Von Jürgen Fritz, Do. 21. Mai 2020, Titelbild: nordmagazin-Screenshot
Was für ein Skandal! Das wäre wie wenn ein Herr Höcke in Thüringen in das Verfassungsgericht des Freistaates Thüringen gewählt würde, sagt der Verfassungsrechtler an der Universität Jena Prof. Dr. Michael Brenner zur Wahl von Barbara Borchardt zur Richterin am Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern. Es gebe Verfassungsfeinde auf der linken und solche auf der rechten Seite des politischen Spektrums und die Linke-Politikerin gehöre in jene Rubrik. Borchardt hat die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestufte „Antikapitalistische Linke“ innerhalb der Linkspartei mitbegründet und war dort Mitglied im Sprecherrat. Wie kann es sein, dass so eine Frau in so ein Amt gewählt wird und wer hat sie dorthin gewählt?
Die Antikapitalistische Linke vertritt eindeutig linksextreme antikapitalistische und antimilitaristische Positionen
Die Antikapitalistische Linke (AKL) wurde 2006 als eine politische Strömung innerhalb der Linkspartei gegründet. Sie vertritt linksextreme antikapitalistische und antimilitaristische Positionen. Die AKL-ler sehen den Kapitalismus als Ursache für Kriege, Armut und Umweltzerstörung an – als ob die Umweltzerstörung in kommunistischen und realsozialistischen Ländern nicht um ein weites größere wäre – und plädieren für eine völlige Auflösung der NATO (North Atlantic Treaty Organization), außerdem für eine völlige Abschaffung der Bundeswehr.
Die AKL übt nicht einfach Kritik an Fehlentwicklungen, sondern sie fordert einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ sowie die Überwindung der bestehenden „kapitalistischen Gesellschaftsordnung“ durch einen „Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen“. Die linksextremistische Organisation verfügt nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz über ca. 1.000 Mitglieder, macht somit knapp zwei Prozent aller Linksparteimitglieder aus (ca. 60.000), wobei es innerhalb der Linkspartei sechs weitere linksextremistische Untergruppierungen gibt.
Zu den Erstunterzeichnern für den Aufruf zur Gründung der Antikapitalistischen Linken gehörte übrigens unter anderem auch Sahra Wagenknecht, die zugleich fast 20 Jahre lang (von 1991 bis 2010) Mitglied der Leitung der ebenfalls linksextremistischen Kommunistischen Plattform in der Linkspartei war. Und eine der Mitgründerinnen der Antikapitalistischen Linken in Mecklenburg-Vorpommern war Beate Borchardt, die nun in Mecklenburg-Vorpommern zur Landesverfassungsrichterin gewählt wurde.
Beate Borchardts astreine SED-Kaderschmiede-Karriere
Die heute 64-Jährige (Jahrgang 1956) trat schon 1976 in die SED ein und blieb auch nach 1989/90 Mitglied der PDS, war von 1990 bis 1999 Vorsitzendes des PDS-Kreisverbandes Strasburg (Uckermark in Brandenburg). Beate Borchardt war schon 1976, mit 20 Jahren, bis 1978 Bürgermeisterin der Gemeinde Rutenberg, ab 1979 Bürgermeisterin der Gemeinde Groß Daberkow im Südosten Mecklenburg-Vorpommerns. Während dieser Zeit absolvierte sie von 1986 bis 1990 ein Fernstudium zur Diplomjuristin.
Seit 1990 gehörte sie dem Vorstand des PDS-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern an, war zeitweise stellvertretende Landesvorsitzende. Von 1997 bis 1998 war sie Sprecherin der Landesarmutskonferenz und wurde 1998 ins Landesparlament von MV gewählt. 2002 wurde sie nicht wiedergewählt war die nächsten zwei Jahre erwerbslos. Außerhalb der Politik und der SED- bzw. Linkspartei scheint sie also niemals einer Beschäftigung nachgegangen zu sein. Sie blieb aber bis 2003 Mitglied des Parteivorstandes der PDS und von 2003 bis 2004 Mitglied des Erwerbslosenbeirates. Im Dezember 2004 rückte sie dann für eine andere Linkenpolitikerin in den Landtag nach. 2006 zog sie wieder über die Landesliste der Linken ins Parlament vom MV ein.
Wer hat die linksextremistische SED-lerin in dieses hohe Amt gewählt?
Nun wurde sie also im Mai 2020 im Schweriner Landtag, wenn auch erst im zweiten Durchgang mit einer notwendigen Zweidrittelmehrheit zur Landesverfassungsrichterin gewählt. Wie ist das möglich? Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern setzt sich derzeit aus 71 Abgeordneten zusammen, die sich wie folgt auf die einzelnen Fraktionen verteilen:
Für eine Zweidrittelmehrheit braucht es mindestens 48 Stimmen, SPD und die Linkspartei kommen aber auf maximal 37. Das heißt, Borchardt brauchte etliche Stimmen der CDU und – man fasst es kaum – die bekam sie auch. Christdemokraten wählten eine „antikapitalistische Linke“, die von Verfassungsrechtlern als Linksextremistin angesehen wird, die einer Organisation angehört, die vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft ist, zur Verfassungsrichterin. Ein unglaublicher Vorgang.
Der Verlust der politischen Mitte, ein Tabubruch und Tiefpunkt der Geschichte von MV
Schon alleine dass die SPD mit ihrer Landesvorsitzenden Manuela Schwesig, die zugleich Ministerpräsidentin von MV ist, da mitspielte, ist skandalös, noch mehr gilt dies aber für die CDU. Der vorpommersche CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor bezeichnete das Ereignis als einen „Verlust der politischen Mitte“ und als das bittere Resultat des Umstandes, dass es „im Landtag keine hinreichenden Mehrheiten mehr jenseits der extremen linken und rechten Vereinfacher“ gebe.
Die AfD nannte das Vorgehen der Christdemokraten scheinheilig. „Die Wahl Borchardts mit den Stimmen der CDU war ein Tabubruch und ein Tiefpunkt in der Geschichte des Landes“, sagte der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm.
Ein „fatales Signal der Verharmlosung der SED-Diktatur“
Kritik kommt auch von der FDP, die im Landtag von MV nicht vertreten ist. Die Generalsekretärin der Liberalen Linda Teuteberg sagte der WELT: „Mit Frau Borchardt wird zum ersten Mal eine Kandidatin zur Verfassungsrichterin, die sich in einer als verfassungsfeindlich angesehenen Bewegung engagiert.“ Dass sie „statt juristischer Kompetenz und Erfahrung eine Kaderkarriere in der SED“ mitbringe, komme hinzu und sende im 30. Jahr der Deutschen Einheit ein „fatales Signal der Verharmlosung der SED-Diktatur“.
Dass die SPD Borchardt gewählt hatte, überrasche Teuteberg „nicht mehr“. Doch auch die Union müsse „ihren eigenen Anteil daran klären, den linksextremen Bock zum Gärtner gemacht zu haben, und erklären, was ihre Grundsätze eigentlich noch wert sind“.
„Schizophren: Hier wird der linksextreme Bock zum Gärtner gemacht“
Scharfe Worte fand auch der Generalsekretär der CSU Markus Blume. Er twitterte: „Wer Verfassungsfeind ist, kann kein Hüter der Verfassung sein – das ist schizophren. Ein unsäglicher Vorgang. Hier wird der linksextreme Bock zum Gärtner gemacht.“ Und postete dazu das folgende Bild:
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