CDU-Bundesvorstand votiert für Laschet als Kanzlerkandidat: So verlief die Sitzung

Von Jürgen Fritz, Di. 20. Apr 2020, Titelbild: WELT-Screenshot

Der Machtkampf um die Unions-Kanzlerkandidatur ist beendet. Mehr als sechs Stunden debattierte der CDU-Bundesvorstand am Montagabend bis in die Nacht hinein. Dann kam es zur entscheidenden Abstimmung. 31 der 46 stimmberechtigten Vorstandsmitglieder (67 Prozent) votierten für den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet, sechs enthielten sich, neun (20 Prozent) stimmten für den CSU-Vorsitzenden Markus Söder. So verlief die Sitzung.

Was sich vor der Sitzung ereignete

Ab 18 Uhr tagte gestern Abend der CDU-Bundesvorstand, bestehend aus ca. 50 Personen, um darüber zu debattieren, wer der Kanzlerkandidat der Union werden soll. Armin Laschet wollte noch am Montagabend respektive in dieser Nacht eine Entscheidung erzwingen.

Der CDU-Bundestagsabgeordneter Christian von Stetten sagt vor der Sitzung: „Der CDU-Bundesvorstand wird heute eine weise Entscheidung treffen und die Stimmung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit berücksichtigen. Alles andere wäre politischer Selbstmord.“ Christian von Stetten ist CDU-Abgeordneter aus Schwäbisch Hall/Hohenlohe und gleichzeitig Vorsitzender des Parlamentskreis Mittelstand der Unionsfraktion im Bundestag. Er hatte bereits vor Tagen seine Unterstützung für CSU-Chef Markus Söder erklärt.

Sieben weitere CDU-Politiker aus dem Südwesten hatten sich in einem Brief hinter den bayerischen Regierungschef gestellt. Bayerns Finanzminister Albert Füracker appellierte an die CDU, den Kanzlerkandidaten mit den größten Erfolgsaussichten bei der Bundestagswahl zu nominieren.

Armin Laschet betont, er wolle jeden ermutigen, in der Runde offen seine Meinung zu sagen. Er wird mit den Worten zitiert: „Nur wenn wir offen, ganz transparent sind, haben wir eine Chance, gestärkt in die nächsten Wochen und in den Wahlkampf zu gehen.“ CDU-Chef Armin Laschet behält sich eine Abstimmung über die Kanzlerkandidatur noch am Montagabend im CDU-Bundesvorstand vor. „Ob es heute zu einer Abstimmung des Bundesvorstands kommt, wird der Verlauf der Sitzung zeigen.“

Verlauf der Sitzung

18:10 Uhr: Der CDU-Bundesvorstand beginnt mit der Videokonferenz, bei der erneut über die K-Frage diskutiert werden soll. CSU-Chef Markus Söder hatte zuvor gesagt, er würde seine Entscheidung von einem Votum des CDU-Vorstands abhängig machen.

CDU-Chef Armin Laschet hat bei den Beratungen zur K-Frage angeführt, zuletzt viele Gespräche mit Demoskopen geführt zu haben, berichtet Michael Bröcker, Chefredakteur von Media Pioneer. Demnach verwies Laschet auf die schnelllebige Natur von Umfragen – die Stimmungslage könne sich innerhalb weniger Wochen ändern. Schlechte Umfragewerte, besonders im Vergleich zu CSU-Chef Markus Söder, waren zuletzt immer wieder als Argument gegen eine Kandidatur Laschets angeführt worden.

18:20 Uhr: Armin Laschet bekräftigt zu Beginn der Sitzung zunächst seinen Anspruch auf die Kandidatur: Demnach verwies er darauf, dass er zuletzt viel Zuspruch bekommen habe. „Du musst stehen und darfst nicht abweichen“, habe er häufig gehört. “Ich bin bereit, die Kandidatur für die CDU zu übernehmen.“ Armin Laschet ermuntert alle Teilnehmer, über die Stimmung an der Basis in ihrem Zuständigkeitsbereich zu sprechen.

Im CDU-Bundesvorstand melden sich mehr als 40 Redner an, nachdem CDU-Chef Armin Laschet zur offenen Aussprache aufgefordert hat. Die Äußerungen sind nach Teilnehmerangaben sehr unterschiedlich.

