Salzgitter: 15-Jährige ermordet, tatverdächtig: ein 14- und ein 13-Jähriger

Von Jürgen Fritz, Mi. 22. Jun 2022, Update, Titelbild: ndr-Screenshot

Seit Sonntag wurde eine 15-Jährige aus Salzgitter vermisst. Dienstagmittag wurde dann eine Leiche gefunden. Dabei handelt es sich um die Vermisste. Das Mädchen wurde vermutlich ermordet. Zwei Tatverdächtige konnte die Polizei festnehmen, einen 14- und einen 13-Jährigen. Letzterer kann wegen Strafunmündigkeit allerdings weder inhaftiert noch angeklagt werden.

Das in Salzgitter vermisste 15-jährige Mädchen wurde tot aufgefunden, es kam gewaltsam zu Tode

Am Sonntagabend wurde Anastasia als vermisst gemeldet. Die 15-Jährige mit russischen Wurzeln wurde wie folgt beschrieben: schlank, rötliche Haare, zuletzt bekleidet mit einem weißen T-Shirt, einer Jeanshose und Turnschuhen. Die Polizei führte am Montag und Dienstag Durchsuchungsmaßnahmen im niedersächsischen Salzgitter durch. Im Fokus der Durchsuchung stand eine bewaldete Grünfläche im Hans-Böckler-Ring. Bei den Suchmaßnahmen setzte die Polizei auch Spürhunde und Drohnen ein. Rund 50 Kräfte waren im Einsatz.

Im Verlaufe dieser Durchsuchung konnte die Polizei dann am Dienstag gegen 12 Uhr im Unterholz der  Grünanlage die Leiche eines Mädchens auffinden, nachdem eine Drohne sie aufgespürt hatte. Ob der Fundort auch der Tatort ist, ist noch unklar. Man vermutet aber, dass das Mädchen bereits am Sonntag getötet wurde.

Schließlich wurde vorbehaltlich abschließender Untersuchungen klar, dass es sich bei der weiblichen Leiche wohl tatsächlich um das seit Sonntag vermisste 15-jährige Mädchen handelt. Aufgrund der Gesamtumstände war schnell klar, dass von einem Tötungsdelikt auszugehen war. Der Teenager kam durch Gewalteinwirkung zu Tode. Das Mädchen sei erstickt, wurde im Laufe des Mittwochs bekannt. Eine für heute, Mittwoch, geplante Obduktion soll weitere Auskunft über die genaue Todesursache geben. Das Ergebnis der Obduktion soll dann am Donnerstag vorliegen.

Anastasia

Privatbild von Anastasia

Zwei Tatverdächtige: ein 14- und ein 13-jähriger Junge

Sehr schnell konnten die Ermittler dann zwei dringend Tatverdächtige ausfindig machen: ein 14-jähriger und ein 13-jähriger Deutscher aus Salzgitter. Sowohl die 15-jährige getötete Anastasia als auch die beiden Tatverdächtigen haben laut Staatsanwaltschaft Braunschweig einen russischen Migrationshintergrund.

Für den 14-Jährigen wurde beim Amtsgericht Braunschweig ein Haftbefehl wegen Mordes beantragt. Bei dem 13-Jährigen ist dies jedoch nicht möglich. Da er noch unter 14 Jahre alt ist, gilt er in Deutschland strafrechtlich nicht als Jugendlicher, sondern noch als Kind und damit strafunmündig. Eine Inhaftierung und auch eine Anklage wegen eines Gewaltverbrechens ist daher nicht möglich, nicht einmal bei einem Mord. Das Jugendamt Salzgitter wurde aber vom Tatverdacht in Kenntnis gesetzt. Welche Maßnahmen von dort getroffen worden sind bzw. getroffen werden, ist bislang nicht bekannt.

Hinweise auf Mord aus niedrigen Beweggründen

Das Motiv für die Tat ist noch nicht endgültig geklärt, liegt nach derzeitigen Erkenntnissen aber im persönlichen Bereich. „Es ist so, dass Täter und Opfer miteinander bekannt waren. Sie stammen aus dem selben Stadtteil, gingen auf die selbe Schule, soweit wir wissen“, sagt Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, im RTL-Interview.

