. Gleichzeitig hat man eine gewisse Verantwortung, wenn man eine prägende Figur eines Sports sein will. Du bist ein Vorbild für Kinder, ob du das willst oder nicht. Auch bei der Impfung. Es mag etwas sein, das dir nicht gefällt, aber die Zahlen sprechen für die Impfung.“

Über die Situation allgemein sagte die 65-Jährige:Das Beste, was Novak tun könnte, wäre zu sagen: ‚Es sind zu viele Fehler passiert, das ist nicht in Ordnung. Ich wäre wohl der einzige ungeimpfte Spieler hier und darum ist es das Richtige, nach Hause zu fliegen.‘ Wenn du dir eine Zerrung zuziehst, beschwerst du dich ja auch nicht, dass du nicht spielen kannst. Aber ich denke nicht, dass er das tun wird, denn er will diesen 21. Major-Titel.“

Auch zu den teils äußerst bizarren Auftritten seiner Familie äußerte sich die Grande Dame des Tennissports: Seine Eltern haben ihm nicht geholfen mit ihren Statements. Sie haben ein Feuer gelegt und serbische Fans sind schon sonst sehr emotional. Wir hatten hier in Melbourne und Sydney in den letzten Jahren schon Probleme und wenn er spielt, wird es weitere geben. Hier sollte man versuchen, die Situation zu beruhigen, anstatt sie nochmals zu verschärfen.“

Der größte Fehler sei aber gewesen, „dass Djokovic nach seinem positiven Test dieses Fotoshooting gemacht hat. Das ergibt einfach keinen Sinn. Das Shooting durchführen, um jemanden nicht zu enttäuschen – ist das ein Scherz? Ich würde zuhause bleiben und man könnte mich nicht mal dazu zwingen, dieses zu verlassen.“ So was mache man einfach nicht.

Und Navratilova resümiert: „Unter dem Strich kann gesagt werden: Manchmal müssen die persönlichen Ansichten durch das ersetzt werden, was für die Allgemeinheit besser ist. Wenn man sich nicht impfen lassen will, aber es jeder andere macht, weil es das Richtige ist und es dieses Land verlangt, hat man zwei Optionen: Sich impfen lassen oder nicht spielen.“

Update: Zverev schlägt sich auf Djokovics Seite

Nun hat sich auch die Nr. 3 der Welt, Alexander Zverev, zu Wort gemeldet: „Er hatte ein Visum, richtig? Er ist doch nicht auf gut Glück hierher gekommen. Hast du das Visum, gehst du davon aus zu spielen. Novak ist ein sehr großer Name, ein Weltstar. Ich denke, dass er jemand ist, von dem die Leute vielleicht denken, dass sie eine große Sache daraus machen können, nur weil es Novak ist.“

Sodann macht Zverev auf den Fall der tschechischen Spielerin Renata Voracova aufmerksam: „Die Spielerin, die ausgewiesen wurde ( – Red.), hat sogar ein Turnier hier gespielt, bevor Novak kam. Dann wurde sie wegen ihm ausgewiesen. Ich glaube, würde es nicht um Novak gehen, die Nummer 1, den 20-fachen Grand-Slam-Sieger, dann wäre das kein großes Drama.“

Die Schuld sieht der Deutsche auch bei den Behörden in Down Under, die in der ganzen Affäre sicherlich auch keine Figur abgeben. „Ich verstehe die Sicht der Australier und der Regierung. Aber die australische und auch die Regierung von Victoria hätten sich vorher im Klaren darüber sein müssen, was passiert. Ich denke, es ist nicht fair, dass eine Person hierher kommt und nicht spielen kann.“

„Ich werde nie ein schlechtes Wort über Novak sagen“, ist einer der meistgehörten Sätze des Olympiasiegers, der auch an Djokovics Adria Tour mitten in der ersten Welle der Pandemie im Sommer 2020 teilnahm, sich dann infizierte und sich ebenfalls nicht ordnungsgemäß in Isolation begab.

Nadal: Die Australian Open sind viel wichtiger als jeder einzelne Spieler

Etwas differenzierter äußerte sich der 20-fache Grand Slam-Champion Rafael Nadal. Er respektiere seinen Rivalen „als Person, natürlich, und ohne Zweifel als Sportler“ er sei jedoch „mit vielen Dingen, die Novak in den letzten Wochen getan hat, nicht einverstanden“. Der 35-Jährige, der trotz all seiner Erfolge immer ganz geerdet geblieben ist, fügte einen Satz hinzu, der diese Einstellung wunderbar zum Ausdruck bringt: „Die Australian Open sind viel wichtiger als jeder einzelne Spieler.“

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