Friedrich Merz und Sigmar Gabriel stellen sich hinter Habecks Katar-Deal

Von Jürgen Fritz, Di. 22. Mrz 2022, Titelbild: phoenix-Screenshot

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) reiste am Sonntag nach Katar, um eine von mehreren Alternativen zu den russischen Erdgaslieferungen anzubahnen. Dies wurde von einigen teils sehr undifferenziert und polemisch kritisiert. Dazu eine Kritik dieser Kritik sowie zwei Stellungnahmen von Friedrich Merz (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD).

Ziel der Habeck-Reise in den Nahen Osten

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Sonntag in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation in Katar versucht, Geschäfte deutscher Firmen zur Versorgung Deutschlands mit Flüssigerdgas (LNG) anzubahnen, um so die starke Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas zumindest ein wenig zu verringern. Katar ist einer der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas (LNG). Die vereinbarte Partnerschaft umfasse nicht nur LNG-Lieferungen, sondern auch den Ausbau von erneuerbaren Energien sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz, so Habeck.

Er habe mit seinem katarischen Amtskollegen auch über Arbeitsstandards und Arbeitsschutz gesprochen und darauf hingewiesen, dass diese „zwingend notwendig“ für Investitionen seien. Anschließend führte der Wirtschaftsminister in den Vereinigten Arabischen Emiraten Gespräche über eine künftige Zusammenarbeit im Wasserstoff-Bereich.

Dies ist ein Baustein in einem Gesamtkonzept, wonach der Energieimport zukünftig nicht mehr zu einem so hohen Anteil von einem Land abhängig gemacht werden soll, zumal es sich bei diesem Land um ein solches handelt, das gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen einen souveränen, demokratischen Staat in Europa führt.

2020 lieferte Russland insgesamt ca. 167,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas per Pipelines nach Europa. Der mit Abstand größte Anteil daran (33,6 Prozent) floss nach Deutschland: 56,3 Milliarden Kubikmeter. 19,7 Milliarden Kubikmeter (11,7 Prozent der nach Europa gelieferten Gesamtmenge) floss nach Italien.

Diese 56,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland machten mehr als 55 Prozent der gesamten deutschen Erdgasimportes Deutschlands aus. Das heißt, wir bezogen mehr Gas aus Russland als aus allen anderen Ländern der Welt zusammen (knapp 45 Prozent). Das Ziel der Habeck-Reise in den Nahen Osten war es mithin, so schnell wie möglich neue Energielieferanten aufzutreiben, um den russischen Anteil so schnell wie möglich reduzieren zu können.

Die Kritik an Habeck und die Kritik an dieser

Nun wurde diese Initiative des Bundeswirtschaftsministers von verschiedenen Seiten kritisiert, weil das islamisch-monarchische Katar seit langem insbesondere die Muslimbrüder und andere radikalislamische Gruppen sowie Terrororganisationen wie die Hamas unterstützt und ebenfalls ein autokratisches System darstellt. Zudem gelten die Arbeits- und Lebenssituation von Niedriglohnmigranten in Katar teilweise als menschenunwürdig, was auch die Vereinten Nationen kritisierten.

Was hierbei übersehen wird: Zum Realitätssinn gehört, dass man auch mit Verbrecherstaaten respektive dubiosen und alles andere als freiheitlich-demokratischen, menschenrechtsbasierten Ländern Geschäfte machen muss. Das geht oftmals gar nicht anders. Und das sage ich als Prinzipienethiker und Deontologe (Kantianer), nicht als Utilitarist! Das ist traurig, sehr traurig sogar. Aber die Moralität darf – so wichtig sie in der Politik auch ist! – sich niemals von den realen Gegebenheiten abkoppeln. Beides muss man irgendwie zusammenbringen.

Und zur Realität gehört nun mal, dass wir ohne Energielieferungen aus solchen Staaten auch die nächsten Jahre noch nicht auskommen. Also muss man hier in den geringst möglichen sauren Apfel beißen und Geschäfte auch mit teilweise dubiosen Partnern machen. Auch von China werden wir lange nicht los kommen. Von Saudi Arabien und Katar ebenso nicht. Dabei muss man aber auf eines unbedingt achten, worauf die Schröder- und die Merkel-Regierungen nicht geachtet haben: Man darf sich dabei nicht von einem abhängig machen, sondern muss das Risiko diversifizieren, so dass keiner von diesen Verbrecherstaaten respektive diesen autokratischen Systeme einen irgendwie in der Hand hat.

Friedrich Merz: Wir begleiten diesen Weg durchaus konstruktiv

Ganz ähnlich äußerte sich gestern auch der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, nachdem er darauf angesprochen wurde:

„Deutschland darf auf keine Option in der Energiegewinnung, -erzeugung mehr verzichten. Katar ist sicherlich ein nicht ganz unproblematischer Partner, aber wir kritisieren diese Reise des Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich nichtWir müssen Energieversorgung in Deutschland und auch in Europa sicherstellen.

Und wir müssen uns vor allem so schnell wie möglich unabhängig machen von russischem Gas und Öl. Und wenn das dem Zweck dient, dann ist das bei aller Kritik, die wir an dem Regime in Katar durchaus haben, ein Weg, den wir durchaus konstruktiv begleiten.“ 

Sigmar Gabriel: Robert Habeck macht das Richtige

Rückendeckung für diesen Kurs gab es auch vom ehemaligen SPD-Vorsitzenden sowie ehemaligen Bundeswirtschafts-, Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Dieser schrieb am Montag auf Twitter:

Robert Habeck macht das Richtige: er sichert Deutschland Alternativen zum russischen Gas. Kaum jemand ist dafür besser geeignet als Qatar. Erstaunlich nur, wie vorurteilsbeladen und ahnungslos manche Medienberichte dazu waren.

Am dümmsten war der Vergleich mit Russland. Qatar bedroht niemanden, finanziert keine Terrororganisationen, sondern beherbergt auf Wunsch der USA (!) die Hamas und die Taliban, um in Doha mit ihnen verhandeln zu können. Qatar ist schlicht ein verlässlicher Partner des Westens.

Qatar ist sicher keine ‚Westminster-Demokratie‘, aber setzt mutige Reformen um. Das steht selten in deutschen Medien, dafür aber im Menschenrechtsbericht der UN und den Berichten der International Labour Organization ILO (eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, damit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu fördern). Wir täten gut daran, das Land auf diesem Weg zu unterstützen.“

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