Von Jürgen Fritz, Do. 14. Jan 2021, Titelbild: ZDF-Screenshot
Der morgen beginnende CDU-Parteitag wird ein historischer solcher sein. Zum einen wird erstmals ein Parteitag einer großen deutschen Partei online durchgeführt. Zum anderen wird das endgültige Ende der Ära Merkel eingeläutet. Drittens wird der neue CDU-Vorsitzende gewählt, vielleicht auch schon viertens der kommende Unions-Kanzlerkandidat und nächste Kanzler. Zumindest aber schwingt diese Frage mit.
Die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden am Samstag ist gleich in mehrfacher Hinsicht von immenser Bedeutung
Die CDU ist die letzte verbliebene Volkspartei in Deutschland. In den Umfragen der letzten neun Monate ist sie durchweg stärker als die Nr. 2 und die Nr. 3, die Grünen und die SPD zusammen. Ohne die Union wird es aller Voraussicht nach auch von 2021 bis 2025 keine Regierungskoalition geben, und CDU/CSU werden die kommende Regierung wohl auch anführen. Insofern schwingt die eingangs erwähnte vierte Frage, ob am Samstag im Grunde vielleicht auch schon der kommende Kanzler der Bundesrepublik gewählt wird, auf jeden Fall mit und das ist den 1.001 Delegierten auch bewusst, wenn sie am Samstag ihren neuen Parteivorsitzenden wählen werden. Diese Frage muss damit noch lange nicht entschieden sein, aber sie steckt in dieser Entscheidung irgendwie immer schon mit drin.
Zugleich ist den Delegierten auch bewusst, dass sie einen Vorsitzenden wählen müssen, der bei der Bevölkerung und zwar vor allem bei den eigenen Wählern und potentiellen neuen Wählern gut ankommt, der es schafft, möglichst viele eigene Anhänger zu mobilisieren und noch Schwankende, für welche die CDU oder die CSU aber eine Option ist, zu sich rüber zu ziehen. Insofern ist es von großer Bedeutung, nicht nur wen die Delegierten selbst am besten finden, sondern auch, von wem sie glauben, dass mit ihm die CDU bei der Bundestagswahl im September 2021 besonders erfolgreich sein kann.
Außerdem spielt drittens eine wichtige Rolle, welcher Kandidat am ehesten verhindern kann, dass wir in Deutschland in den nächsten Jahren Verhältnisse bekommen, wie wir das in den USA seit Jahren sehen und die letzten Tagen in besonders drastischer Weise vor Augen geführt bekamen, als fanatische Trump-Anhänger allen zeigten, was sie von der parlamentarischen Demokratie und ihren Institutionen halten.
Der politische Diskurs muss, wenn man US-Verhältnisse vermeiden will, in die politische Mitte zurückgeholt werden
Der Kurs der asymmetrischen Demobilisierung, den wir unter Merkel seit vielen Jahren gesehen haben, indem sie einfach immer mehr Positionen zunächst der SPD, dann auch der Grünen für die CDU übernommen hat, machte zwar die SPD immer schwächer, so dass diese seit 2005 nie wieder eine Mehrheit unter ihrer Führung zustande brachte. Dieser Kurs schwächte aber die Demokratie immer mehr, indem er die politischen Ränder, vor allem den rechtsradikalen bis hin zum rechtsextremistischen Rand immer mehr stärkte. Es war genau dieser Kurs, der die AfD überhaupt erst erzeugte und dann so stark machte, dass ihre Vertreter inzwischen als drittstärkste Fraktion im Deutschen Bundestag und in sämtlichen Landtagen sitzen. Die staatspolitische und demokratische Verantwortung der CDU wäre es, den politischen Diskurs in die politische Mitte zurückzuholen.
