Ex-BND-Chef zum Ibiza-Video: „Offenkundig wird hier versucht, Wahlen zu manipulieren“

Von Jürgen Fritz, Di. 21. Mai 2019

Ein sogenanntes „Enthüllungsvideo“, das von wem auch immer mit illegalen Methoden erstellt, dann fast zwei Jahre unter Verschluss gehalten und schließlich eine Woche vor der EU-Wahl wie eine Bombe gezielt platzen gelassen wurde, stürzt unser Nachbarland Österreich in eine Regierungskrise, die zuerst den Vizekanzler, dann den Innenminister und in Kürze womöglich auch den Kanzler zum Sturz bringen wird. Doch wer steckt hinter diesem Ibiza-Video, das offensichtlich nach aufwendiger Vorbereitung und gezielter Fallenstellung mit nachrichtendienstlichen Methoden aufgenommen wurde? Und wie ist das zu bewerten, was hier geschieht? Darüber sprach n-tv mit dem ehemaligen Präsidenten des BND August Hanning.

Die FPÖ-Politiker Strache und Gudenus tappen blindlings in eine offensichtlich von langer Hand vorbereitete Falle

Am Freitagabend um 18 Uhr veröffentlichten natürlich ausgerechnet die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel, die beiden lautesten Presseorgane der Linksradikalen in Deutschland, mehrere Artikel und Ausschnitte aus einem Video, das den inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seinen ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Johann Gudenus zeigten im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin. Dieses Treffen fand bereits im Juli 2017 statt und soll mehr als sechs Stunden gedauert haben. Die junge Frau wurde den beiden österreichischen Politikern hierbei als Nichte eines reichen Russen vorgestellt. In Wahrheit handelte es sich aber wohl um eine Schauspielern und bei der ganzen Szenerie um eine von langer Hand vorbereitete Falle, wobei die Finca, wo das Treffen stattfand, überall mit Mikrofonen und versteckten Kameras präpariert war.

Die junge Oligarchin wolle eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren und hätte Interesse bei der österreichischen Kronen Zeitung als Investorin einzusteigen. Die Kronen Zeitung ist die auflagenstärkste österreichische Boulevardtageszeitung, quasi die österreichische Bild, die über eine ungeheure Marktposition in den dortigen Medien verfügt.

Strache stellte ihr laut Video daraufhin Vorteile in Aussicht, falls die Zeitung zugunsten der FPÖ Partei ergreife. Im Juli 2017 befand sich Österreich drei Monate vor der Parlamentswahl. Strache schlug vor, für lukrative Aufträge zu sorgen, wenn die Frau ein Unternehmen in Österreich gründe. „Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann“, sagte er mit Blick auf den österreichischen Baukonzern, dessen langjähriger Vorstandsvorsitzender Hans Peter Haselsteiner zu seinen Intimfeinden zählt.

Wer hat die illegalen Aufnahmen gemacht?

Das ist unklar. Ebenso, warum diese Aufnahmen gerade jetzt, fast zwei Jahre nach ihrer Entstehung und genau eine Woche vor der EU-Wahl ans Tageslicht kommen. Die SZ und der Spiegel geben an, das Video sei ihnen erst vor wenigen Wochen zugespielt worden. Von wem, weigern sie sich anzugeben, und berufen sich auf Quellenschutz. Das Material sei ihnen in einem verlassenen Hotel auf USB-Sticks übergeben worden, behauptet die SZ. Das Video hätten sie sodann schnellstmöglich, nach sorgfältiger Überprüfung der Authentizität, publiziert.

Dabei haben aber SZ und Spiegel nur kurze Ausschnitte aus den mehrstündigen Videoaufnahmen veröffentlicht, die sie selbst aussuchten und auch noch ausführlich kommentierten, so dass sich die Zuschauer gar kein eigenes unbefangenes Bild machen können. Dass die kriminellen Ersteller des Videos ausgerechnet diese beiden linksradikalen Blätter ausgesucht haben, um ihnen das Material zukommen zu lassen, dürfte dabei kein Zufall sein.