Es zeichne sich ab, dass es sich um einen Mord aus niedrigen Beweggründen gehandelt haben könnte, sagte Behördensprecher Wolters weiter. Offenbar habe sich eine Feindschaft der Täter gegenüber dem Mädchen entwickelt. Hinweise auf eine Sexualstraftat gebe es derzeit nicht. Niedrige Beweggründe sind solche, die sittlich auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose und triebhafte Eigensucht bestimmt sind und deshalb besonders verwerflich und verachtenswert sind.

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ndr-Screenshot

Mit welcher Strafe müsste der 14-Jährige rechnen, so er das Mädchen tatsächlich ermordete und ihm dies nachgewiesen werden kann?

Der 14-Jährige kann, sofern er tatsächlich der Täter sein sollte und ihm die Tat nachgewiesen werden kann, gemäß § 18 Jugendgerichtsgesetz zu maximal zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt werden. Gemäß § 88 Jugendgerichtsgesetz kann die Jugendstrafe ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat. Also selbst wenn der Jugendrichter auf die Maximalstrafe von zehn Jahren entscheiden würde, was wohl recht unwahrscheinlich sein dürfte bei einem 14-Jährigen, dann könnte dieser nach 3 Jahren und vier Monaten bereits wieder auf freien Fuß kommen. Bei einer Strafe von sechs Jahren entsprechend bereits nach zwei Jahren, also mit 16.

Der 13-Jährige kann dagegen, selbst wenn er der Haupttäter gewesen sein sollte und ihm das nachgewiesen werden könnte, strafrechtlich überhaupt nicht belangt werden, weil der deutsche Gesetzgeber generell und ohne Ausnahme davon ausgeht, dass 13-Jährige die Folgen ihrer Handlungen niemals so weit überblicken können, dass ihnen bewusst sein könnte, dass sie anderen schaden und ein Unrecht begehen. Alle Kinder unter 14 Jahre gelten in Deutschland pauschal und ohne Prüfung ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung als schuldunfähig und damit strafunmündig. Sie können in keiner Weise rechtlich belangt werden, egal welche Straftat sie verüben.

Strafmündigkeit in anderen Ländern

In der DDR wurde das Mindestalter der Strafmündigkeit 1952 auf 14 Jahre angehoben, in der Bundesrepublik ein Jahr später 1953. Dies ist in vielen Ländern Europas ähnlich, in einigen liegt die Altersgrenze sogar noch höher. Es gibt aber auch Länder, in denen die Strafmündigkeit deutlich früher beginnt:

  • In Frankreich existiert gar keine Altersgrenze für die Strafmündigkeit. Täter, die jünger als 18 Jahre alt sind, müssen sich vor einem Jugendrichter verantworten. Mit Vollendung des 13. Lebensjahres kann gegen einen Täter eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden.
  • In den Niederlanden liegt die Grenze zur Strafmündigkeit nach Art. 486 der Strafprozessordnung bei 12 Jahren.
  • In Irland liegt die Altersgrenze zur Strafmündigkeit grundsätzlich ebenfalls bei 12 Jahren. Bei Mord, Totschlag, Vergewaltigung oder schwerem sexuellen Missbrauch aber bei 10 Jahren.
  • In Großbritannien gelten Kinder meist ab dem vollendeten 10. Lebensjahr als strafmündig.
  • In den USA unterscheiden sich die Regelungen von Bundesstaat zu Bundesstaat. Je nach Staat liegt die Grenze meist zwischen dem vollendeten 6. und dem vollendeten 12. Lebensjahr. Auf Bundesebene gilt Strafmündigkeit ab 10 Jahre.
  • In der Schweiz unterliegen seit dem 1. Januar 2007 ebenfalls alle Kinder ab dem vollendeten 10. Lebensjahr dem Jugendstrafrecht (Art. 3 Abs. 1 JStG). Zuvor lag die Strafmündigkeitsgrenze bei 7 Jahren.

Quellen

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