Trump im Senat angeklagt: Faktenlage spricht klar gegen ihn, aber …

Von Jürgen Fritz, Di. 26. Jan 2021, Titelbild: Handelsblatt-YouTube-Screenshot

Am Montagabend Ortszeit war es soweit. Der demokratische Abgeordnete Jamie Raskin schritt vorneweg, hinter ihm in Zweierreihen acht weitere Impeachment-Manager des Repräsentantenhauses. Diese Neun werden die Ankläger sein in dem Prozess vor dem Senat gegen den abgewählten Präsidenten. „Anstachelung zum Aufruhr“ wird ihm zur Last gelegt . Der Ausgang des Prozesses wird sowohl für Trump wie auch für die Republikaner weitreichende Konsequenzen haben.

Erstmals wird gegen einen US-Präsidenten zum zweiten Mal ein Amtsenthebungsverfahren durchgeführt

Die neun demokratischen Ankläger sind, wie alle Angeordneten der demokratischen Partei und wie auch zehn Republikaner im Repräsentantenhaus der Überzeugung, dass der nach nur einer Amtszeit abgewählte Präsident Donald Trump zu dem Aufstand aufgerufen hat. Niemals zuvor wurde ein Präsident zweimal vor dem Senat angeklagt. Und noch nie wurde dem Senat die Anklageschrift gegen einen Präsidenten überbracht, während dieser bereits aus dem Amt geschieden ist. Denn seit dem 20. Januar ist Joe Biden der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Jamie Raskin trat am Montagabend, den 25. Januar, ans Rednerpult des Senats und verlas fünf Minuten lang die vierseitige Anklageschrift. Der frühere Professor für Verfassungsrecht ist der Hauptverfasser der Anklage. Auf Basis seines Entwurfs, den er schon am 6. Januar aufgesetzt haben soll, hat das Repräsentantenhaus am 13. Januar, genau eine Woche nach dem Aufruhr, das Amtsenthebungsverfahren beschlossen. Es ist erst das fünften Impeachementverfahren in der Geschichte der Vereinigten Staaten und es ist das erste Mal, dass es sich gegen einen Präsidenten richtet, gegen den zuvor bereits ein solches Verfahren durchgeführt wurde.

SPIEGEL-TV-Screenshot

Butch Bowers wird Trump wohl verteidigen

Am 9. Februar soll das Verfahren vor dem Senat unter dem Vorsitz von Senator Patrick Leahy aus Vermont beginnen. Dann werden die 100 Senatoren über den ehemaligen Präsidenten richten. Raskin und seine acht weiteren Impeachment-Manager werden die Anklage vertreten. Donald Trump wird wahrscheinlich durch seinen Rechtsanwalt Butch Bowers aus South Carolina verteidigen, nachdem alle bisherigen Anwälte Trumps abgelehnt haben, ihn vor dem Senat der Vereinigten Staaten zu vertreten. Bis auf einen: Sein bisheriger Anwalt Rudy Giuliani.

Guiliani hätte wäre wohl gerne als Trumps Fürsprecher aufgetreten, aber da er selbst in den Aufruhr verstrickt war, kam das kaum in Frage. Denn es war Giuliani, der am 6. Januar mit Trump auf der Bühne vor dem Weißen Haus stand, von wo aus der bereits abgewählte, aber noch im Amt befindliche Präsident Tausende Anhänger aufstachelte, zum Kapitol zu marschieren und die Abgeordneten und Senatoren zu bedrängen und einzuschüchtern, so dass sie sich nicht trauen würden, das Wahlergebnis zu bestätigen. Ja, Giuliani selbst forderte die Trump-Fans sogar auf, die Entscheidung über den Wahlausgang „in der Schlacht zu suchen“ („trial by combat“). Insofern ist Giuliani im Sinne der Anklage ein Komplize der Anstachelung zum Aufruhr und daher als Verteidiger weniger geeignet. Er könnte vielmehr selbst als Zeuge aufgerufen werden.