Zunächst meldet sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zu Wort und stärkt Laschet den Rücken: “Sozialausschüsse wünschen sich, dass Armin Kanzlerkandidat wird.” Laschet spricht davon, dass der “Tag der Entscheidung” gekommen sei.

18:35 Uhr: Erste Wortmeldung pro Söder: Hamburgs Landesvorsitzender Christoph Ploß fordert eine Kreisvorsitzenden-Konferenz, um ein besseres Bild über die Stimmung an der Basis zu bekommen.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilmann Kuban, führte an, die JU werde eine Entscheidung für jeden der beiden Kandidaten mittragen (14 der 18 Landesverbände hatten sich für Söder ausgesprochen, drei waren nicht eindeutig und nur der JU-Landesverband NRW hatte sich für Laschet ausgeprochen).

19:05 Uhr: Die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Julia Klöckner verweist auf die Stimmung für CSU-Chef Markus Söder in ihrem Landesverband (34 Kreisvorsitzende in Rheinland-Pfalz sollen mitgeteilt haben, dass die CDU-Mitglieder ihres Kreises für Söder seien, nur 1 Kreisvorsitzender teilte mit, sein Kreis sei für Laschet). Die Landesvorsitzende Klöckner ist aber für Laschet. „Es war nicht knapp. Es war eindeutig”, sagt Julia Klöckner. Sie selbst betont, sie habe sich für Laschet ausgesprochen, aber die Basis sei für Söder.

Die frühere CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer widerspricht, dass die ca. 50 Bundesvorstandsmitglieder nicht die Basis abbilden und betont die Bedeutung der gewählten Gremien. AKK erinnert an den intensiven Streit zwischen CDU und CSU 2018 aufgrund der Flüchtlingskrise: „Damals haben wir gesagt: das darf nie wieder passieren.“ Danach betont sie: „Mit der Wahl zum Parteivorsitzenden verbindet sich auch der Anspruch, Kanzlerkandidat zu werden. Ich erinnere an das gute Ergebnis von Laschet beim Parteitag“. Wenn der Vorstand dieses Votum für Laschet verändern würde oder die Verantwortung in andere Hände gebe, sei dies “schädlich”.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther fordert eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur in der laufenden CDU-Vorstandssitzung. Der Vorstand habe sich vor einer Woche aus guten Gründen für Laschet ausgesprochen. Das müsse gelten. Laschet könne Wahlen gewinnen, auch wenn die Basis aktuell für Söder sei.

19:20 Uhr: Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen, der zu Söder tendiert, spricht sich gegen eine Entscheidung noch an diesem Abend aus. Die Lage sei ernst, die Partei wolle Laschet nicht als Kandidaten.

19:25 Uhr: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff betont, die Ost-CDU habe sich abgestimmt – und es gebe dort eine klare Präferenz für Markus Söder. “Heute Abend kann man keine Entscheidung durchknallen gegen die gesamte deutsche CDU/CSU Basis“. Sonst sei bis Juni kein Wahlkampf möglich. Die Stimmung sei in Ostdeutschland nicht mehr zu drehen.

19:40 Uhr: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht sich dafür aus, „in die Basis zu hören”. Es sei wichtig, „dass wir geschlossen sind und den Kontakt zu unseren Wählern nicht verlieren“. Außer Nordrhein-Westfalen sehe er keinen anderen Landesverband, der Armin Laschet als Kanzlerkandidat wolle. Ein vernichtendes Urteil für Laschet!

Der Berliner CDU-Chef Kai Wegner plädiert dafür, die Entscheidung zu verschieben und ein Votum der Bundestagsfraktion und der Kreisvorsitzenden herbeizuführen.  

19:55 Uhr: Armin Laschet wehrt sich gegen den Versuch, die Entscheidung auf die Fraktion oder Kreisvorsitzendenkonferenz auszulagern. Letzteres hatte zu Beginn der Beratungen der Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß angeregt. Laschet drängt darauf, noch heute eine Entscheidung zu treffen. „Wir sollten heute entscheiden, wie wir es uns am Anfang vorgenommen haben.“ Laschet betont, sein Konkurrent Söder habe den CDU-Vorstand zu einer Entscheidung “ermächtigt”.

