Von Jürgen Fritz, Di. 05. Apr 2022, Titelbild: WELT-Screenshot
Die in Butscha und anderen Orten in der Nähe von Kiew entdeckten und fotografierten schweren Kriegsverbrechen erschüttern die letzten Tage die halbe Welt. Der Historiker, Publizist und Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr Klaus Wittmann äußerte sich im WELT-Interview dazu wie folgt.
Diese barbarischen Kriegsverbrechen den Ukrainern in die Schuhe zu schieben wollen, ist geradezu pervers
Die in Butscha entdeckten Greueltaten „haben mich zwar schockiert und empört, aber nicht überrascht“, so Klaus Wittmann. Die Außenminister spreche von einer neuen Dimension des Krieges, aber es sei ja bekannt, „wie barbarisch unter dieser russischen Führung Krieg geführt wird“, so der ehemalige General.
„Dass der Kreml das nun den Ukrainern in die Schuhe schieben will“, das sei aber „geradezu pervers – aber auch nicht erstaunlich.“ Schließlich habe doch Außenminister Lawrow wörtlich gesagt: „Wir haben die Ukraine nicht angegriffen.“ Dazu Klaus Wittmann: „Wie krank ist denn die Behauptung, diese Untaten oder auch die Bombardierung des Mariupoler Schauspielhauses mit hunderten Menschen in Schutzkellern sei eine Inszenierung der Verteidiger?“
Die Beweise müssten natürlich forensisch und durch Aussagen von Augenzeugen bewiesen und dokumentiert werden, aber „es ist für mich so klar, dass dies nicht etwa die Ukrainer selber gemacht haben, die einen Freiheitskampf führen mit jedem einzelnen ihrer Volksangehörigen und nicht so etwas veranstalten würden, bloß um Russland noch schlechter dastehen zu lassen, als es schon dasteht.“
Srebenica, Grosny, Aleppo und nun Butscha und andere Orte in der Ukraine, das Muster ist immer das gleiche
Das Vorgehen der russischen Soldaten, vielleicht seien ja auch tschetschenische dabei, passe ganz genau ins Muster Aleppo (Russischer Militäreinsatz in Syrien ab September 2015), Grosny (Zweiter Tschetschenienkrieg 1999 bis 2009, wo ebenfalls schwerste Kriegsverbrechen begangen wurden und wo sich Putin gleich zu Beginn seiner Ministerpräsidentschaft ab August 1999 und seiner Präsidentschaft ab Mai 2000 erstmals hervortat) und Srebenica (Massaker von Srebrenica 1995 während des Bosnienkrieges, begangen von Serben an Bosniaken, wobei Russland die Schutzmacht Serbiens war).
Natürlich müsse man versuchen, persönlich Schuldige festzumachen und ihnen ihre Kriegsverbrechen zu beweisen, aber eines sei klar, so Wittmann weiter. Schon bei dem Flugzeugabschuss 2014 über der Ostukraine habe Putin „die Umstände geschaffen, unter denen so etwas überhaupt vorkommen kann. Und auch so etwas wie die Greueltaten in Butscha und wahrscheinlich noch in anderen Orten, wo man sie erst noch aufdecken wird, wenn man dort wieder die Kontrolle übernommen hat.“
Wichtig ist, sowohl die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen als auch die persönlich Schuldigen, die schießen, foltern und vergewaltigen
Die Anklagen wegen Kriegsverbrechen hält der Historiker und Ex-General für wichtig im Sinne eines naming and shaming (benennen und beschämen). Dabei gebe es zwei Ebenen, die politische, so wie ja auch Slobodan Milošević, der ehemalige serbische Präsident, irgendwann vor dem Kriegsverbrechergericht gelandet. (Milošević wurde ab 1999 als Schlüsselfigur der Jugoslawienkriege vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dann auch wegen Kriegsverbrechen, Verstöße gegen die Genfer Konventionen sowie Völkermord angeklagt und 2001 an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert.)
Zum anderen gebe es die Ebene und „die Schuld derjenigen, die tatsächlich geschossen, gefoltert und vergewaltigt haben“, sofern man sie festmachen könne.
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