Die Faktenlage spricht klar gegen Trump

Für eine Verurteilung des ehemaligen Präsidenten sprechen:

  1. Trumps Ankündigungen schon vor der Wahl am 3. November, das Ergebnis nicht zu akzeptieren, wenn er nicht als Sieger aus ihr hervorgeht, und dabei zu suggerieren, teilweise sogar explizit formuliert, dass ein Sieg Bidens nur durch Wahlbetrug zustande kommen könne, sind alle dokumentiert. Sie können nachgelesen, angehört und angeschaut werden. Bereits damit versündigter er sich an der Demokratie, deren Wesen eben genau darin besteht, dass die Regierung abgewählt werden kann.
  2. Nach der Wahl am 3. November versuchte Trump, das Ergebnis in einzelnen Bundesstaaten zu kippen, und er setzte dabei auch Drohungen etwa gegen Wahlaufseher in Georgia ein. Dies alles ist dokumentiert und wird dem Senat vorgelegt. Der Wahlaufseher in Georgia hat zum Beispiel Trumps Einschüchterungsversuch sogar mitgeschnitten. Das heißt, es kann bewiesen werden, dass es Trump war, der einen Wahlbetrug zu initiieren versuchte, womit er sich am Heiligtum der Demokratie gleich ein zweites Mal versündigte.
  3. Dann rief Trump seine zum Teil hoch fanatischen, von ihm über viele Wochen ohnehin schon aufgestachelten Anhänger zu einem „großen Protest“ am 6. Januar in Washington auf, zu dem möglichst viele kommen sollten. Dies verband er auch noch mit dem Versprechen: „Es wird wild“, womit er seine Anhänger noch mehr aufputschte und regelreicht heiß machte.
  4. Dann seine gut dokumentierte Rede selbst am 6. Januar, in der er die Massen ganz konkret und direkt dazu aufrief, zum Kapitol zu marschieren. Er behauptete sogar wahrheitswidrig, er selbst würde mitmarschieren. Und er gab seinen Anhängern noch mit auf den Weg, dass sie sich ihr Land „nicht mit Schwäche“ zurückholen könnten. „Ihr müsst Stärke zeigen und ihr müsst stark sein“, putschte er sich nochmals zusätzlich in die Höhe.
  5. Und schließlich war auch seine erste Video-Botschaft am 6. Januar an die Aufrührer verräterisch (im doppelten Sinne). Noch während des Aufstandes sprach er im Weißen Haus, wo er sich selbst hin zurückgezogen hatte und den Aufruhr vergnügt beobachtete in die Kamera und bezeichnet den randalierenden Mob im Kapitol als „sehr besondere Menschen“. Schon aus dieser Formulierung geht im Grunde hervor, dass er die Riots, bei denen unter anderem ein Polizist und vier Aufständische zu Tode kamen, nicht verurteilte, sondern begrüßte. Und dann setzte er sogar noch hinzu, dass er diese Straftäter alle „liebt“.

Die Republikaner stecken in einer Zwickmühle

Diese Beweislage ist im Grunde sehr erdrückend. Daher sehen die Demokraten offenbar auch wenig Grund, langwierige Zeugenanhörungen durchzuführen. Der Sachverhalt ist eigentlich recht klar. „Diese Beweise liegen auf der Hand. Es sind Trumps eigene Worte. Es ist auf Video“, sagt etwa Senator Richard Blumenthal aus Connecticut. „Meiner Ansicht nach sind die Beweise hier sehr einfach und unkompliziert. Seine Absicht war klar.“

Aber so klar die Beweislage auch sein mag, zu einer Verurteilung kann es nur kommen, wenn zwei Drittel des Senats, der aus 100 Personen besteht, also mindestens 67 Senatoren der nachträglichen Amtsenthebung zustimmen. Selbst wenn alle 50 Demokraten im Senat in ihrem Urteil klar sein sollten, so braucht es also zusätzlich noch 17 der 50 republikanischen Senatoren, damit die Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt. Und das dürfte schwierig werden. Weshalb?

Zwar haben einige republikanische Senatoren angedeutet, dass sie womöglich für eine Verurteilung Trumps votieren könnten, der oberste Republikaner im Senat, Mitch McConnell, hat Trump sogar öffentlich als Provokateur des Aufruhrs bezeichnet, politisch aber stecken die Republikaner in einer Zwickmühle. Verurteilen sie Trump tatsächlich, wofür es rein sachlich sehr gute Gründe gibt, riskieren sie politisch die Spaltung der Partei.

Viele republikanische Politiker haben Angst vor Trumps Rache und Angst, Trumps Anhänger zu verlieren

Denn Trump hat noch immer viele Anhänger, vermutlich 40 bis 50 Prozent der republikanischen Wähler. Laut Katapult (YouGov-Befragung von 1.397 Personen) unterstützen ca. 45 Prozent der republikanischen Wähler die Ausschreitungen von Washington D.C. und etwa 43 Prozent lehnten sie ab. Und diese round about 45 Prozent der eigenen Wähler will man nicht gegen sich aufbringen. Denn diese werden ja bei allen kommenden Wahlen dringend gebraucht, will man die Democrats im Repräsententenhaus, im Senat und im Präsidentenamt wieder ablösen.