Eine Demokratie kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn es in ihr vier linke, von mitte-links bis linksradikale, Parteien gibt plus eine kleine liberale in der Mitte und als krasses Gegengewicht zu den vier linken Parteien eine rechtsradikale, ja zunehmend rechtsextremistische, die nicht nur einzelne Positionen der vier linken Parteien nicht teilt, sondern die demokratischen Institutionen und die parlamentarische Demokratie selbst negiert und diese nur benutzen möchte, um die Demokratie selbst zu desavouieren.
Kurzum der politische Diskurs muss, wenn man US-Verhältnisse in Deutschland vermeiden will, in die politische Mitte zurückgeholt werden und da muss es verschiedene Positionen unter den Demokraten geben, so dass die Wähler unter diesen eine echte Alternative haben und nicht zu links- oder rechtsradikalen abwandern müssen, um bestimmte sachliche Positionen überhaupt zu finden.
41 Prozent der potentiellen Unionswähler wollen Merz, 31 Prozent Röttgen, Laschet völlig abgeschlagen bei 11 Prozent
Die Frage für die 1.001 CDU-Delegierten wird also sein, wer kann diese drei Aspekte zusammen am besten in sich vereinen: erstens die CDU inhaltlich, sachlich und auch als Persönlichkeit zu führen, zweitens sie auch erfolgreich in die Bundestagswahl führen, so dass sie dort möglichst gut abschneidet, und drittens die Partei mittel- und langfristig so ausrichten, dass die politischen Ränder, insbesondere der rechte Rand geschwächt und die Demokratie sowie der gesellschaftliche innere Frieden gestärkt wird.
Bezüglich des letzten Punktes dürfte Friedrich Merz klar die beste Wahl sein, Armin Laschet wohl die schlechteste. Doch wie sehen es die Wähler und potentiellen Wähler von CDU und CSU? Denn diese gilt es ja bei der Bundestagswahl zu mobilisieren. Wen wünschen sie sich als neuen Bundesvorsitzenden der CDU? Dazu hat der SPIEGEL zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey aktuell eine Erhebung durchgeführt.
Auf die Frage: „Wenn Sie nur zwischen diesen drei Kandidaten wählen könnten: Wer ist Ihrer Meinung nach am ehesten dazu geeignet, der nächste CDU-Vorsitzende zu werden?“ antworten die Anhänger der CDU und der CSU wie folgt:
- Friedrich Merz: 41 %
- Norbert Röttgen: 31 %
- Armin Laschet: 11 %
- Weiß nicht: 17 %
Befragungszeitraum: 9. bis 11. Januar 2021; Befragte: 5.001; Stichprobenfehler gesamt: 2,5 Prozentpunkte (Wahlabsichten: 4,2 – 9,8)
Bei den Wählern und potentiellen Wählern der Union liegt Merz also klar vorne, 10 Punkte vor Röttgen. Völlig abgeschlagen bei den Wählern ist dagegen Armin Laschet, der 20 Punkte hinter Röttgen, 30 Punkte hinter Merz liegt.
FAZ-Leser-Voting spricht noch deutlicher zugunsten von Friedrich Merz
In einer allerdings nicht repräsentativen aktuellen Live-Abstimmung der FAZ-Leser fällt das Ergebnis sogar noch deutlicher zugunsten von Friedrich Merz aus. Nach ca. 30.000 Abstimmungen ist bei den FAZ-Lesern eine mehr als klare Tendenz zu erkennen:
Wer soll den Parteivorsitz der CDU übernehmen?
- Friedrich Merz: 53 %
- Norbert Röttgen: 20 %
- Armin Laschet: 12 %
- Ein anderer: 15 %
Obschon vor allem Armin Laschet bei der Wählerschaft so überaus schlecht ankommt, insbesondere auch bei den Wählern und potentiellen Wählern von CDU und CSU, wird dieser aber von der Parteiführung von einigen präferiert. Mehrere sehr einflussreiche CDU-Politiker haben sich für Laschet ausgesprochen, mehr als für Merz und Röttgen.