Und noch ein anderer war offensichtlich schon frühzeitig involviert: der ZDF-Bedienstete Jan Böhmermann, den nicht wenige für einen der schlimmsten linksradikalen Hetzer im Lande halten. Dieser hatte bereits im April detaillierte Andeutungen zum Inhalt des Videos gemacht, also noch bevor Spiegel und SZ es gesehen hatten. Böhmermann machte bereits im April bei der Verleihung des österreichischen TV-Preises Romy in einer Video-Botschaft Andeutungen zu dem Fall und erwähnte dabei sowohl die Kronen-Zeitung als auch Ibiza und eine „russische Oligarchen-Villa“, woraus hervorgeht, dass er schon damals detaillierte Informationen besaß.  Böhmermann kannte das Ibiza-Video also bereits „seit Wochen“, wie sein Management auch zugab. Woher der ZDF-Hetzer die Aufnahmen kannte, wollte dieser aber nicht sagen.

Strache tritt von sämtlichen Ämtern zurück, seine Frau verlässt das gemeinsame Haus

Am Samstagmittag bot HC Strache sofort seinen Rücktritt von allen Ämtern an, gab sowohl sein Regierungsamt und damit seine Vizekanzlerschaft als auch die Führung seiner Partei, der FPÖ, auf.

Wie heute bekannt wurde, könnte diese Affäre sogar seine Ehe zerstören. Seine Frau Philippa soll inzwischen mit den beiden Kindern aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen sein. „Mein Mann muss mit den Konsequenzen leben.“ Seit Oktober 2016 sind die beiden verheiratet, am 1. Januar kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt, nun scheint ihr Vertrauen in diese Ehe ernsthaft erschüttert zu sein. „Ich stehe unter Schock und muss mich und meine Gedanken erst richtig sammeln. Es war alles sehr viel in den letzten Tagen“, erklärte Straches Ehefrau.  

Bei seinem Pressestatement in Wien stellte der 49-Jährige klar, dass er nichts Illegales getan habe. Das Video sei inszeniert, niederträchtig und ein „gezieltes politisches Attentat“, bei dem illegale Überwachungsgeräte gegen ihn eingesetzt wurden. Er kündigte strafrechtliche Ermittlungen an. Mit der Frau in dem Video habe er keine weiteren Kontakte unterhalten und von ihr seien auch keine Spenden an seine Partei geflossen.

Er räumte aber unmissverständlich Fehler ein und entschuldigte sich. Sein Verhalten in dem Video sei dumm und unverantwortlich gewesen. Seine Äußerungen bezeichnete er als „nüchtern gesehen katastrophal und ausgesprochen peinlich“. In einem zunehmend alkoholisierten Zustand habe er „prahlerisch wie ein Teenager“ agiert, gestand er selbstkritisch ein, auch um seine „attraktive Gastgeberin zu beeindrucken“. Wörtlich sprach er von „alkoholbedingtem Machogehabe“. Er bestand jedoch darauf, dass er immer wieder auf Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen bestanden habe!

Hier ist mit nachrichtendienstlichen Mitteln in einer sehr aufwändigen Operation eine Falle gestellt worden

Doch nun stellen sich zwei entscheidende Fragen: 1. Wer steckte hinter diesen illegalen Aufnahmen? 2. Ist es legitim, solche rechtswidrigen Machenschaften zu nutzen, um dem politischen Gegner kurz vor einer großen Wahl zu schaden versuchen? Dazu führte n-tv (Teil der RTL Group) gestern ein Interview mit dem ehemaligen BND-Chef August Hanning. Dieser war von 1998 bis 2005 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und anschließend bis 2009 Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, inbesondere mit den Zuständigkeitsbereichen Polizeiangelegenheiten, Angelegenheiten der Bundespolizei und innere Sicherheit.

Wer hinter dem „Enthüllungsvideo“ stecken würde, fragte der n-tv-Moderator zunächst. „Müssen der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung ihre Quellen aus Ihrer Sicht offenlegen?“

Der ganze Vorgang werfe gravierende Fragen auf, antwortete Hanning. „Hier ist offenbar – entweder von einem Nachrichtendienst oder mit nachrichtendienstlichen Mitteln – in einer sehr aufwändigen Operation eine Falle gestellt worden. Es wurde mit Lockvögeln gearbeitet, man hat Wohnungen verwanzt, das Ganze hatte einen Vorlauf. Also sehr aufwändig, wie wir das eigentlich nur von Nachrichtendiensten kennen oder von Firmen, die sich mit nachrichtendienstlichen Mitteln betätigen und Nachrichtendienstler in ihren Reihen haben.“

Und dann stelle sich natürlich die große Frage: „Warum hat man zwei Jahre damit gewartet? Warum hat man das nicht sofort veröffentlicht? Warum hat man zugelassen die Nationalratswahlen? Die hätte man ja auch beeinflussen können. Und die Regierungsbildung. Und warum veröffentlicht man das eine Woche vor wichtigen Wahlen  in Europa?“ Das werfe Fragen auf, die man beantworten müsse.

