Australian Open: Diese Sieben werden den Turniersieg unter sich ausmachen

Von Jürgen Fritz, So. 07. Feb 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

In der kommenden Nacht geht es los. In Melbourne startet mit den Australian Open das erste Grand Slam-Turnier des Jahres. Mit bis zu 30.000 Zuschauern pro Tag, mehr als 400.000 in zwei Wochen könnte es das größte Sportevent seit Beginn der COVID-19-Pandemie werden. Im Herreneinzel werden wie gewohnt 128 Spieler an der Start gehen. Den Titel aber werden diese Sieben unter sich ausmachen.

A. Absent: Wer wird fehlen beim jüngsten der vier Grand Slam-Turniere?

Die seit 1905 ausgetragenen Australian Open sind das jüngste der vier Grand Slam-Turniere, das lange etwas im Schatten von Wimbledon (seit 1877), den US Open (seit 1881) und der French Open (seit 1891) stand, seit etwa 30 Jahren aber bei den Spielern sehr beliebt ist und seither mit den drei anderen nahezu auf einer Stufe steht. 1969 wurde das Turnier erstmals auch für professionelle Spieler geöffnet und heißt seither Australian OPEN.

Auch dieses Jahr werden wie seit 1988 stets im Herreneinzel 128 Spieler antreten. Auf Grund von Krankheit oder Verletzung fehlen werden allerdings:

  • der 39-jährige sechsfache Australian Open-Champion Roger Federer (5),
  • der starke Chilene Cristian Garín (22),
  • die inzwischen 35-jährigen John Isner (24) und Jo-Wilfried Tsonga (60) sowie der 37-jährige Fernando Verdasco (65),
  • der 20-jährige Youngstar Sebastian Korda (88),
  • der fünffache AO-Finalist und Spieler des Jahres 2016 Andy Murray, der inzwischen nur noch die Nr. 124 der Welt ist, sowie
  • der seit Jahren Dauerverletzte Juan Martín Del Potro, in der Weltrangliste nur noch auf Position 160 geführt.

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B. Das sagen die Buchmacher

Für den Turniersieg bei den Herren kommen meines Erachtens nur sieben Spieler in Frage, die derzeit quasi in einer eigenen Liga spielen. Dies sehen die Buchmacher ganz ähnlich und geben daher folgende Gewinnquoten für 100 Euro Einsatz.

  1. Novak Djokovic: 210 bis 230 Euro (ca. 42 % Gewinnwahrscheinlichkeit)
  2. Daniil Medvedev: 525 bis 550 Euro (17,5 %)
  3. Dominic Thiem: 650 bis 800 Euro (12 %)
  4. Rafael Nadal: 700 bis 800 Euro (12 %)
  5. Stefanos Tsitsipas: 1.500 Euro (6,5 %)
  6. Alexander Zverev: 1.700 bis 1.900 Euro (5 %)
  7. Andrej Rublev: 2.000 bis 2.300 Euro  (4 %)

Für alle anderen Spieler erhält man für 100 Euro Einsatz mindestens 6.100 Euro (unter 1,5 % Gewinnwahrscheinlichkeit) zurück, wenn man auf sie tippt und sie die Australian Open 2021 tatsächlich gewinnen würden. Dies wird aber, so meine Prognose, nicht passieren.

C. ForeCast: Diese Sieben werden den Turniersieg unter sich ausmachen

1. Der achtmalige AO-Champion Novak Djokovic ist sicherlich der absolute Top-Favorit. Der Serbe gewann das Turnier in den letzten zehn Jahren sieben mal und könnte es in der Geschichte des Tennissports seit 1877 als zweiter Spieler schaffen, ein und dasselbe Grand Slam-Turnier insgesamt mehr als achtmal im Einzel zu gewinnen. Dies gelang bislang nur Rafael Nadal bei den French Open, die er sage und schreibe 13 mal für sich entscheiden konnte. Roger Federer siegte zwischen 2003 und 2017 achtmal in Wimbledon, Max Décugis gewann zwischen 1903 und 1914, als meist fast nur Franzosen zugelassen waren, achtmal in Roland Garros und Djokovic bislang achtmal bei den Australian Open. Sein neunter Sieg ist durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich, aber seine Konkurrenz ist dieses Jahr sehr stark.

