Von Jürgen Fritz, Do. 11. Mrz 2021, Titelbild: Frontal 21
Seit Jahren ist die AfD immer wieder in illegale Parteispenden-Affären verwickelt. Mehrfach hat die Bundestagverwaltung bereits hohe Strafzahlungen verhängt. Dabei tauchen bestimmte Namen immer wieder auf, so die Schweizer Goal AG und der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der Millionen in Werbekampagnen für die AfD investierte. Doch wo kam dieses Geld her? Steckt ein mysteriöser Milliardär hinter dem Ganzen?
Frauke Petry berichtet über ihren Kontakt zu dem mysteriösen Milliardär im Hintergrund
Ende Oktober 2015 traf sich die damalige Bundesvorsitzende („Bundessprecherin“) der AfD Frauke Petry erstmals mit dem Milliardär Henning Conle. Conle soll ab 2015 gezielt Kontakte zur Parteispitze der AfD aufgebaut haben, offenbar in der Absicht, die Partei mit anonymen Spenden zu unterstützen. Den mysteriösen Milliardär hat die Bundestagsverwaltung bereits offiziell als Hintermann einer illegalen Einzelspende an die AfD-Politikerin Alice Weidel im Jahr 2017 bestätigt.
In den letzten Jahren kamen durch Recherchen verschiedener Medien immer mehr illegale Einzelspenden an AfD-Politiker ans Tageslicht. Dabei tauchte ein Name immer wieder auf: Henning Conle. Sei es als nachweislicher Spender oder aber indirekt über Personen aus seinem Umfeld, die auf wohl falschen Spendenlisten standen. Bislang konnten immer nur Details über verschiedene illegale Spenden aufgedeckt werden. Doch durch die Aussagen der ehemaligen Bundesvorsitzenden Frauke Petry gegenüber CORRECTIV und Frontal 21 ergibt sich jetzt ein größeres Gesamtbild. So werden erstmals seltene Einblicke in das Agieren von und mit anonymen Spendern ermöglicht.
„Bisher haben wir ja verschiedene Arten von Spenden-Affären, die aus verschiedenen Bausteinen bestehen. Jetzt gibt es zunehmend Indizien, dass es sich möglicherweise um eine einzige große Spendenaffäre handelt, hinter der Herr Conle steckt“, sagt die Leiterin des Instituts für Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Sophie Schönberger. Doch der Reihe nach.
Es ist Donnerstag, der 29. Oktober 2015. Frauke Petry wurde einige Monate zuvor als „Bundessprecherin“ (Bundesvorsitzende) der noch jungen AfD wiedergewählt. Bernd Lucke, der prägende Kopf der AfD der ersten zweieinhalb Jahre war abgewählt und aus der Partei hinausgetrieben worden. Seit Juli war Petry das prägende neue Gesicht der Partei. Mit dem Namen des Mannes, der sie an diesem Vormittag zum Flughafen Leipzig bestellt hat, kann sie wenig anfangen. Damit sie ihn erkennt, hat sie sich als Notiz in ihrem Handy eine Beschreibung abgespeichert, die ihre Sekretärin offenbar von Conles Büro erhalten hat: „Herr Conle, dunkle Hornbrille, Lederjacke, kurzer Bart, wenig Haar.“ Conle selbst schreibt ihr am Morgen:
„Werden ca. 11.15 Uhr landen. Gruß, HC“
Henning Conle: Wer ist dieser Mann?
Henning Conle, Jahrgang Februar 1944, inzwischen also 77 Jahre alt, ist ein deutsch-schweizerischer Immobilienunternehmer. Er stammt aus Duisburg. Sein Vater war der Architekt und SPD-Ratsherr Heinrich August „Heinz“ Conle (1915–1988). Zusammen mit seinem Bruder Kurt Conle errichtete Henning ab den 1950er Jahren in Duisburg und Mülheim an der Ruhr 18.000 Sozialwohnungen. Heinz Conle machte sein Vermögen mit sozialem Wohnungsbau. Dann gerieten er und sein Bruder Kurt unter Verdacht, sich mit kriminellen Methoden bereichert zu haben. 1961 standen sie wegen Bestechung und Betrug vor Gericht. 1967, nach dem Tod von Kurt, endete der Prozess mit einem Freispruch für Heinz Conle. Die Vorwürfe konnten nicht bewiesen werden. 1988 starb der Vater von Henning Conle.
