Warum der Söder-Laschet-Machtkampf gut und wichtig, ja nötig ist

Von Jürgen Fritz, Mo. 19. Apr 2020, Titelbild: WELT-Screenshot

Selten war Politik spannender als die letzten acht Tage. Markus Söder ist etwas immens wichtiges gelungen: das Aufweichen des Filzes in der CDU, die bislang meist als Abnickverein fungierte. Die Umfragewerte der Union sind nach Söders Ansage nicht gefallen, sondern gestiegen. Die Konfliktlinie verläuft nicht zwischen den beiden Schwestern, sondern mitten durch die CDU und dort vor allem zwischen der Parteibasis und den Funktionären.

Selten war Politik spannender als die letzten acht Tage

Was für eine Durchsetzungskraft! Was für eine Entschlossenheit! Was für Nerven! Welch taktisches Geschick und Vorausdenken, gleichsam einem Schachspieler, der den anderen immer ein, zwei Züge voraus ist. Alles Tugenden übrigens, die man sich bei einem Regierungschef wünscht.

Wie Markus Söder die letzten acht Tage (nicht die CDU, die steht, was die 400.000 Mitglieder anbelangt, mehrheitlich hinter Söder, vorher schon klar hinter Merz, sondern) die verfilzte Führung der CDU nahezu im Alleingang geradezu zerlegt, das hat Bestsellerqualitäten. Wobei im Alleingang natürlich nicht ganz stimmt, denn Söder hat die CSU wohl nahezu geschlossen hinter sich, im Gegensatz zu Armin Laschet, der nur einen Teil seiner Partei hinter sich weiß. Insofern kann man wohl sagen: Selten war Politik spannender als die letzten acht TageUnd …

das Abtragen oder zumindest Aufweichen des Filzes in der CDU-Führung ist vielleicht die wichtigste politische Aufgabe, die es in Deutschland derzeit überhaupt gibt

Insofern gleich in mehrfacher Hinsicht: Vielen Dank, Markus Söder, a) für das Wieder-spannend-Machen von Politik, b) für diese wichtige demokratische Korrektur und Weiterentwicklung des ehemaligen Kanzlerwahl- und Abnick-Vereins

Die weitgehend grün-dunkelrot-rot durchsetzten Massenmedien versuchen beständig, ein möglichst negatives Bild der Union zu zeichnen, und stellen nun genau das bei den ehemals basisdemokratischen Grünen als positiv heraus, was sie zuvor über Jahre und Jahrzehnte an der Union kritisiert haben: dass zwei an der Spitze einsam für sich entscheiden, wer es von beiden macht. Die Fakten sind wie so oft ein wenig anders.

Fast 60 Prozent der Deutschen finden es richtig, dass Söder sich bereit erklärt hat, Kanzlerkandidat der Union werden zu wollen

1. Laut der Augsburger Allgemeine finden es 58 Prozent der Deutschen richtig, dass sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende bereit erklärt hat, Kanzlerkandidat der Union werden zu wollen. Über 46 Prozent bewerten Söders Entschluss sogar als „eindeutig richtig“. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Augsburger Allgemeine. Lediglich 30 Prozent der Deutschen halten Söders mögliche Kandidatur für falsch, etwa 12 Prozent seien unentschieden.

Die Umfragewerte der Union sind nach Söders Ansage nicht gefallen, sondern deutlich angestiegen

2. Es stimmt auch nicht, dass dieser Machtkampf um die Kanzlerkandidatur der Union sehr schaden würde. Bisher gibt es dafür zumindest keinerlei Belege. Ganz im Gegenteil, sämtliche repräsentativen Umfragen der letzten Woche zeigen, dass die Zustimmungswerte von CDU/CSU nicht gefallen, sondern sogar deutlich angestiegen sind um fast zwei Punkte (1,7), was ca. 800.000 Wählern entspricht. Ob dies bereits ein Söder-Effekt ist oder einfach als das Würdigen des demokratischen Ringens gedeutet wird, sei dahingestellt. Fakt ist, die Werte der Union sind in den letzten acht Tagen nicht weiter gefallen, sondern gestiegen.

Vorsicht bei allen Berichten und Kommentaren über die Union in den Massenmedien

Generell rate ich dazu, äußerste Vorsicht walten zu lassen bei allen Informationen, mehr noch bei allen direkten und subtilen Kommentierungen der weitgehend neomarxistisch durchsetzten Presse, von TV- und Hörfunk.

Die Leute, die dort arbeiten, sind mit großer Mehrheit völlig von grün-neomarxistischem Zeitgeist geprägt, nicht selten sogar direkte Anhänger der Grünen oder der SED-Nachfolgerin oder der SPD (92,2 Prozent der ARD-Volontäre wählen Grün-Dunkelort-Rot), stehen diesen Parteien zumindest von ihrer Werteprägung her innerlich sehr viel näher. Ihr Blick auf CDU und CSU kommt nahezu durchgehend aus dieser Perspektive. Man stelle sich vor, wie es umgekehrt wäre, wenn die große Mehrheit der Journalisten Unions-nah wäre und diese würden Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr aus ihrer Perspektive über die Grünen, die SED-Nachfolger und die SPD berichten und dies entsprechend kommentieren und die Dinge „ins rechte Licht“ rücken.

