Importstopp für Öl, Gas und Kohle aus Russland: offener Brief von über 100 Prominenten

Von Jürgen Fritz, Fr. 11 Mrz 2022, Titelbild: MDR-Screenshot

„Wie können wir den Menschen in der Ukraine helfen?“, fragen die Verfasser eines offenen Briefes und fahren fort: Wir müssen aufhören, Putins Krieg mit dem Import von Öl, Gas und Kohle zu finanzieren.“ Ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Kulturschaffenden, Wissenschaftlern und Akteuren der Zivilgesellschaft fordert Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner auf: „Schluss mit unserem Geld für Putins Krieg!“

Wir alle finanzieren diesen Krieg

Der Brief ist direkt an den den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den Vizekanzler Robert Habeck (Die Grünen) und den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gerichtet. In diesem heißt es: Die russische Armee führe ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit täglich zunehmendem Terror und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Der Kampf um die Einnahme der großen Städte könne bereits in den nächsten Tagen tausende Menschenleben fordern und zu großflächiger Zerstörung führen. „Wir sind äußerst besorgt und fühlen mit den Menschen in der Ukraine“, so die Verfasser und Unterzeichner des Briefes.

Und diese fahren wie folgt fort: „Was uns sehr bewegt: Wir alle finanzieren diesen Krieg. Täglich zahlen wir als EU-Staaten über 500 Millionen Euro für den Import von Öl, Gas und Kohle an die russische Führung.“ Allein mit dem Verkauf von Öl verdiene Russland 300 Millionen Euro am Tag. Deutschland sei einer der größten Zahler in der EU. Mehr noch: „Diese Petro-Euros schwächen massiv die Wirkung der zu Recht erlassenen Sanktionen gegenüber der russischen Zentralbank.“ Da sie den Kurs des Rubels durch die Sanktionen nicht mehr mit eigenen Devisen stützen könne, stabilisiere sie ihn jetzt „mit unserem Geld“.

Wir stehen vor einer Gewissensfrage

Die Unterzeichner des Briefes machen deutlich, wie unerträglich sie es finden, „diesen Krieg jeden Tag weiter mitzufinanzieren. Wir stehen vor einer Gewissensfrage, die wir mit folgender Forderung beantworten: Erlassen Sie gemeinsam mit den anderen EU-Staaten einen Importstopp für Öl, Gas und Kohle, in Kombination mit einem Programm zur sozialen Abfederung der absehbaren Preissteigerungen. Drehen Sie der russischen Führung den Geldhahn zu!“

Man sei dich durchaus bewusst, dass ein Import-Stopp große Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und unseren Alltag hätte. Einschränkungen, zunächst bei Industrie und später auch Privathaushalten, seien wahrscheinlich. Die Energiepreise könnten weiter steigen. „Doch all dies sollten uns unsere Freiheit, Sicherheit und das Leben der Menschen in der Ukraine wert sein – während wir hier für einen Ausgleich für einkommensschwache Haushalte einstehen.“ Nicht sie dürften die Hauptbürde der Folgen eines Importstopps tragen, sondern diese müsse auf unsere Schultern gerecht verteilt werden.

68 Prozent der Deutschen unterstützen Maßnahmen gegen Russland auch bei Energieengpässen

Die Regierung habe die bisherige Ablehnung solcher Maßnahmen auch mit dem “sozialen Frieden” begründet. Darauf antworten die Unterzeichner wie folgt: „Wir lehnen es ab, Frieden gegeneinander ausgespielt zu sehen. In unserer Gesellschaft gibt es eine weit verbreitete Bereitschaft, angesichts der furchtbaren Nachrichten aus der Ukraine Verantwortung zu übernehmen und die Belastungen zu schultern, die mit einem Importstopp für uns entstehen würden.“

68 Prozent der deutschen Bevölkerung unterstützten nach einer aktuellen Umfrage von Infratest Dimap “Maßnahmen gegen Russland auch dann, wenn es zu Engpässen der Energieversorgung kommt”. Dieser Krieg komme mit gigantischem Leid, und schnelles Handeln habe Kosten. „Einen Teil davon wollen wir sobald wie möglich übernehmen, gerade weil wir sehen, wie schnell die Lage in der Ukraine eskaliert.“

Wahre Freiheit und Sicherheit gibt es nur ohne Abhängigkeit von Autokraten

Der Importstopp für Öl, Gas und Kohle müsse zugleich der Auftakt für eine Politik sein, die uns in einer ganz neuen Kraft und Geschwindigkeit als bisher aus der Energieabhängigkeit von Despoten und Autokraten befreie und konsequent auf Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und eine Verkehrswende setze. Putin zeige uns in diesem Augenblick, dass keine Demokratie wahrlich frei und sicher sein könne, solange ihre Energieversorgung von der Friedfertigkeit eines Autokraten abhänge.

Unterzeichnet wurde der offene Brief „mit besorgten Grüßen“ von mehr als 100 Personen und Organisation, unter anderem von:

  • Barbara Lochbihler, Vizepräsidentin des UN-Ausschusses gegen das Verschwindenlassen (CED), Menschenrechtsexpertin
  • Marina Weisband, Publizistin
  • Luisa Neubauer, Fridays For Future
  • Roda Verheyen, Rechtsanwältin und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht
  • Rezo, Youtuber
  • Katharina Nocun, Netzaktivistin und Autorin
  • Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), ehem. Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags
  • PD Dr. Jörg Herrmann, Direktor, Evangelische Akademie der Nordkirche
  • Claudia Kemfert, Energieökonomin
  • Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand Campact e.V.
  • Carolin Emcke, Publizistin
  • Eckart von Hirschhausen, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen
  • Hannes Jaenicke, Schauspieler
  • Benjamin Fredrich, Katapult
  • Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland e.V.
  • Roland Hipp, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland e.V.
  • Navid Kermani, Schriftsteller
  • Ferda Ataman, Publizistin
  • Carola Rackete, Naturschutzökologin
  • Christian von Hirschhausen, Wirtschaftswissenschaftler
  • Dr. Kira Vinke, Leiterin Klima und Außenpolitik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
  • Elias Perabo, Politologe und Initiator Adopt a Revolution
  • Katja Riemann, Schauspielerin
  • Peter Lohmeyer, Schauspieler
    Carla Reemtsma, Fridays for Future
  • Volker Quaschning, Energiesystemforscher, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
  • Marieluise Beck, Parlamentarische Staatssekretärin a.D., Direktorin Zentrum Liberale Moderne
  • Niklas Höhne, NewClimate Institute, Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität
  • Volker Beck, Tikvah Institut
  • Julia Franck, Schriftstellerin
  • Cordula Stratmann, Komikerin
  • Ralf Fücks, Geschäftsführender Gesellschafter Zentrum Liberale Moderne
  • Carel Mohn, Stellvertretender Vorsitzender Transparency International Deutschland e.V.
  • Karl Schlögel, Historiker
  • Sven Plöger, Meteorologe

und viele weitere.

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