„Offenkundig wird hier versucht, Wahlen zu manipulieren“

Ob er denn soweit gehen würde, zu behaupten, Spiegel und Süddeutsche hätten das Datum der Veröffentlichung bewusst gewählt, um einen „Rechtspopulisten“ auffliegen zu lassen, um die rechtsgerichtete Regierung in Österreich in eine Krise zu stürzen, fragte der Journalist.

Er sei nicht sicher, wo die Verantwortung sei, aber dass hier ganz gezielt gewartet wurde von denjenigen, die diese Falle zu verantworten hätten, „um damit aus ihrer Sicht wichtige Wahlen zu beeinflussen, das scheint mir schon klar zu sein.“ Inwieweit jetzt Spiegel und Süddeutsche Zeitung als Werkzeuge dieser Fallensteller agieren? Journalisten müssten gelegentlich damit leben, dass sie als Werkzeuge benutzt werden. „Aber die Frage ist schon wirklich: Wer hat die Falle gestellt? Wer hat das finanziert? Wer hatte die Geduld so lange zu warten?“ Es sei ja nicht trivial, „offenkundig wird hier versucht, Wahlen zu manipulieren.“

Sodann vergleicht Hanning diese rechtswidrigen Methoden der Wahlmanipulation mit den schmutzigen und höchstwahrscheinlich kriminellen Anti-Trump-Kampagnen in den USA: „Wir kennen ja die Situation in den USA, wo auch versucht wurde mit nachrichtendienstlichen Mitteln, über soziale Netzwerke Wahlen zu beeinflussen.“ Und die Beeinflussung von Wahlen sei nicht trivial. „Das ist in unserer parlamentarischen Demokratie ein entscheidender Punkt, auch für unsere demokratische Kultur.“ Deswegen sei schon der Versuch, Wahlen zu beeinflussen, ein Punkt, der uns sehr ernst zu weiteren Nachforschungen veranlassen müsse.

Wir müssen an unsere politische Kultur, an unsere politischen Sitten denken, niemand steht über dem Gesetz, auch nicht Journalisten

Ob denn aber nicht ein öffentliches Interesse daran bestünde, welches hier quasi alle möglichen Rechtsbrüche rechtfertige, um der Bevölkerung zu zeigen, wozu der FPÖ-Politiker möglicherweise in der Lage gewesen wäre, wollte der ntv-ler wissen.

Eine Wohnung mit Mikrofonen und versteckten Kameras zu versehen, sei schon ein gravierender Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht, stellte der Ex-BND-Präsident fest, „und deswegen ist das in Deutschland ja auch strafbar“. Niemand stünde über dem Gesetz, auch keine Journalisten, keine Beamten oder Politiker. Daher müsse man fragen, ob die Interessen, die dahinter stehen, die verbotene Frucht, hier versteckte Videoaufnahmen, die nach deutschem Recht illegal erlangt wurden, rechtfertigten?

Als es um die Frage der Wohnraumüberwachung ging, habe man gesagt, dass selbst gravierende Straftaten keine Wohnraumüberwachung legitimieren. Hier aber (im Kampf gegen den politischen Gegner, im „Kampf gegen rechts“, JFB) „gelten offenbar andere Maßstäbe. Ich glaube“, so Hanning abschließend, „wir müssen auch ein bisschen an unsere politische Kultur denken. Muss demnächst jeder Politiker, der irgendwo eingeladen wird, damit rechnen, aus welchen Gründen auch immer, mit versteckten Kameras konfrontiert zu werden, dass seine Worte aufgenommen werden, dass sie veröffentlicht werden.“ Wir müssten auch ein bisschen an unsere politische Kultur denken, ermahnte Hanning noch einmal, an die politischen Sitten und da macht der ehemalige Präsident des BND sich schon Sorgen.

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Titelbild: ntv-Screenshot von August Hanning

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