Von Jürgen Fritz, Mo. 10. Okt 2022, Titelbild: © JFB
Niedersachsen hat gewählt, das vorläufige amtliche Endergebnis steht fest. Die SPD verliert 3,5 Punkte, ist aber klar die stärkste Kraft mit mehr als 5 Punkten Vorsprung vor der CDU, die 5,5 Punkte verliert. Die Grünen können fast 6 Punkte zulegen, die AfD fast 5. Die FDP aber verliert fast 41 Prozent ihrer Wähler und fliegt aus dem Landtag. „Die Linke“ (SED) fällt unter 3 Prozent.
Die SPD verliert zwar über 200.000 Wähler, ist aber klar die Nr. 1 in Niedersachsen und kann den Vorsprung vor der CDU sogar ausbauen
Der Wählerzuspruch war in Niedersachsen dieses Jahr geringer als vor fünf Jahren. Die Wahlbeteiligung sank von 63,1 auf 60,3 Prozent der Wahlberechtigten, in absoluten Zahlen: von knapp 3,85 Millionen Wählern auf nun knapp 3,66 Millionen. Von diesen knapp 3,66 Millionen Wählern gaben fast ein Prozent (34.315) eine ungültige Stimme ab, so dass sich die Zahl der gültigen Zweitstimmen auf etwas über 3,62 Millionen reduzierte (2017 waren es fast 3,83 Millionen).
Der klare Wahlgewinner ist trotz der 3,5 Punkte Verluste die SPD mit ihrem amtierenden und neuen Ministerpräsidenten Stephan Weil, die mit über 33,4 Prozent mehr als jede dritte gültige Zweitstimme in Niedersachen holt.
Für die CDU sind dagegen knapp 28,1 Prozent ein enttäuschendes Ergebnis. Sie verliert nicht nur 5,5 Punkte und landet damit mehr als 5 Punkte hinter der SPD, sie erzielt sogar ihr schlechtestes Ergebnis in Niedersachsen seit 1955. Der Landesvorsitzende und CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann, der bisher im Kabinett Weil II Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung sowie stellvertretender Ministerpräsident war, hat bereits am Sonntagabend folgerichtig seinen Rückzug vom Landesvorsitz in Niedersachsen angekündigt.
Grüne und AfD legen deutlich zu
Am meisten zulegen konnten bei der Landtagswahl in Niedersachsen Die Grünen. Zwar waren für sie sogar um die 16 Prozent erwartet worden und es wurden „nur“ 14,5 Prozent, aber dies ist das beste Ergebnis, das sie in Niedersachsen bisher erreichen konnten. Fast 6 Punkte konnte Bündnis 90/Die Grünen zulegen.
Der zweite große Gewinner, was die Zuwächse anbelangt, ist die AfD. Diese kann ihr eher mageres Ergebnis von 2017, als sie nur auf 6,2 Prozent der Zweitstimmen kam, deutlich steigern auf jetzt über 10,9 Prozent. Damit kann sie die FDP, die bei der letzten Niedersachsenwahl noch vor ihr lag nicht nur deutlich hinter sich lassen, sie ist jetzt sogar mehr als doppelt so stark wie diese.
Die FDP verliert fast 41 Prozent ihrer Wähler und fliegt aus dem Landtag
Für die Freien Demokraten entwickelte sich der gestrige Sonntagabend zu einem wahren Fiasko. In den 18 Uhr-Prognosen von ARD und ZDF und auch den ersten Hochrechnungen bis 19:22 Uhr lag die FDP noch bei genau 5,0 Prozent, durfte also darauf hoffen, den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. Dann aber gegen 20 Uhr, als immer mehr Auszählungsdaten aus den Wahlbüros eintrafen, fiel sie in den weiteren Hochrechnungen erstmals unter fünf Prozent und dann von Stunde zu Stunde immer tiefer. Am Ende waren es exakt 4,7 Prozent. Damit fliegen die Freien Demokraten erstmals seit 24 Jahren aus dem niedersächsischen Landtag.