Der Thüringer CDU-Landeschef Christian Hirte spricht sich indes für Söder aus. Zugleich sei aber auch auf die CDU in Mecklenburg-Vorpommern hingewiesen worden, wo es ein eindeutiges Votum für Laschet gebe.

20:15 Uhr: Der Fraktionschef der CDU in Brandenburg, Jan Redmann setzt sich daraufhin klar für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten ein: „Ich widerspreche Reiner Haseloff ausdrücklich. Im Osten gibt es ein gemischtes Bild.“ So gebe es im Präsidium der CDU Brandenburg klare Mehrheiten für Laschet. Die Ost-CDU habe sich nicht abgestimmt, wie es Haseloff zuvor behauptet hatte, sagt Redmann. Sein Präsidium sei mehrheitlich für Laschet, die Kreisverbände eher ausgeglichen. Er selbst könne sich noch gut daran erinnern, wie Söder einst gegen Gelder für die Lausitz gewettert habe.

20:30 Uhr: Ein Ende der Sitzung ist noch nicht in Sicht, die Mehrheitsverhältnisse sind ungeklärt. WELT-Autor Robin Alexander schreibt: „Noch haben nicht alle gesprochen. Big Shots halten ihr Pulver noch für Ende der Debatte trocken“.

20:50 Uhr: Die Vorstandsvorsitzende des Städtetags Baden-Württemberg, Gudrun Heute-Bluhm, sagt: „Aus den Reihen der Bürgermeister habe ich eine ganz klare Ansage bekommen: Armin Laschet”. Meinungsäußerungen an der Parteibasis dürfe man nicht mit Wählerwillen verwechseln.

20:55 Uhr: Serap Güler, Staatssekretärin für Integration, spricht sich für Armin Laschet aus. Ihre Begründung: CDU-Kandidaten seien nie Umfragenkönige gewesen.

Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl warnt seine Partei vor einer zu großen Fokussierung auf momentane Umfragewerte. Er zieht als Beispiel Martin Schulz heran. “Erinnert ihr euch noch an Kanzlerkandidat Schulz? Mit 300 Sachen gestartet und dann abgestürzt. Der Genosse Trend ist ein undankbarer. Stehe weiterhin an der Seite von Armin Laschet“.

21:00 Uhr: Monika Grütters, von der Berliner CDU frisch zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt, gibt das Stimmungsbild aus Berlin wie folgt an: Die Berliner CDU sei pro Söder, Vertreter von Kunst, Kultur und Kirche dagegen pro Laschet.

21:15 Uhr: Der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann hat sich nach WELT-Informationen für Armin Laschet als Kanzlerkandidat ausgesprochen. „Er steht für ein klares Wertefundament”, zitiert ihn “The Pioneer”. Eine heutige Abstimmung halte er aber nicht für hilfreich.

Laschet bekommt massive Unterstützung vom baden-württembergischen CDU-Vorsitzenden Thomas Strobl. Stroble berichtet von einem gemischten Bild in Baden-Württemberg. Es gebe Unternehmer, die für Söder seien. Und es gebe Menschen und Familienunternehmer, die ihn beknieten, Laschet zum Kanzlerkandidaten zu machen. Strobl betont, der baden-württembergische CDU-Vorstand unterstütze Laschet. Der CDU-Vorsitzende solle Bundeskanzler werden. Laschet sei kein Spalter, sondern jemand, der Menschen zusammenführe und unterschiedliche politische Meinungen integriere.

21:30 Uhr: Carsten Linnemann, Vorsitzender der Wirtschaftsunion, lobte Armin Laschet, dessen Zusammenarbeit mit der FDP und dessen Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen. Linnemann zu Laschet: „Als gewähltes Bundesvorstandsmitglied stehe ich voll hinter dir.“

22:13 Uhr: Der saarländische CDU-Chef Tobias Hans sagt: „Mit Markus Söder haben wir die besten Chancen. Ich bin dafür, dass wir es nicht abstimmen. Wir brauchen ein digitales Abstimmungsformat, wo die Basis beteiligt wird.“

22:17 Uhr: Anhänger von Markus Söder wollen einen Vorstandsbeschluss noch am diesem Abend verhindern.

