Höckes Dresdener Pegida-Rede vom 17.02.2020

Von Jürgen Fritz, Di. 18. Feb 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

Gestern Abend fand in Dresden die 200. Pegida-Demonstration statt. Das erste Mal seit 2018 war Björn Höcke, einer der beiden thüringischen AfD-Sprecher wieder auf einer Pegida-Veranstaltung aufgetreten und das obschon die AfD seit Jahren versucht, auf Distanz zu gehen zu dieser Organisation, ohne jedoch den offenen Bruch zu wagen. Seit 2016 gilt der Beschluss, dass AfD-Mitglieder nicht mit Parteisymbolen dort auftreten sollen und Redeauftritte von Pegida-Vertretern sowie Pegida-Symbole auf AfD-Veranstaltungen sogar strikt abgelehnt werden. Verboten sind Reden von Parteimitgliedern allerdings nicht, so sie dort quasi als Privatperson auftreten, wenngleich sie vom AfD-Konvent eigentlich nicht gerne gesehen werden. Doch daran hält sich Höcke nicht mehr.

Björn Höcke meets Lutz Bachmann

Dass Höcke und sein Flügel den AfD-Beschluss, eine gewisse Distanz zu Pegida einzuhalten, immer mehr aufweichen möchten, wurde gestern Abend überdeutlich. Ausdrücklich betonte der thüringische AfD-Landessprecher, dass er von seinem Kreisverband mit einem ganz Bus begleitet worden sei. Und auch den Brandenburger AfD-Vorsitzenden Andreas Kalbitz begrüßte er persönlich, der neben Höcke als Kopf des völkisch-nationalistisch-sozialpopulisitschen Flügels gilt und der seit dem 01.12.2019 sogar zum Bundesvorstand der AfD gehört.

Die Organisation Pegida, Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, entstand im Oktober 2014. Gegründet wurde sie von Lutz Bachmann, der bis heute Kopf und Gesicht der Gruppe darstellt. Nähere Informationen, wer dieser Mann ist, siehe weiter unten. Höcke hatte im Vorfeld wohl darauf bestanden, dass Bachmann während Höckes Auftritt nicht auf der Bühne sein dürfe. Es sollte auf keinen Fall, so wie noch 2018 gemeinsame Fotos von ihm und Bachmann geben.

Höcke: Eine sich „moralisch höherstehenden Minderheit“ hebelt das „Prinzip der Demokratie“ aus

Begleitet wurde Höckes Auftritt von lautstarken Protesten von etwa zweitausend Gegendemonstranten. Ein massives Polizeiaufgebot war notwendig, um Zusammenstöße zu verhindern. In seiner Rede attackierte Höcke das „polit-mediale Establishment“, welches „Deutschland zerstöre“. Die „Konsensdemokraten“ der etablierten Parteien würden unter Führung der Bundeskanzlerin Merkel eine nationale Einheitsfront bilden, um Demokratie und Menschenwürde zu beschädigen.

Interessant auch, dass er davon sprach Thomas Kemmerich (FDP), der am 05.02.2020 mit den Stimmen der AfD zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, hätte sich von ihm, Höcke, distanziert. Er sagte nicht, Kemmerich habe sich von der AfD distanziert, sondern von ihm. Eine sich „moralisch höherstehenden Minderheit“ würde „das Mehrheitsprinzip, das Prinzip der Volkssouveränität, das Prinzip der Demokratie“ aushebeln.

Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen Nötigung von Verfassungsorganen

Im weiteren Verlauf seiner 40-minütigen Rede bezeichnete er die Bundesrepublik als „Irrenhaus“. Einzelne Statements, die die Wahl Kemmerichs scharf und mit in der Tat teilweise absurden Vergleichen kritisiert hatten, nannte Höcke „hemmungslos, irre, völlig verrückt und eine Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus“. In der Führungsklasse Deutschlands sei ein Krankheitsbild weit verbreitet: das „Nazi-Tourette“, eine „geistige Störung“. Das Land stehe Kopf. „Wir müssen es wieder auf die Füße stellen, wir müssen das Unterste wieder nach unten wenden, wo es hingehört.“ Immer wieder wurde seine Rede unterbrochen unter dem Jubel und „Volksverräter“-Rufen der Menge.

In Merkels Äußerung, das Ergebnis der Thüringenwahl müsse „rückgängig“ gemacht werden, erblickte Höcke einen „Putsch“. Sein Landesverband habe daher Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen Nötigung von Verfassungsorganen erstattet, verkündete der Flügel-Politiker. 

