Von Jürgen Fritz, Do. 04. März 2021, Titelbild: ATP Tennis TV-Screenshot
Seit Juli 2005 gibt es nur vier Spieler, die es in die Top-Zwei der Welt schafften: Federer, Nadal, Murray und Djokovic. Daniil Medvedev hatte diese Woche in Rotterdam die Chance, als Erster in diese Sphäre vorzudringen. Er hätte nur das Endspiel des C-Turniers erreichen müssen. Doch der Russe patzte gleich in der ersten Runde. Damit bleibt es vorerst dabei: Die Nr. 1 und 2 der Welt sind nur etwas für die Großen Vier.
Von Juli 2005 bis August 2009 standen stets Federer und Nadal oder Nadal und Federer auf 1 und 2
Am 25. Juli 2005 stieg der damals 19-jährige Rafael Nadal nach seinem achten Turniersieg der laufenden Saison, darunter seinem ersten Grand Slam-Sieg bei den French Open, im ATP Ranking erstmals von Position 3 auf 2. Auf 1 stand damals der knapp fünf Jahre ältere Roger Federer. Der zu dem Zeitpunkt fünfmalige Grand Slam-Champion hatte die Position 1 im Februar 2004 übernommen und gab wie viereinhalb Jahre nicht her.
Von nun an, ab Juli 2005, waren diese beiden, Federer und Nadal, für alle anderen nicht einholbar, spielten quasi fast in einer eigenen Liga. Dies sollte über vier Jahre lang so bleiben. Bis zum 18. August war immer Federer auf 1, Nadal auf 2. Dann, nach seinem vierten Sieg bei den French Open, dem ersten in Wimbledon und der olympischen Goldmedaille in Peking, übernahm der Spanier erstmals die Position 1 und Federer war auf 2.
2009 und 2010 stoßen Murray und Djokovic erstmals in diese Sphäre vor
Erst am 17. August 2009 gelang es einem Spieler, die Fedal-Phalanx zu durchbrechen. Nadal verlor erstmals überhaupt in seiner Karriere ein Match bei den French Open, schied mit Knieproblemen im Achtelfinale gegen Robin Soderling aus und konnte wegen seiner Knie in Wimbledon gar nicht antreten, seinen Titel also auch dort nicht verteidigen und brauchte viele Monate, bis er wieder die Form von 2005 bis Mai 2009 erreicht hatte. Doch 2010 sollte er gewaltig zurückkommen und erstmals in seiner Karriere drei Grand Slam-Turniere in Folge gewinnen und die Position 1 zurückerobern.
Aber bleiben wir im Jahr 2009. Es war Andy Murray, dem Nadals Verletzung zugute kam, der damals großartig spielte und diese Chance nutzen konnte. Am 17. August 2009 stieg Murray erstmals auf Position 2. Er konnte die 2 zwar zunächst nur vier Wochen halten, schaffte dieses Kunststück aber ab April 2013 wieder, dann auch länger, und 2015 erneut. Im November 2016 wurde er dann sogar bis August 2017 die Nr. 1.
Und es gab zusammen mit Murray einen weiteren Spieler, der in die Liga von Federer und Nadal aufsteigen konnte: Novak Djokovic. Der Serbe, nur eine Woche jünger als Murray, schaffte es am 1. Februar 2010 erstmals auf 2 in der Weltrangliste zu steigen. Und ab Anfang 2011 zeigte sich, dass er noch stärker war als Murray, ja Djokovic wurde zum überragenden Spieler der Dekade. Am 4. Juli 2011 übernahm er nach seinem zweiten Australian Open-Sieg und seinem ersten Wimbledon-Triumph mit einem Sieg über Nadal im Finale erstmals die Position 1 im Ranking. Am kommenden Montag, den 8. März 2021, wird er zum 311. Mal auf 1 stehen und damit den Rekord von Roger Federer (310 Wochen) brechen.
Seit Juli 2005 bis März 2021 standen nur die Big-Four auf 1 und 2
Ich möchte hier jedoch auf einen anderen Punkt hinaus: die einmalige Dominanz von diesen drei Spielern, Federer, Nadal und Djokovic und für einige Jahre auch von Andy Murray, der von Anfang 2008 bis Anfang 2017, also immerhin neun Jahre lang, mit den Großen Drei mithalten konnte und aus den Big Three fast eine Dekade die Big Four machte.
Seit 2017 plagten Murray dann immer wieder schwere Hüftprobleme, er musste sich zweimal operieren und eine künstliche Hüfte einsetzen lassen. In Rotterdam spielte er diese Woche zwar gut, schied gestern aber im Achtelfinale gegen Rublev, die Nr. 8 der Welt, aus und wird wohl mit der absoluten Weltspitze nicht mehr mithalten können. Im ATP Ranking steigt Murray von 123 auf 115, kann es, wenn er mal einige Wochen und Monate beschwerdefrei spielen kann, sicherlich noch viel weiter nach vorne bringen, mit den Top-Fünf kann er aber sicher nicht mehr mithalten. Ab 2017 wurden also aus den Großen Vier die Großen Drei.