22:42 Uhr: Die Geduld von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bröckelt. „Wir müssen den Sack jetzt zumachen“, sagt er – ohne sich selbst auf Laschet oder Söder festzulegen.

23:01 Uhr: Inzwischen wird seit fünf Stunden getagt. Eine Teilnehmerin verspricht sich und sagt, sie sei für „Armin Söder“. Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert – mittlerweile Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung – meldet sich zu Wort und fordert: „Wir sollten die Debatte so schnell wie möglich beenden.“ Für ihn sei es die „spannendeste, längste, ernsteste Sitzung“ gewesen, die er je erlebt habe.

23:20 Uhr: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist dafür, dass der Bundesvorstand noch heute die K-Frage entscheidet. „Morgen sollen die beiden Vorsitzenden vor die Presse treten und eine Entscheidung bekannt geben“, sagt er.

schreibt Robin Alexander auf Twitter: Schäuble hat gewartet und versucht jetzt die Debatte zu entscheiden: Heute über K-Frage abstimmen. Morgen Laschet und Söder gemeinsam Resultat vertreten. Jetzt nur noch ein Redner.“

Die Abstimmung und deren Ergebnis

Gegen 23:30 Uhr hat sich der CDU-Bundesvorstand auf das folgende, weitere Verfahren geeinigt:

  • Zunächst soll geklärt werden, ob eine geheime oder eine offene Abstimmung stattfinden soll.
  • Dann stimmen die Mitglieder ab, ob sie im Anschluss bereits selbst über die K-Frage abstimmen sollen oder nicht.
  • Dann folgt gegebenenfalls das Votum über die Kanzlerkandidatur.

23:40 Uhr: Vor der Abstimmung über die Abstimmung stimmt sich der CDU-Vorstand nun darüber ab, wer eigentlich berechtigt ist, abzustimmen. Hintergrund: Der Vorstand hat gewählte Mitglieder, Mitglieder qua Amt und ständige Gäste. Es wird debattiert, ob auch die Landesvorsitzenden stimmberechtigt sind. 

23:50 Uhr: Die erste Einigung: Nur stimmberechtigte Vorstände werden abstimmen. Landesvorsitzende als „Gäste“ nicht. Die Abstimmung wird außerdem geheim. Wolfgang Schäuble zeigt sich genervt, ruft zweimal “es geht alles schief!” in die Runde.

23:59 Uhr: Nach einer sechsstündigen Debatte über die K-Frage im CDU-Bundesvorstand gibt es technische Probleme mit dem Abstimmungstool. In Kürze soll es aber weitergehen. Für geheime Abstimmung bekommt man eine Mail, die landete wohl bei manchen Teilnehmern im Spam-Ordner. Armin Laschet und Helge Braun fordern kurz vor einer Abstimmung eine Präsenzsitzung am Dienstag. Der Vorschlag wird verworfen. Mike Mohring twitter aus der Sitzung: “Mann kann es sich auch wirklich selbst schwer machen”.

00:17 Uhr: Es geht weiter. Die technischen Probleme sind gelöst. Das Durchhaltevermögen von Laschet wird gelobt.

00:25 Uhr: Der CDU-Bundesvorstand will selbst über den Kanzlerkandidaten abstimmen. Mit 29:14 Stimmen spricht er sich gegen eine Kreisvorsitzendenkonferenz aus.

00:33 Uhr: Mit 31 Stimmen hat sich der CDU-Bundesvorstand für Armin Laschet als Kanzlerkandidat ausgesprochen, sechs enthielten sich, neun Mitglieder stimmten für Söder.

  • Armin Laschet: 31 Stimmen
  • Markus Söder: 9 Stimmen
  • Enthaltungen: 6

Laschet sagte im Anschluss, er rufe nun Markus Söder an. Er dankte abschließend für die offenen und auch kritischen Worte. Er nehme sich nichts davon zu Herzen. “Mit aller Kraft werde ich mich jetzt für diese CDU einsetzen. Gute Nacht!” 

Quellen

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