Sein Sohn Henning besaß 1998 in Hamburg 2.500 Altbauwohnungen. Damals wurde ihm vorgeworfen, seinen Wohnungsbestand verkommen zu lassen. Bis 2014 erwarben Henning Conle und seine Familie über die Liechtensteiner Gesellschaft Sirosa Liberty Limited für zwei Milliarden Pfund Sterling (ca. 2,3 Milliarden Euro) Immobilien in London. Es wurde spekuliert, dass Conle auf Rechnung russischer Investoren handelte. Vertreter von Sirosa stritten dies jedoch ab.
Henning Conle gilt als einer der reichsten Deutschen. In der Öffentlichkeit ist er aber quasi unsichtbar. Es gibt keine Fotos im Internet von ihm. Man findet keine Interviews. Ins Licht der Öffentlichkeit geriet Conle erst durch die …
AfD-Spendenaffäre
Spätestens seit 2016 war und ist die AfD gleich in mehrere Spendenaffären verwickelt, die wiederholt als illegale Spenden rubriziert und sanktioniert wurden.
I. Die Meuthen-Spende
Im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg Anfang 2016 unterstützte die Schweizer Goal AG Jörg Meuthen mit Anzeigen und Großplakaten im Wert von 90.000 Euro. Wegen dieser illegalen Spende muss die AfD rund 270.000 Euro Strafe zahlen. Wer die Geldgeber der Goal AG sind, ist bislang unbekannt.
II. Die Pretzell-Spende
Im Februar 2016 veranstaltete der damalige EU-Abgeordnete und AfD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen Marcus Pretzell einen Kongress für die EKR-Fraktion im Europaparlament. Die Schweizer Goal AG übernahm einen Großteil der Kosten, nachdem die EKR-Fraktion die Finanzierung verweigert hatte. Die Bundestagverwaltung bewertete die Zahlung als illegale Parteispende und verfügte eine Strafzahlung von 108.000 Euro gegen die AfD. Dagegen klagt die AfD.
III. Die Reil-Spende
Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen Anfang 2017 unterstützte die Schweizer Goal AG den AfD-Kandidaten Guido Reil mit Großplakaten im Wert von rund 44.000 Euro. Wegen illegaler Parteispenden muss die AfD hier rund 130.000 Euro Strafgelder zahlen.
IV. Die Weidel-Spende
Im Bundestagswahlkampf 2017 bekam die Spitzenkandidatin der AfD Baden-Württemberg Alice Weidel 132.000 Euro aus der Schweiz. Dies sollen angeblich von der Schweizer Firma PWS Pharmawholesale gekommen sein. Um Strafgelder zu vermeiden, präsentierte die AfD später Listen mit angeblichen Spendern für Weidel, Reil und Meuthen. Die Spender erwiesen sich jedoch zum Teil als Strohleute, die Geld für ihre Unterschrift als Spender erhalten hatten. Auf allen drei Strohmann-Listen findet sich der Mitarbeiter eines Immobilienunternehmens der Conle-Firmengruppe. Wegen der Weidel-Spende hat die Bundestagsverwaltung eine Strafzahlung von rund 396.000 Euro gegen die AfD verhängt. Auch dagegen klagt die AfD.
Insgesamt fordert die Bundestagsverwaltung von der AfD bislang rund 900.000 Euro Strafe wegen der Annahme illegaler Spenden.
V. Der Spendenverein
In mehreren Landtagswahlkämpfen und zur Bundestagswahl 2017 wurden Großplakate plakatiert und Werbezeitungen in Millionenauflage verteilt, die für die AfD warben und die der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ verantwortete. Auch dieser Verein ist wiederum mit der Schweizer Werbeagentur Goal AG verbunden; die Finanziers der Kampagnen werden aber bis heute verschleiert.
Im Vorstand des Vereins ist ein Notar aus Sonthofen, der in unmittelbarer Nähe zu einem früheren Wohnsitz des Unternehmers Henning Conle im Allgäu lebt. Eine Notarin, die für die Familie Conle Dokumente beurkundet, hat die Kundschaft des pensionierten Notars aus Sonthofen übernommen.
Sollte Milliardär Conle die Aktivitäten des Vereins finanziert haben, könnten der AfD Strafzahlungen von mehreren Millionen Euro drohen, meinen Experten.