Nein, Höcke rief nicht „zum Umsturz auf“ 

Die Berliner Zeitung berichtete in einem wenig seriösen Artikel: „der AfD-Politiker rief praktisch unverhohlen zum Umsturz in der Bundesrepublik auf“. Man kann und soll die AfD, ganz besonders den Flügel und Höcke kritisieren, aber man sollte dabei fair bleiben und nicht dem anderen die Worte und den Sinn des Gesagten verdrehen. Mit seriösem Journalismus hat das daher wenig zu tun, was die Berliner Zeitung hier fabrizierte – und das ist leider kein Einzelfall den M-Medien. Wörtlich sagte Höcke folgendes, woraus der Sinn der angestrebten „Ablösung“ sich klar ergibt:

„In Deutschland sind wirklich alle Maßstäbe verrückt. Dieses Land steht Kopf. Das Unterste ist nach oben gewendet. Wir müssen dieses Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir müssen das Unterste wieder nach unten wenden, wo es hingehört. Es ist so, wie das Henryk M. Broder einmal diagnostiziert hat. Deutschland ist ein Irrenhaus. Und wenn man ein Dach darüber ziehen könnte, dann wäre es eine geschlossene Anstalt.“

Und dann etwas später:

„Weil wir Deutschen schlecht regiert werden. Weil hier in diesem Land gegen die Interessen unseres Volkes Politik gemacht wird von den Herrschenden. Weil wir und unsere Kinder und Enkel um unsere Zukunft gebracht werden. Deswegen ist die Herrschaft der verbrauchten Parteien eine Ochlokratie. Eine Herrschaft der Schlechten. Eine Herrschaft des Schlechten, die abgelöst werden muss, und die wir ablösen werden.“

Was Höcke hier kritisiert – und das ist nicht nur sein gutes Recht als Politiker der Opposition, sondern sogar seine Pflicht -, ist die aus seiner Sicht schlechte Politik der Regierung, die er natürlich ablösen möchte. Was soll er denn sonst wollen als Oppositionspolitiker?

Höckes Pegida-Rede in Dresden vom 17.02.2020 in Bild und Ton

Hier die vollständige Rede von Björn Höcke:

Lutz Bachmann: x-fach wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel vorbestraft

Lutz Bachmann ist der Vorsitzende von Pegida e. V. Er gilt als Initiator, Organisator und das „Gesicht“ von Pegida. Regelmäßig tritt er bei den Demonstrationen als Redner auf. Im Rahmen der Gründungsversammlung des Vereins zur Pegida-Bewegung wurde er am 14. November 2014 zum Vorsitzenden gewählt. Seine Frau ist ebenfalls im Verein aktiv und trat als Rednerin bei Pegida auf.

Er wurde 1973 als Sohn einer aus Coswig (Sachsen) stammenden Fleischerfamilie in Dresden geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Koch und arbeitete aushilfsweise am Bratwurststand seines Vaters. Später arbeitete er in der Angels Tabledance Nachtbar Leipzig und in einem Handygeschäft.

Seit den 1990er Jahren beging Lutz Bachmann X-fach Straftaten, unter anderem Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl und Drogenhandel. Laut Zeitungsberichten verübte er „Auftragseinbrüche“ für das Dresdner Rotlichtmilieu.

1998, mit Mitte zwanzig, wurde er vom Landgericht Dresden wegen 16-fachen Einbruchs mit Diebstahl zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Kurz nach der Verurteilung entzog er sich durch Flucht nach Südafrika dem Strafvollzug und lebte dort zwei Jahre lang unter falschem Namen. Nachdem der dort wegen seines ungültigen Visums identifiziert worden war, wurde er nach Deutschland abgeschoben. Hier wurde er dann inhaftiert und nach 14-monatiger Haft in der JVA Dresden vorzeitig auf Bewährung entlassen.

Im Februar 2010 wurde er dann vom Landgericht Dresden wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Kokain) in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

Weitere Verurteileungen wegen Unterhaltspflichtverletzung und Volksverhetzung

Im Januar 2014 wurde Bachmann als einer von 500 Helfern mit dem sächsischen Fluthelferorden ausgezeichnet, nachdem er während der Flut 2013 mit mehreren Facebook-Gruppen das Fluthilfezentrum organisiert und Hilfsgüter sowie Spenden gesammelt hatte.

Doch im Mai 2014 wurde er schon wieder strafrechtlich verurteilt, dieses Mal zu einer Geldstrafe, weil er ein Dreivierteljahr keinen Unterhalt für seinen Sohn gezahlt hatte.

