Forscher entwickelten neue SI-Einheit für die Mindesthaltbarkeit von Politikermeinungen

Von Axel Stöcker, Mo. 15. Feb 2021, Titelbild: WELT-Screenshot

„Jetzt reicht’s! Die EU-Kommission hat genug Fehler gemacht!“ Dieses Machtwort von Bundesinnenminister Horst Seehofer wirft viele Fragen auf. Die naheliegendste dabei dürfte sein: Wann tritt Seehofer vor die Presse und erklärt, dass es doch noch nicht reicht und dass es sich bei der EU-Kommission um ein Team von kompetenzstrotzenden Profis handelt? Axel Stöcker sprach für JFB dazu mit Prof. Grümpelsbacher vom Institut für sinnfreie Zeitfragen IFSFZF.

Das Phänomen kann seit Jahrzehnten beobachtet werden, aber wir sehen die Entwicklung exponentiell zeitgerafft

Angesichts der neuen Einreisebeschränkungen aus Tschechien und Tirol hatte die EU-Kommission Deutschland die letzten Tage kritisiert und aufgefordert, Ausnahmen etwa für Pendler zu gewähren. Mit harschen Worten reagierte die Bundesregierung auf die Kritik der EU an den seit dem gestrigen Sonntag geltenden deutschen Grenzkontrollen. Bundesinnenminister Horst Seehofer äußerte sich gegenüber der BILD: „Jetzt reicht’s! Die EU-Kommission hat bei der Impfstoffbeschaffung in den letzten Monaten genug Fehler gemacht“, so der CSU-Politiker und zuständige Minister. „Die EU-Kommission sollte uns unterstützen und nicht durch wohlfeile Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen.“

Doch viele Menschen fragen sich: Wie lange wird dieses Seehofer-Wort wohl Gültigkeit besitzen? Wir sprachen darüber mit Professor Grümpelsbacher vom Darmstädter Institut für sinnfreie Zeitfragen (IFSFZF), das genau solchen Phänomenen wissenschaftlich auf den Grund geht.

„Früher glaubte man, dass Politiker gefestigte Ansichten zu bestimmten Themen hätten. Das war natürlich wahnsinnig naiv. Heute weiß jedes Kind, dass Politiker nach einer bestimmten Zeit im Brustton der Überzeugung das Gegenteil ihrer bisherigen Meinung vertreten, so der Forscher. Man denke nur an Beispiele wie die Grünen und Basisdemokratie oder Merkel und Atomkraft. Aber das seien nur zwei beliebige Bespiele aus eine endlosen Liste. Das Phänomen sei inzwischen so verbreitet, dass sich niemand mehr darüber wundere und die Presse es gar nicht mehr thematisiere.

„Ich meine, die berichten ja auch nicht, wenn es in England regnet“, sagt Grümpelsbacher und lacht. „Aber der Trend, den wir bei diesem Phänomen beobachten, ist eindeutig: Die Zeit, die zwischen der Verlautbarung einer Meinung und deren Gegenteil vergeht, wird immer kleiner.“ So hätten die Grünen für ihren Umschwung noch 40 Jahre gebraucht, währen es bei Merkels Atomschwenk nicht einmal 40 Wochen gewesen seien. „Bei Herrn Seehofer ist meine Prognose, dass er weniger als 40 Tage brauchen wird. Das ist schon eine Leistung!“

Neue Naturkonstante entdeckt: ein Seehofer (Sh)

Aber wie lange kann sich dieser Trend noch fortsetzen? Und welches ist die kürzest mögliche Zeit, die Politiker für einen kompletten Meinungsumschwung benötigen? Fragen, denen am IFSFZF seit geraumer Zeit nachgegangen wird.

„Warum die Zeit immer kürzer wird, wissen wir nicht“, erklärt Grümpelsbacher, „Es könnte sein, dass sie reziprok mit der Ausdehnung des Universums zusammenhängt – aber das sind noch Spekulationen. Sicher sind wir uns dagegen, dass es eine solche minimale Zeit gibt.“

Grümpelsbacher hält diese Zeitspanne für eine fundamentale Größe, eine Art Naturkonstante der Politikwissenschaft und hat ihr deshalb einen eigenen Namen gegeben: 1 Seehofer, abgekürzt 1 Sh. 1 Seehofer ist definiert als die Mindestzeitspanne, die zwischen der Artikulierung einer Meinung und deren exaktem Gegenteil durch ein und dieselbe Person vergehen muss.

Wie lange 1 Sh genau ist, daran wird noch geforscht. Man vermutet, dass die Länge knapp über der aus der Physik bekannten Planck-Zeit (5,4 mal 10-44 Sekunden) liegt. „Etwas länger als die Planck-Zeit muss der Seehofer sein, denn der Politiker muss ja zwischendurch Luft holen“, erläutert Grümpelsbacher, „Aber der Trend ist unaufhaltsam. Wir werden noch in diesem Jahrzehnt erleben, dass innerhalb einer Pressekonferenz derselbe Politiker eine Meinung und ihr Gegenteil vertritt! Seehofer ist ja schon ganz nah dran!“

Wäre 1 Söder (Sö) nicht besser gewesen als 1 Seehofer (Sh)?

Da es sich um ein internationales Phänomen handelt, rechnet man sich am IFSFZF gute Chancen aus, dass die Einheit 1 Seehofer (1 Sh) in die Liste der SI-Einheiten aufgenommen wird.

Über den Namen der neuen Zeiteinheit gab es im Vorfeld allerdings heftige Auseinandersetzungen unter den Wissenschaftlern. Einige waren der Meinung, dass die Bezeichnung ein 1 Söder (1 Sö) besser geeignet wäre.

Am IFSFZF laufen derzeit aber auch noch andere spannende Projekte. Man vermutet nämlich, dass es auch eine minimale Zeitspanne gibt, in der eine Satiremeldung von der Realität überholt werden kann. Ein Name für diese Zeiteinheit wird noch gesucht. „Auch das ein ganz heißes Thema!“, schwärmt Grümpelsbacher.

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Zum Autor: Axel Stöcker, Jg. 1967, hat Mathematik und Chemie studiert und ist Gymnasiallehrer. Er ist mit einer Spanierin verheiratet und lebt mit Unterbrechungen seit 2002 in Spanien. Auf seinem Blog, die-grossen-fragen.com, arbeitet er sich an den großen Fragen zwischen Naturwissenschaft und Philosophie ab. Doch auch politische Verwerfungen stacheln ihn gelegentlich zu Kommentaren und Satiren an.

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