Bereits in der Spendenaffäre der AfD-Politikerin Alice Weidel ließen sich Conle verdeckte Zahlungen in Höhe von 132.000 Euro zuordnen. Im Bundestagswahlkampf 2017 war das Geld über Schweizer Firmenkonten an Weidels Kreisverband als persönliche Spende für Weidels Wahlkampf geflossen, wie der Spiegel und Report Mainz im Mai 2020 berichteten. Ein Strafbescheid der Bundestagsverwaltung bestätigt das und beruft sich auf in der Schweiz sichergestellte Kontounterlagen:
„Aus diesen Unterlagen geht nunmehr als tatsächlicher Spender Herr Henning Conle hervor.“
Illegale Parteispende an Jörg Meuthen?
Nach dem ersten Kennenlernen in Leipzig soll es noch mehrere Treffen in der Schweiz zwischen Frauke Petry und Henning Conle gegeben haben. Dies ist zum Teil anhand von Textnachrichten und Kalendereinträgen dokumentiert. Am Montag, den 7. Dezember 2015, gab es Frauke Petry zufolge eine Verabredung in einer von Conles Villen in Küsnacht bei Zürich. An diesem Tag soll Petrys Co-Vorsitzender Jörg Meuthen dabei gewesen sein. In einer SMS, datiert auf den 3. Dezember, die CORRECTIV und Frontal21 angeblich vorliegt, schreibt Meuthen an Petry:
„Montag Zürich klappt bei mir. LG Jörg.“
Sowohl Conle als auch Meuthen sollen sich auf Anfragen zu dem Treffen nicht geäußert haben. „Wenn jemand an eine Partei herantritt, so wie Herr Conle das offensichtlich gemacht hat, und sagt, er möchte spenden, aber nur anonym, dann ist das auf eine illegale Handlung gerichtet“, sagt die Parteienrechts-Expertin Sophie Schönberger: „Parteispenden dürfen nicht anonym erfolgen, wenn sie einen kleinen Betrag von 500 Euro überschreiten, sondern müssen immer mit dem Spendernamen verbunden sein.“
Warum ist dem so? Weil der Gesetzgeber will, dass die Finanzen aller Parteien transparent sind. Geldflüsse sind selbstredend oft mit Macht und Einfluss verknüpft. Wenn natürliche Personen und Unternehmen Geld an Parteien spenden dürfen, lässt sich das nicht ausschließen. Aber es soll für die Wähler zumindest klar ersichtlich sein, wer von welchen Zahlungen profitiert, woher Spendengelder kommen, wer auf wen Einfluss nehmen könnte und wer unter dem Einfluss von wem stehen könnte. Agieren die Spender aber im Verborgenen, so lässt sich dies nicht mehr kontrollieren und damit auch nicht, ob es womöglich zu politischen Gefälligkeiten kommt oder ob zum Beispiel ausländische Kräfte versuchen, in einem anderen Land Einfluss zu nehmen. Im schlimmsten Fall könnten sich Geldgeber Parteien gefügig machen und im Verborgenen über ihre politische Linie bestimmen.
Für die vier oben aufgeführten verdeckten Spenden an die AfD hat die Bundestagsverwaltung bereits Strafzahlungen verhängt. In den Fällen Reil und Meuthen hat die AfD die Zahlungen inzwischen akzeptiert, bei Weidel und Pretzell klagt die AfD noch gegen die Bescheide. Ungeklärt ist noch immer die Herkunft von Millionen Euro, mit denen der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ mit Zeitungen und Großplakaten zur Wahl der AfD aufrief.
Tarnfirmen, Strohleute, Mittelsmänner … Wird hier gezielt versucht, Dinge zu verschleiern?
Wenn es stimmt, was Frauke Petry behauptet, wollte Conle als mutmaßlicher Spender der AfD im Dunkeln bleiben. Auffällig bei den bisherigen Spendenskandalen der AfD ist, dass es hier Strukturen zu geben scheint, die dazu dienen, die Herkunft der Gelder zu verschleiern: Tarnfirmen, Strohleute, Mittelsmänner. Als die ominöse Spende an Weidel Ende 2018 aufflog, legte die AfD eine fingierte Liste mit 14 angeblichen Spenderinnen und Spendern vor – wie sich dann herausstellte: die meisten davon Strohleute. Einer davon, ein Belgier, ist als Manager für eine in Antwerpen registrierte Immobilienfirma tätig, die Henning Conle gemeinsam mit seinem Sohn führte oder noch führt. Das kann natürlich Zufall sein.