Im Januar 2015 trat Bachmann von seinem Pegida-Vorstandsamt zurück, nachdem die Staatsanwaltschaft Dresden Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen ihn aufgenommen hatte. Der Grund: In Facebook-Postings vom September 2014 hatte er Asylbewerber als „Viehzeug“, „Dreckspack“ und „Gelumpe“ bezeichnet und stritt die Existenz von Kriegsflüchtlingen ab. Außerdem hatte er eine Fotografie eines Anhängers des rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) gepostet und diese wie folgt  überschrieben:

„Three K’s a day keeps the minorities away“ („Drei K’s am Tag hält die Minderheiten fern“)

und dann wie folgt kommentiert:

„Hätte in Großenhain evtl auch funktioniert… so habense jetzt ein Asylantenhotel“.

Im Mai 2016 wurde er vom Amtsgericht Dresden rechtskräftig der Volksverhetzung schuldig gesprochen und verurteilt.

In Teneriffa zur unerwünschten Person erklärt, Ermittlungen wegen übler Nachrede und Falschverdächtigung

Imselben Monat, Mai 2016, gab Bachmann dann seinen Wohnsitz in Kesselsdorf bei Dresden auf und zog nach Teneriffa. Doch bereits Ende Oktober verabschiedete der Rat der Insel Teneriffa einen Antrag, in welchem Bachmann zur unerwünschten Person erklärt wurde. Die Erklärung wurde durch alle politische Parteien unterstützt.

Mitte März 2018 erhielt Bachmann einen Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Außerdem nahm das LKA Berlin Ermittlungen gegen Bachmann auf wegen übler Nachredefalscher Verdächtigung und Volksverhetzung. Bachmann hatte unwahre Behauptungen bezüglich des Kriminalfalls Keira G. geäußert. Er postete aufgrund einer zufälligen Namensähnlichkeit auf Facebook das Foto eines unschuldigen jungen Mannes mit Migrationshintergrund und bezichtigte diesen als Täter:

„Nun ist es wohl raus: Die Bestie vom Kaukasus, Edgar H., tschetschenischer Moslem und Ex-Flüchtling“.

Der wirkliche Tatverdächtige – ein ethnischer Deutscher – befand sich zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits in Untersuchungshaft. Die Berliner Polizei warnte im Internet vor falscher Verdächtigung im Fall Keira, der falschbeschuldigte Schüler entfernte aus Angst, bedroht zu werden, sein Profilbild aus Facebook. 

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YouTube-Screenshot

Großbritannien verweigert Einreise und weitere Ermittlungen wegen Volksverhetzung sowie eine Verurteilung wegen Beleidigung

Wenige Tage später wollte Bachmann eine Rede an der Speakers’ Corner in London halten, wurde jedoch bei der Einreise am Flughafen London-Stansted von den britischen Behörden abgewiesen, in Gewahrsam genommen, schließlich in eine Abschiebeeinrichtung gebracht und wenig später zurück nach Deutschland geflogen. Die britischen Behörden begründeten den Abschiebebescheid mit der Sorge um das öffentliche Wohl und Bachmanns Vorstrafen wegen Drogenhandels.

Daraufhin teilte er in einer Videobotschaft mit, dass es sich bei der Rede, die er halten wollte, um die des Chefs der Identitären Bewegung Österreich, Martin Sellner, gehandelt habe. Sellner war wenige Tage zuvor ebenfalls die Einreise verweigert worden. Bachmann verlas die Sellner-Rede anschließend in Dresden auf einer Pegida-Montagsdemonstration.

Im Oktober 2019 nahm der Staatsschutz der Dresdner Kriminalpolizei nach einer Rede auf einer Pegida-Versammlung in Dresden erneut Ermittlungen gegen Bachmann auf. Geprüft wird der Vorwurf der Volksverhetzung sowie der Anstiftung zu einer Straftat. Bachmann hatte Vertreter der Linken, Grünen und Gewerkschaften als „Parasiten“ und „Volksfeinde“ bezeichnet, die man in einen Graben tun und zuschütten müsse. Auf diesen zugeschütteten Graben solle man dann Bäume pflanzen. 

Anfang Februar 2020 wurde Lutz Bachmann für die Beleidigung eines Journalisten im August 2019  vom Amtsgericht Dresden erneut strafrechtlich verurteilt.

Kritik an Höcke aus den eigenen Reihen

Alexander Wolf, der AfD-Fraktionsvorsitzende von Hamburg, wo jetzt am Sonntag Bürgerschaftswahlen („Landtagswahlen“) stattfinden, soll versucht haben, Höcke von der Teilnahme abzuhalten. Wolf hatte die Befürchtung, dass bei Pegida „möglicherweise negative Bilder entstehen könnten, die der AfD angelastet werden“. Er erinnerte auch an den „Trauermarsch“ von Chemnitz 2018, wo die AfD-Politiker Björn Höcke und Andreas Kalbitz zusammen mit Neonazis aufmarschiert waren.

Auch der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen soll Höcke vor einer Teilnahme an der Pegida-Veranstaltung gewarnt haben. Doch auch dies vergeblich.

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