Demokratie und Pluralismus leben von unterschiedlichen Perspektiven, von Argument und Gegenargument, Rede und Gegenrede, These und Antithese. Das alles gibt es in den deutschen Massenmedien nur noch rudimentär. Und dass es dies nur noch rudimentär gibt, das hat Gründe. Damit aber bröckelt eines der wichtigsten Fundamente der liberalen Demokratie, einer der wichtigsten Grundpfeiler der pluralistischen Gesellschaft.

ARD-Volontäre

Die Konfliktlinie verläuft nicht zwischen den beiden Schwesterparteien, sondern mitten durch die CDU und dort vor allem zwischen Parteibasis und Spitzenfunktionäre

In den letzten Tagen haben sich immer größere Teile der CDU für Markus Söder ausgesprochen, so insbesondere 14 der 18 Landesverbände der Jungen Union. Nur der eigene Landesverband von Laschet in NRW hat sich für den eigenen Parteivorsitzenden ausgesprochen. Und das zeigt etwas Essentielles: Die Konfliktlinie verläuft nicht zwischen den beiden Parteien, verläuft nicht zwischen der CDU, der großen Schwester mit 400.000 Mitgliedern, und der kleinen Schwester CSU mit 140.000 Parteimitgliedern, nein, sie verläuft mitten durch die CDU. Denn so zerrissen die CDU ist, so geschlossen und klar ist die CSU, die sich heute erneut einstimmig hinter ihren Parteivorsitzenden stellte. Die CSU  steht wie eine Wand hinter Söder. Und aus dieser Wand brach kein einziger Stein heraus.

Wie anders das Bild der CDU. Von den neben Laschet und Söder fünf weiteren Unions-Ministerpräsidenten hatten sich anfangs alle hinter Laschet gestellt. Zumindest hatte letzten Montag im CDU-Präsidium keiner klar gegen Laschet ausgesprochen. Doch dann war im Laufe der Woche zuerst der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, von Laschet abgefallen, wich dem Druck seiner eigenen Basis und stellte sich nun hinter Söder. Auf Haseloff folgte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans, der das Votum der Parteiführung plötzlich nicht mehr als Festlegung auf Laschet verstanden wissen wollte. Und schließlich deutete auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer an, dass er dem Druck aus seinem Landesverband ebenfalls zu Söder überlaufe.

Damit blieben von den CDU-Ministerpräsidenten nur noch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sowie der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther, die klar im Laschet-Lager blieben. Doch selbst Günther gab zu erkennen, dass auch in seinem Landesverband in Schleswig-Holstein die Sehnsucht nach Söder groß sei. Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion schien es eine Mehrheit für Söder zu geben. Zwei Drittel der über 60 Wortmeldungen von insgesamt 245 Abgeordneten hatten sich zugunsten von Söder ausgesprochen, lediglich ein Drittel für Laschet.

Warum dieser Machtkampf immens wichtig war

Dazu möchte ich Eckhard Mackh, Mitglied der CSU, zitieren, der wie kaum ein anderer versteht, was in der CDU tatsächlich abläuft:

„In der CDU haben die Mitglieder etwa soviel zu melden, wie in der KP Chinas. Der Machtkampf zwischen Laschet und Söder ist als solcher bereits deshalb gut, weil er die betonierten Machtstrukturen der CDU zerstört. Bundestagsabgeordnete sagen dem Ober-Filzokraten an der Spitze ins Gesicht, dass er vollständig ungeeignet sei.  Bundestagsabgeordnete schmieden in aller Offenheit Bündnisse zugleich gegen die eigene Bundes- und Landesführung. Verschiedene Landesführungen kämpfen in aller Öffentlichkeit gegeneinander. Beim Wähler kommt das gut an, so lange diese Demokratisierung nicht die Führungsfähigkeit der Union insgesamt infrage stellt – was dann nicht der Fall ist, wenn sich Söder durchsetzt.

2015 bis 2017 hat die Union auf ähnliche Weise von der CSU als der parteibasisnäheren Notfall-Zweitstruktur profitiert, auch wenn es leider niemand Seehofer gedankt hat. Dass Söder dabei ständig betont hat, dass die Unterordnung der CSU unter die Schwesterpartei der Schlüssel zum Erfolg sei, war offenbar zum Glück nicht so ernst gemeint.

An der Zerstörung der gegen die Mitglieder gerichteten Machtstrukturen der CDU kann man sich übrigens völlig unabhängig davon freuen, ob man die politische Richtung gut findet, die Söder derzeit eingeschlagen hat. Die Gefahr, dass Söder, wenn er sich durchsetzt, eine Unterdrückungsstruktur wie Merkel aufbaut, besteht nicht, weil er ja als Parteivorsitzender auf das CSU-Bundesland Bayern beschränkt bleibt. Dass die CDU sich aus eigener Kraft nicht redemokratisieren kann, hat sie vorher in der zweimaligen Wahl von Parteifilzkandidaten gegen die Mitgliedermehrheit bewiesen.“

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