2. Sein stärkster Konkurrent scheint derzeit Daniil Medvedev zu sein, der in der Nacht von Samstag auf Sonntag zusammen mit Andrey Rublev den ATP Cup für Russland gewann. Medvedev konnte genau wie Rublev, die russische Nr. 2, alle seine vier Einzel für sich entscheiden, schlug dabei drei Top-Ten-Spieler, darunter Alexander Zverev, die Nr. 7 im ATP Ranking, mit 7-5 im dritten Satz und im Finale Berrettini (10) glatt mit 6:4, 6:2. Im Champions Race 2021 ist Medvedev nunmehr die Nr. 1 der Welt mit 490 Punkten (Berrettini auf 2 mit 325 Punkten, Rublev auf 3 mit 320 Punkten). Für Medvedev war es nach seinen beiden Turniersiegen Ende 2020 in Paris-Bercy (B) und bei den ATP Finals (B+) sein dritter Turniersieg in Folge. Er ist jetzt seit Ende Oktober in 14 Matches ungeschlagen. Und der Hartplatz in Australien kommt seinem Spiel entgegen. Daher ist Medvedev sicherlich reif für seinen ersten Grand Slam-Titel.

3. Dominic Thiem ist nach seiner Auftaktniederlage beim ATP Cup am Dienstag gegen Berettini (10) und seiner Niederlage im Showturnier in Adelaide am Freitag zuvor gegen Nadal etwas schwer einzuschätzen. Im Moment ist noch nicht klar, wie gut er in die neue Saison gekommen und wie er gerade in Form ist. Er gehört aber, wie er letztes Jahr durch seine Finalteilnahme bei den Australian Open, seinen Sieg bei den US Open und seinem Einzug ins Endspiel bei den ATP Finals, alles auf Hartplatz, zeigte, inzwischen sicher zu den drei, vier Besten der Welt auf diesem Belag. Wenn er sein Spiel im Verlauf des Turniers findet, dürfte er nach Djokovic und Medvedev zusammen mit Nadal Favorit Nr. 3 sein.

4. Bei Rafael Nadal ist im Moment nicht ganz klar, was mit seinen Rückenproblemen ist, die seinen Start beim ATP Cup diese Woche verhinderten. Der Spanier sagte alle seine Einzel ab und ohne ihn war Spanien im Halbfinale gegen Italien dann chancenlos. Auf Hartplatz ist Nadal sicher nicht so stark wie auf Sand, aber zu den Top-Vier zählt er auch hier. Außerdem weiß Nadal, der 20-fache Grand Slam-Champion, wie man solche A-Turniere über sieben Runden à Best-of-Five über zwei Wochen gewinnt. Daher gehört auch er zurecht zu den vier Top-Favoriten. Findet er ins Turnier und ist schmerzfrei, würde ich ihn ähnlich stark wie Thiem einschätzen.

5. Die Buchmacher sehen Alexander Zverev „nur“ auf Position sechs bei den Favoriten, ich würde ihn jedoch noch vor Tsitsipas auf fünf einstufen. Zverev erreichte letztes Jahr das Halbfinale in Melbourne und das Finale in bei den US Open. Außerdem gewann er – ebenfalls auf Hardcourt – die zwei D-Turniere in Köln. 2018 gewann er bereits die ATP Finals. Er weiß also, a) wie man Turniere gewinnt, auch B-Turniere sowie die ATP Finals, das fünftwichtigste Turnier der Welt. Und er war 2020 endlich auch bei den drei Grand Slam-Turnieren sehr stark (Wimbledon fiel wegen der Pandemie aus). Wenn es für ihn gut läuft, kann er meines Erachtens schon jetzt auch ein Grand Slam-Turnier gewinnen. Spielt er sich in einen Rausch, kann er Djokovic, Thiem und Medvedev auch nacheinander schlagen. Aber das kommt natürlich einer Herkulesaufgabe gleich.