Die FDP verlor sage und schreibe fast 41 Prozent ihrer Wähler und ist damit der größte Verlierer dieser Wahl. 2017 konnte sie noch 287.957 Zweitstimmen an sich binden, jetzt waren es nur noch 170.271 (minus 117.686). Dabei verlor die FDP vor allem Wähler an die AfD (um die 40.000). Es ist ganz offensichtlich, dass die Ampelkoalition in Berlin mit SPD und den Grünen der FDP sehr schlecht bekommt. Auch bundesweit haben die Freien Demokraten ca. 40 Prozent ihrer Stimmanteile verloren, fielen in den letzten zwölf Monaten von 11,5 auf ca. 7 Prozent.
„Die Linke“ (SED) verliert über 44 Prozent ihrer Wähler und rutscht deutlich unter drei Prozent
Ganz ähnlich erging es der sogenannten Linkspartei, die bei der letzten Wahl mit 4,6 Prozent der gültigen Zweitstimmen noch relativ knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die mehrfach umbenannte SED verliert nun nochmals über 44 Prozent ihrer Wähler in Niedersachsen. „Die Linke“ fällt jetzt sogar unter 3, auf 2,7 Prozent und droht damit in die politische Bedeutungslosigkeit abzusinken.
Die sonstigen Klein- und Kleinstparteien kommen zusammen auf jetzt 5,6 Prozent und haben damit gegenüber 2017 deutlich zugelegt, als sie gerade bei 2,4 Prozent lagen.
Die Ergebnisse im Überblick
Hier die Ergebnisse nochmals im Überblick gerundet auf eine Stelle nach dem Komma, so dass die Gesamtsumme minimal von 100,0 abweichen kann (in Klammern die Veränderungen gegenüber der Niedersachsenwahl 2017):
- SPD: 33,4 % (–3,5)
- CDU: 28,1 % (–5,5)
- Grüne: 14,5 % (+5,8)
- AfD: 10,9 % (+4,7)
- FDP: 4,7 % (–2,8)
- „Die Linke“: 2,7 % (–1,9)
- Sonstige: 5,6 % (+3,2)

(c) JFB
Regierungsbildung: Nun deutet definitiv alles auf Rot-Grün hin
Die Sitzverteilung im neuen niedersächsischen Landtag wird demnach wahrscheinlich wie folgt aussehen. Sie Anzahl der Sitze erhöht sich von 137 auf 146. Diese 146 Mandate verteilen sich wie folgt auf jetzt nur noch vier Fraktionen:
- SPD: 57
- CDU: 47
- Grüne: 24
- AfD: 18

Wikipedia
Für eine Mehrheit im Landtag sind 74 Mandate notwendig. SPD und Grüne kommen zusammen auf 81 Sitze und haben damit eine klare Mehrheit im niedersächsischen Parlament. Damit dürfte Rot-Grün nichts mehr im Wege stehen, da beide eindeutig zu erkennen gaben, dass dies ihre bevorzugte Koalition wäre. Stephan Weil kann damit, wie schon 2013 bis 2017, wieder mit den Grünen zusammen regieren. Die CDU kann sich nun in der Opposition neu aufstellen und klar positionieren, die AfD wird ab jetzt mit 18 statt 9 Abgeordneten im Landtag vertreten sein. Die FDP aber wird nicht mehr im Parlament zu finden sein und die mehrfach umbenannte SED bleibt weiter draußen, nun sogar ganz weit draußen.
Wie gut war meine Wahl-O-Matrix-Prognose?
Mit meiner Wahl-O-Matrix-Prognose vom Sonntagmorgen hatte ich eine mittlere absolute Abweichung vom tatsächlichen Ergebnis von 0,7 Prozent. Alles unter ein Prozent mittlere Abweichung ist ein sehr gutes Ergebnis für eine Prognose.
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