Hinzu kommt, dass Trump angeblich schon an der Gründung einer neuen „Patriot Party“ arbeiten soll. Im Moment ist Trump also noch mächtig, hat viel Einfluss auf zig Millionen Wähler, so dass viele fürchten werden, sich mit ihm anzulegen und sich bei ihm unbeliebt zu machen. Trump ist bekannt, dass er sich für solche Dinge gerne rächt.

Sprechen die republikanischen Senatoren ihren eigenen ehemaligen Präsidenten aber frei vom Vorwurf der „Anstachelung zum Aufruhr“, riskieren sie damit, Trumps Position noch zu stärken. Damit machen sie sich aber auf absehbare Zeit von seinen Launen abhängig. Im Grunde wäre es für die republikanische Partei von immenser Wichtigkeit, sich endlich von Trump zu lösen und zwar vollständig. Genau dies könnten sie mit einer Verurteilung erreichen, was übrigens noch andere Vorteile für ihre Partei hätte, dazu gleich mehr. Aber es ist zugleich ein Risiko, dass es die Partei völlig zerreißen könnte und davor haben viele Angst.

Eine Verurteilung hätte für Trump empfindliche Folgen und für die Republikaner den Vorteil, dass sein Einfluss auf die Partei wegfiele

Eine Verurteilung wegen „Aufstachelung zum Aufruhr“ und nachträgliche Amtsenthebung hätte, wozu unbedingt eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat notwendig ist, hätte aber noch einen großen Vorteil: Die Senatoren könnten dann nämlich im nächsten Schritt mit einfacher Mehrheit ihm für alle Zeit verbieten, je wieder ein öffentliches Amt zu begleiten. Damit wäre natürlich vor allem eine erneute Präsidentschafts-Kandidatur von Trump 2024 ausgeschlossen und die Fakeschleuder wäre politisch ein für alle mal erledigt. Dies könnte den einen oder anderen Republikaner verlocken, sich diesen Weg doch zu trauen. Ob es aber 17 von 50 wagen, also mehr als ein Drittel aller republikanischen Senatoren wird als eher unwahrscheinlich eingeschätzt.

Für Trump hätte eine Verurteilung und nachträgliche Amtsenthebung übrigens noch einige weitere sehr schmerzhafte Folgen. Im Falle einer Amtsenthebung würde Trump

  1. auch seine lebenslange Pension verlieren. Das wären derzeit immerhin 219.200 US-Dollar jedes Jahr.
  2. Ferner würde Trump, was Ex-Präsidenten normalerweise zusteht, keine Reisekosten mehr erstattet bekommen. Diese können ansonsten bis zu einer Million US-Dollar pro Jahr eingereicht werden.
  3. Ebenso hätte er keinen Anspruch mehr auf ein ihm unterstelltes Büro samt Personal für etwa 96.000 US-Dollar pro Jahr.
  4. Und Trump hätte kein Anrecht mehr darauf, dass der Secret Service sich um seinen Personenschutz kümmert.
  5. Und schließlich wäre Trump für künftige Regierungsämter gesperrt. Insbesondere eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt 2024 wäre damit für den 74-Jährigen passé, sofern er nicht ohnehin im Gefängnis landen wird, da Trump mit etlichen Strafverfahren auch aus Taten in der Vergangenheit rechnen muss, die nun gegen ihn eingeleitet werden dürften.

„Noch nie hat es einen größeren Verrat eines US-Präsidenten an seinem Amt und seinem Eid auf die Verfassung gegeben“

Eine sehr wichtige republikanische Politikerin hat sich schon vor zwei Wochen gegen Trump positioniert: Liz Cheney, die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney. Sie ist allerdings keine Senatorin, dafür aber die drittwichtigste republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus. Und Liz Cheney fand sehr klare Worte in Richtung Trump: Der Angriff auf das Kapitol habe zu „Verletzung, Tod und Zerstörung am heiligsten Ort unserer Republik geführt“. Und sagte ganz klar, dass sie Donald Trump dafür verantwortlich macht, den „Mob“ zusammengebracht und die „Flamme dieses Angriffs entzündet“ zu haben. „Nichts von alledem wäre ohne den Präsidenten passiert“, sagte die Abgeordnete. „Noch nie hat es einen größeren Verrat eines US-Präsidenten an seinem Amt und seinem Eid auf die Verfassung gegeben.“

Nun bleibt abzuwarten, ob sich im Senat 17 ähnlich mutige Republikaner finden werden. In zwei Wochen wissen wir wahrscheinlich schon mehr.

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