Die 400.000 CDU-Mitglieder scheinen noch deutlich mehr zu Merz zu tendieren als die Unionswähler
Aber nicht nur bei den CDU- und CSU-Wählern liegt Merz deutlich vor Röttgen und weit vor Laschet, sondern auch bei den ca. 400.000 CDU-Mitgliedern. Zumindest deutet darauf etliche Abstimmungen massiv hin, die in verschiedenen Kreisverbänden stattgefunden haben.
Die CDU Braunschweig, Niedersachsen, entschied sich in einer Migliederbefragung mit 49,9 Prozent für Merz. Röttgen kam auf respektable 32,4 Prozent, Laschet lediglich auf 17,7 Prozent.
Im Kreisverband Frankfurt am Main, Hessen, sprachen sich zum Beispiel nicht nur 40 oder 50, sondern sogar fast 60 Prozent (59,6) der Mitglieder, die an der Befragung teilnahmen, für Merz aus, 25,2 Prozent für Röttgen und nur 15,2 Prozent für Laschet.
Noch deutlicher fiel die Mitgliederbefragung im Kreisverband Ravensburg, Baden-Württemberg, aus, wo sich sogar 62,2 Prozent für Merz aussprachen. Röttgen kam hier immerhin noch auf respektable gut 29 Prozent, Lascht dagegen nur auf 8,5 Prozent.
Ganz ähnlich das Ergebnis der Mitgliederbefragung in Osnabrück-Land, Niedersachsen. Auch hier kam Merz auf fast 63 Prozent, Röttgen knapp 29,7, Laschet aber nur auf knapp 7,6 Prozent:
Noch deutlicher das Ergebnis der Mitgliederbefragung im Kreisverband Nienburg, Niedersachsen. Hier stimmten über 63,8 Prozent für Merz, 25,8 Prozent für Röttgen und nicht einmal 10,4 Prozent für Laschet:
Im Kreisverband Rotenburg (Wümme), Niedersachsen, kam Merz sogar auf fast 70 Prozent der Stimmen (69,5), Röttgen auf 21,4 und Laschet wieder nur auf 9,1 Prozent.
Die Delegierten tendieren auch am ehesten zu Merz, Laschet hier aber anders als bei den Wählern weit vor Röttgen
Der neue Parteivorsitzende wird aber nicht vom etwa 20-köpfigen CDU-Präsidium und auch nicht von den 400.000 CDU-Mitgliedern oder den ca. 17 Millionen Unions-Anhängern, sondern eben von den 1.001 Delegierten gewählt. Wem diese näher stehen, ob dem Merkel- und Laschet-nahen CDU-Präsidium oder den zu Merz tendierenden CDU-Mitgliedern und den ebenfalls zu Merz tendierenden Unions-Wählern, dies ist derzeit noch nicht klar.
Laut der Sondierungsanalyse von The European hatten die 1.001 CDU-Delegierten am Donnerstag, den 14. Januar, folgende Tendenz:
Demnach könnte – bei noch ca. 17 Prozent unklaren Stimmen – Friedrich Merz im ersten Wahlgang mit mindestens 39,5 Prozent der Delegiertenstimmen rechnen, Armin Laschet mit mindestens 31 und Norbert Röttgen mit mindestens 12,5 Prozent.
Ausblick
Inwieweit es wirklich klug wäre von den Delegierten, völlig entgegen dem Votum der rund 17 Millionen Wähler von CDU und CSU und entgegen dem Willen der 400.000 CDU-Mitglieder ausgerechnet für Armin Laschet zu stimmen, den beide, Wähler und CDU-Mitglieder überhaupt nicht wollen, sei dahingestellt. Dies übrigens auch im Hinblick auf die erläuterte staatspolitische Verantwortung und die Verantwortung für die Stabilisierung unserer Demokratie (Vermeidung von US-Verhältnissen). Wie das Ganze ausgeht, werden wir am Samstag sehen.
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