6. Andrey Rublev steht im ATP Ranking „nur“ auf 8 und wird von den Buchmachern auf 7 eingestuft. Sein Manko: Er hat letztes Jahr zwar fünf Einzelturniere gewonnen, mehr als jeder andere, aber dies waren alles D- und C-Turniere (250er und 500er Serie). Rublev hat noch nie ein B-Turnier (1000er) gewonnen und noch nie das Halbfinale eines Grand Slam-Events (A) erreicht. Aber er stand letztes Jahr bei drei A-Turnieren immerhin zweimal im Viertel- und einmal im Achtelfinale. Und dort schied er dann jedes Mal gegen einen Top-7-Spieler aus. Rublev gehört inzwischen auf jeden Fall zu den acht Besten der Welt und er ist, wie er beim ATP Cup demonstrierte, schon jetzt in Top-Form. Daher mein Favorit Nr. 6. Er müsste wahrscheinlich nacheinander Medvedev, Nadal (oder Tsitsipas) und Djokovic (oder Thiem) schlagen.

7. Auch der Grieche Stefanos Tsitsispas gehört inzwischen ganz klar zu den acht Besten der Welt und er ist mit 22 Jahren der Jüngste unter diesen. Tsitsipas hat Ende 2019, als er in überragender Form spielte, die ATP Finals (B+) überraschend gewonnen und hat damit gezeigt, was in dem jungen Griechen an Potential drin steckt. Allerdings hat er ansonsten noch niemals ein B-Turnier gewonnen und noch nie ein Grand Slam-Finale gespielt. Zweimal erreichte er bei A-Turnieren das Halbfinale, 2019 bei den Australian Open und zuletzt im Oktober 2020 bei den French Open. Wenn er sich in einen Lauf spielt, kann auch er sein erstes Grand Slam-Turnier gewinnen. Von diesen sieben Top-Favoriten wird es für ihn nach meiner Einschätzung aber am schwersten. Seine Zeit scheint mir erst noch zu kommen.

D. Draw: Djokovic, Zverev und Thiem in der oberen Hälfte, Medvedev, Rublev, Tsitsipas und Nadal unten

Und so sieht das Tableau in Melbourne dieses Jahr aus. So könnten die Viertelfinale aussehen:

  • Djokovic – Zverev
  • Thiem – Schwartzman oder Shapovalov
  • Rublev – Medvedev
  • Tsitsipas – Nadal

Tableau-VF

Dominic Thiem hat sicherlich das einfachste Los gezogen. Wenn er abruft, was er kann, sollte für ihn auf jeden Fall mindestens das Halbfinale drin sein. Alle anderen können schon im Viertelfinale sehr starke Gegner bekommen. Zverev könnte sich für die knappe Niederlage (7-6, 2-6, 5-7) im ATP Cup diese Woche gegen Djokovic revanchieren, hat aber mit dem Branchenprimus und achtfachen AO-Champion natürlich ein extrem schweres Los erwischt.

Im dritten Quadranten könnten die beiden russischen ATP Cup-Sieger aufeinandertreffen. Das verspräche eine hoch interessante Partie zu werden. Medvedev ist grundsätzlich sicherlich noch etwas stärker als Rublev einzuschätzen, der aber befindet sich offensichtlich in glänzender Form und Medvedev könnte nach drei Turniersiegen in Folge irgendwann mental müde werden.

Auch Tsitsipas gegen Nadal könnte hoch interessant werden, sofern der Rücken des Spaniers inzwischen wieder in Ordnung ist. Der Grieche ist auf jeden Fall sehr gut in die neue Saison gestartet und gewann seine beiden Einzel beim ATP Cup gegen einen Top-15 und einen Top-25-Spieler, beides ohne Satzverlust. Selbst wenn Nadals Rücken wieder ganz genesen sein sollte, wäre das sicherlich kein einfaches Viertelfinale für ihn. Und dann würde ja im Halbfinale einer der beiden Russen auf ihn warten, die beide in blendender Form sind. Sollte er sich gleichwohl durchsetzen können, wären folgende zwei Halbfinales möglich:

  • Djokovic – Thiem
  • Medvedev – Nadal

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