Viele der Namen auf der Weidel-Liste tauchen aber auch auf einer Liste mit angeblichen Spendern auf, die den Wahlkampf des AfD-Europaabgeordneten Guido Reil mitfinanziert haben sollen. Und sie tauchen ebenso auf der Liste von Jörg Meuthen auf. Drei AfD-Politiker, drei Listen. Die Namen auf den Listen wiederholen sich. Der belgische Manager aus Conles Firma ist sogar in allen drei Fällen vertreten.
Bei Meuthen und Reil flossen die Spenden über eine ebenfalls in der Schweiz ansässige Werbeagentur namens Goal AG. Die Goal AG hatte wiederum geschäftliche Beziehungen zu dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der mehrere Wahlkämpfe der AfD 2016 und 2017 unterstützend flankierte, Werbeflächen für Plakate mietete, Großplakate drucken ließ und Zeitungen in Millionenauflage verteilte.
Das Volumen dieser Wahlhilfen wird auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. Welche Geldgeber diese substanzielle Unterstützung im Wahlkampf möglich machten, ist bis heute unklar. Die AfD behauptet weiterhin, mit dem Verein und seinen Aktionen nichts zu tun zu haben, während Alice Weidel bei dem Verein als Rednerin auftrat.
Meuthens finanzielle Probleme 2015/2016
„Damals hatte ich das Gefühl, dass mir bei dem Vorgehen oder bei den offensichtlichen Ideen Conles nicht wohl war“, sagt Frauke Petry heute. „Aber für mich war immer klar und das habe ich auch deutlich gemacht: Legale Unterstützung ist in Ordnung, denn das Parteienrecht bietet dafür genug Möglichkeiten. Illegale kamen überhaupt gar nicht in Frage.“ Die illegalen Unterstützungen hätten der Partei schwer geschadet, meint Petry weiter: „Wer persönlich korrupt ist, ist für den Wähler wertlos geworden, weil er selbst politisch manövrierunfähig wird, weil er immer in der Schuld eines Dritten steht, der von außen für den Wähler gar nicht sichtbar ist.“
Wenn die Berichte über die Treffen mit Conle zutreffen, könnte es für den ersten AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen heikel werden. Meuthen brauchte Ende 2015 offenbar Geld für seinen Wahlkampf für die im März 2016 bevorstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg. Dies kann offensichtlich über Chatprotokolle von Textnachrichten nachgewiesen werden, die vorliegen. „Ich kann mich erinnern, dass er irgendwann im Herbst in großer Sorge darüber war, ob er tatsächlich als Spitzenkandidat in Baden-Württemberg würde antreten können, weil ihm dazu die nötigen Finanzen fehlen“, sagt Frauke Petry.
Meuthen selbst möchte sich zu alledem öffentlich nicht äußern. Doch es liegen eine Reihe von Textnachrichten von Meuthen an Petry vor, die seine damalige Finanzlage illustrieren:
Am 11. November 2015:
„Fakt ist, ich brauche Geld für den Wahlkampf“
Und dann einige Stunden später:
„Wann können wir telefonieren?“
Und nochmals am 11. November:
„Wenn ich also kein Geld für meinen Wahlkampf haben werde, werde ich auch keinen aussichtslosen Kampf führen.“
Am 12. November 2015 dann:
„Nachtrag: Ich muss jetzt sehr bald finanzielle Planungssicherheit haben, denn in diesen Tagen laufen die Materialbestellungen für den Wahlkampf an. Die Situation ist so offen also wenig vergnüglich.“
Aber nicht nur Frauke Petry berichtet von den Geldproblemen Meuthens. Auch Ralf Özkara, Ex-Landessprecher der AfD in Baden-Württemberg und zeitweilig Meuthens Büroleiter berichtet, dass Meuthen damals öfter über Geldprobleme sprach.
Plötzlich sind Meuthens Geldprobleme wie weggeblasen
Doch dann plötzlich im Dezember 2015 waren die Geldprobleme plötzlich wie weggeblasen. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung sei Meuthen zu ihm gekommen, sagt Özkara, und habe ihm einen Scheck über 5.000 Euro überreicht. Das war nach dem laut Petry Dezember-Treffen zwischen ihr, Meuthen und Conle in Küsnacht. Und nun war die millionenschwere Kampagne der Goal AG und des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ angelaufen.