Bis heute, Anfang März 2021, hat es kein Spieler je wieder geschafft, in die Top-Zwei der Weltrangliste vorzudringen. Seit dem 25. Juli 2005 standen dort immer die vier gleichen Spieler: Federer, Nadal, Murray oder Djokovic, aktuell Djokovic und Nadal.
Thiem war im Oktober dicht dran, nun Medvedev noch näher
Bei den French Open Ende September, Anfang Oktober 2020 hatte der frisch gebackene US Open-Sieger Dominic Thiem (unter Abwesenheit von Federer und Nadal sowie Disqualifikation von Djokovic) die Chance, auf Position 2 vorzurücken. Dazu hätte er allerdings dieses Turnier gewinnen müssen. Der von den US Open noch müde Thiem schied aber in Paris bereits im Viertelfinale gegen den stark aufspielenden Diego Schwartzman aus und verpasste die Position 2 im ATP Ranking.
Seit Ende Februar ist Thiem nun von 3 auf 4 zurückgefallen. Der Russe Daniil Medvedev hat ihn am 22.02.2021 überholt. Medvedev hatte zunächst von Ende Juli bis Mitte Oktober 2019 elf Wochen lang überragend gespielt, sechs Endspiele erreicht, unter anderem das der US Open, drei Turniere gewonnen, darunter die zwei B-Turniere (Masters 1000) von Cincinnati und Shanghai. Dann aber kam eine sehr lange Flaute. Von Mitte Oktober 2019 bis Anfang November 2020 erreichte er bei keinem einzigen Turnier das Finale, wobei natürlich wegen der Pandemie fast 25 Wochen nicht gespielt werden konnte. Gleichwohl trat Medvedev in diesen 55 Wochen bei zwölf Turnieren an und schied immer spätestens im Halbfinale aus.
Dies sollte sich dann aber ab November 2020 schlagartig ändern. Nun legte der schlaksige Russe wieder eine unglaubliche Siegesserie hin, gewann Anfang November zunächst das Hallen-B-Turnier in Paris Bercy, dann Ende November die ATP Finals (B+) mit Siegen über Djokovic in der Gruppenphase, Nadal im Halbfinale und Thiem im Endspiel. Dies ist bis heute sein größter Erfolg überhaupt. Im neuen Jahr setzt Medvedev seinen Lauf fort, gewann mit seinem Partner Andrey Rublev für Russland den ATP Cup (C) und zog direkt anschließend bei den Australian Open in sein zweites Grand Slam-Finale ein.
Dort enttäuschte der hoch Gehandelte und verlor gegen Djokovic glatt und ohne jede Chance mit 5:7, 2:6, 2:6. Dies war nach zwanzig Siegen in Folge seine erste Niederlage. Doch die zweite sollte nun sofort folgen.
Medvedev patzt in Rotterdam und Nadal bleibt vorerst die Nr. 2, die Big-Four damit weiter unangetastet
In Rotterdam (C) hatte Medvedev diese Woche die Chance, als erster Spieler seit Juli 2005 in die Top-Zwei vorzustoßen, in die Sphäre, die seither ausschließlich Federer, Nadal, Murray und Djokovic vorbehalten war und ist. Doch Daniil patzte, verlor gestern gleich sein Erstrundenmatch gegen Dusan Lajovic, die Nr. 27 der Welt. Damit bleibt Nadal vorerst die Nr. 2 und Medvedev die 3.
Der Russe wird es die nächsten Wochen sicherlich schaffen können, Nadal auf 2 abzulösen. Denn der Spanier ist verletzt und fällt wohl noch einige Wochen aus. Anfang Februar sagte Rafa bereits alle seine Matches beim ATP Cup ab, bestritt nicht ein Spiel für Spanien. Bei den Australian Open spielte er wohl mit Schmerzmitteln und sagte dann das C-Turnier in Rotterdam wegen seiner Rückenbeschwerden ab. Auch das am 15. März beginnende C-Turnier in Acapulco, wo er letztes Jahr den Titel holte, wird er nicht spielen und selbst der Start beim B-Turnier in Miami Ende März/Anfang April scheint ungewiss. Insofern wird Nadal seinen Punktekonto die nächsten Wochen nicht um einen einzigen Zähler verbessern können.
Medvedev dagegen hat bereits für das D-Turnier in Marseille nächste Woche gemeldet und für Miami ab dem 22. März. Mit einem Turniersieg in Marseille könnte er Nadal wahrscheinlich bereits überholen. Oder aber mit einem guten Abschneiden in Miami, wo er nur 90 Punkte (Achtelfinale) zu verteidigen hat. Es scheint also im Moment nur eine Frage der Zeit, bis Daniil Medvedev dies gelingen wird.
Noch aber bleibt es dabei: Seit Juli 2005 gibt es nur vier Spieler, die es in die Top-Zwei der Welt schafften: Federer, Nadal, Murray und Djokovic.
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