Schlimmster Massenmord in der Geschichte Kanadas

Von Jürgen Fritz, Mo. 20. Apr, Update: Di. 21. Apr 2020, Titelbild: Global News-Screenshot

In der Nacht von Samstag auf Sonntag erhielt die Royal Canadian Mounted Police einen Notruf. Ein Bewaffneter sei in Portapique, ca. 130 Kilometer nördlich von Halifax, der Hauptstadt der Provinz Nova Scotia, unterwegs. Als die Polizei dort eintrifft, macht sie eine schreckliche Entdeckung und es beginnt eine Verfolgungsjagd über zwölf Stunden mit etlichen weiteren schrecklichen Funden.

Verbrecherjagd über zwölf Stunden

Die schreckliche Tat ereignete sich in der kanadischen Provinz Nova Scotia (ca. 970.000 Bewohner) mit der Hauptstadt Halifax. Per Notruf wurde die Royal Canadian Mounted Police am späten Samstagabend kurz vor Mitternacht benachrichtigt, dass ein Bewaffneter in Portapique, etwa 130 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Halifax unterwegs sei. Der Täter besaß dort selbst mehrere Immobilien. Als die Polizei am Ort eintraf, machte sie die erste schreckliche Entdeckung: In einem Haus und auf dem umliegenden Grundstück entdeckte sie mehrere Leichen. Von dem Täter war jedoch keine Spur.

Nun folgte ein mehrstündige Verbrecherjagd über mehr als 100 Kilometer durch Nova Scotia. Dabei fanden die Polizisten an mehreren weiteren Tatorten in der Atlantik-Provinz weitere Leichen. An einigen Stellen seien Feuer auf Grundstücken gelegt worden.

Augenzeugen berichteten von heulenden Sirenen, Schüssen und anderen Schreckensmomenten. Die Polizei forderte Anwohner auf, in ihren Häusern zu bleiben und die Türen abzuschließen. Die Behörde warnte vor einem Schützen, der möglicherweise eine Polizeiuniform trage und mit einem Fahrzeug unterwegs sei, das einem Streifenwagen gleiche.

Inzwischen wurde bekannt: Der Täter trug tatsächlich eine Polizeiuniform und war in einem bei einer Auktion ersteigerten alten Polizeiwagen unterwegs, welcher nach akribischem Aufmotzen von einem echten Streifenwagen kaum zu unterscheiden war.

Mindestens 18 Menschen ermordet, auch der Täter ist tot

Augenzeugen berichteten von Bränden auf mehreren Grundstücken und brennenden Polizeiautos. Die Polizistin Heidi Stevenson, Mutter zwei Kinder, die seit 23 Jahren im Dienst gewesen ist, kam bei einer Konfrontation mit dem Täter ums Leben. Ein männlicher Kollege von ihr wurde angeschossen, kam aber mit nicht lebensgefährlichen Verletzungen davon.

Im Verlauf der Flucht stoppte der Täter, der als „Mountie” im Pseudo-Polizeiwagen unterwegs war, auf einer Straße in der Nähe der Ortschaft Ebert ein Fahrzeug und erschoss die Insassen. Später soll der Todesschütze auf einen neutralen Chevrolet-SUV umgestiegen sein.

Dann, nach zwölf Stunden, kann der mutmaßliche Täter, der mit mehrere Fahrzeugen flüchtet, am Sonntagmittag an einer Tankstelle in Enfield von der Polizei gestellt werden.

Der Täter wurde nach Polizeiangaben an der Tankstelle festgenommen. Wenig später habe es aber ein Feuergefecht gegeben, welches der Täter nicht überlebte, berichtete das kanadische Fernsehen CTV. Die Umstände der Eskalation werden von einer Spezial-Einheit der Polizei untersucht.

Am Ende zählt die Polizei vorerst 18 von dem Täter ermordete Menschen plus ihn selbst, insgesamt also 19 Tote. Eventuell werden noch mehr Opfer befürchtet, sagt der Ermittler Chris Leather von der Royal Canadian Mounted Police am Sonntagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz.

Dies sei die schlimmste derartige Bluttat in der Geschichte des Landes, heißt es von den Behörden. Unter den Opfern ist auch eine Polizistin, siehe Bild. Bei der toten Polizistin habe es sich um eine Mutter von zwei Kindern gehandelt.

„Zwei Kinder haben ihre Mutter verloren. Ein Ehemann hat seine Frau verloren. Eltern haben ihre Tochter verloren, und unzählige andere haben eine fantastische Freundin und Kollegin verloren“, sagte die stellvertretende Polizeichefin Lee Bergerman.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sprach am Sonntagabend von einem Akt „wahnwitziger Gewalt“.

Der mutmaßliche Täter: ein 51-jähriger Zahntechniker

Die Ermittlungen in diesem „tragischen Vorfall“ befänden sich in einer frühen Phase, so der Polizeiermittler Chris Leather von der Royal Canadian Mounted Police. Auf einen Schlag habe sich das Leben vieler Familien und Opfer für immer verändert. Sichtlich betroffen sprach er von einer „chaotischen“ Szene, die sich den Polizisten schon Samstagnacht geboten habe.

Bei dem Täter soll es sich um Gabriel Wortman, einen 51-jährigen Zahntechniker handeln, siehe Titelbild. Der Mann habe sich offenbar als Polizist getarnt. Zum Motiv des Schützen machten die Ermittler zunächst keine Angaben. Leather zufolge deutet vieles darauf hin, dass der tatverdächtige Mann das Blutbad plante und dabei auch Menschen tötete, die er nicht kannte. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es nicht. Seine Opfer habe er zumindest teilweise anscheinend zufällig ausgewählt, sagte Leather.

Wortman wird der als wohlhabend und alkoholkrank beschrieben. In seinem Jahrbuch nach Abschluss der Highschool 1986 findet sich folgender Satz: „Gabes Zukunft könnte darin liegen, ein Officer der RCPM zu werden”, der Royal Canadian Mounted Police. Also ein „Mountie”, wie die hoch angesehenen und beliebten kanadischen Polizisten in ihren roten Uniformen genannt werden. 

Ob die Tat eine Art Racheakt war, weil Wortman nicht in den Polizeidienst aufgenommen wurde und weil sein alt eingesessenes Zahntechnik-Labor in Dartmouth nahe der Provinzhauptstadt Halifax im Rahmen der Corona-Pandemie seit Wochen zwangsgeschlossen war, sind im Moment nur Spekulationen, wären aber ein mögliches Motiv.

Gabriel-Wortman

Gabriel Wortman, TV News Atlantic-Screenshot

Anders als in den USA sind die Waffengesetze in Kanada vergleichsweise streng. Der zuvor blutigste Amoklauf hatte sich in Kanada 1989 ereignet, als der 25-jährige Marc Lepine an einer Hochschule in Montréal 14 Frauen erschoss und 13 weitere Menschen verletzte, bevor er sich selbst das Leben nahm. In einem Schreiben hatte er seinen Hass auf Feministinnen als Motiv genannt.

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