Das vierte große Problem, das auf Deutschland zukommt: Inflation

Von Jürgen Fritz, Do. 16. Dez 2021, Titelbild: Hans-Werner Sinn, YouTube-Screenshot

Die US-Notenbank FED kündigt für 2022 mehrere (!) Zinserhöhungen und das Ende der lockeren Geldpolitik an. Dadurch wird ein Dollar-Euro-Zins-Differenzial entstehen und dieses dürfte dazu führen, dass der Euro gegenüber dem US-Dollar abwertet, so dass die ohnehin schon auf einem 29,5 Jahres-Hoch befindliche Inflation weiter angeheizt wird, da US-Importe hierdurch teurer werden.

Endverbraucherpreise fast auf 30 Jahreshoch, Erzeugerpreise auf 70 Jahreshoch

Zweitens sind die gewerblichen Erzeugerpreise in Deutschland im November gegenüber dem Vorjahr um 17,5 Prozent gestiegen (in Spanien sogar bei 31,8 Prozent). Dies ist die höchste Rate in Deutschland seit 70 Jahren. Höher lag sie seit 1945 nur einmal: 1951. Selbst bei den großen Ölpreisschocks in den 1970er Jahren waren es maximal 14,6 Prozent.

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Steigerungen bei den Erzeugerpreisen zumindest zum Teil auch bei den Endverbraucherpreisen ankommen. Und die Inflation der Endverbraucherpreise stieg im November erstmals seit fast 30 Jahren (29,5) bereits auf über 5 Prozent, auf 5,2 Prozent, um genau zu sein.

Die drohende Lohn-Preis-Spirale, sobald die Inflation richtig Fahrt aufnimmt

Drittens droht außerdem nun eine Lohn-Preis-Spirale. Bei den kommenden Lohnverhandlungen wird man zurecht sagen „Schaut, wir haben bereits über 5 Prozent Preissteigerungen bei den Endprodukten, also müssen auch die Löhne um mindestens 5 bis 6 Prozent steigen.“ Dies wird wiederum zu weiter steigenden Produktpreisen führen, weil die Produktionskosten weiter steigen. Sich selbst nährende Spirale nach oben.

Viertens kommt der steigende Mindestlohn hinzu, den die Ampel bereits angekündigt hat. Dies wird zu einem weiteren Anstieg der Produktionskosten führen, die sich zum Teil wiederum in steigenden Preisen niederschlagen. Außerdem wird durch einen höheren Mindestlohn weiter Druck ausgeübt auf die anderen Löhne, die sich ja vom Mindestlohn absetzen müssen.

Die Erwartungshaltungen bei anlaufender Inflation verstärken den Effekt, so dass sie weiter an Fahrt aufnimmt

Fünftens kommt zu dem Ganzen ein weiterer, ein psychischer beziehungsweise ein Erwartungseffekt hinzu. Wenn die Steigerungen in den Endverbraucherpreisen mal Fahrt aufgenommen haben, dann merken die Personen und Haushalte, auch die Unternehmen das ja schnell. Zudem hören und lesen sie das in den Nachrichten. Also stellt sich eine entsprechende Erwartungshaltung ein. Wenn die Inflation 2021 recht hoch lag und die Prognosen für 2022 ähnlich hoch oder sogar noch höher sind, so denken die Verbraucher: „Dann kaufe ich das, was ich die nächsten ein, zwei, drei Jahre ohnehin kaufen wollte (langzeitige Anschaffungen) lieber gleich, bevor die Preise noch weiter steigen.“ Denn in ein bis zwei Jahren kosten ja viele Dinge dann schon 5 oder 10 Prozent mehr, womöglich sogar noch drastischer. Das aber heißt, die Nachfrage steigt und übersteigt das Angebot, was die Preise weiter steigen lässt.

Dieser Effekt gilt auch umgekehrt. Bei einer Deflation, also fallenden Preisen, warten viele mit Anschaffungen, weil sie denken „wenn ich noch ein paar Monate oder ein, zwei Jahre warte, dann wird die notwendige Anschaffung ja billiger“. Also sinkt die Nachfrage unter das Angebot und die Preise fallen noch weiter, so dass die Leute denken „Ich warte mal lieber noch ein bisschen mit der Anschaffung“.

Sowohl Deflation als auch Inflation wirken also jeweils selbstverstärkend. Daher sollte eigentlich eine weitgehende Preisstabilität von maximal zwei Prozent Inflation pro Jahr angestrebt werden.

Das doppelte Dilemma der EZB: Sie kann weder die Zinsen deutlich anheben noch die Geldmenge drastisch reduzieren

Sechstens müsste die EZB eigentlich auf steigende Inflation mit steigenden Zinsen reagieren und die Geldmenge reduzieren, um dem gegenzusteuern. Zinsen deutlich erhöhen ist aber schwierig wegen der gewaltigen Staatsverschuldungen der EU-Staaten. Bei deutlich höheren Zinsen drohte diesen reihenweise der Staatsbankrott, die Zahlungsunfähigkeit.

Siebtens hat aber die EZB noch ein anderes riesiges Problem: Sie hat in den letzten Jahren indirekt EU-Staaten im Wert von 3,9 Billionen Euro = 3.900 Milliarden Euro = 3.900.000 Millionen Euro (!!!) finanziert. Dies ist ihr eigentlich rechtlich verboten. Direkt zumindest. Deswegen machte sie das durch einen Trick, indem sie schlechte Staatspapiere massenweise aufkaufte und dafür immer mehr und noch mehr Geld druckte, um die schlechten Staatsanleihen der EU-Länder aufzukaufen und diese sowie den Euro vor dem Kollaps zu retten.

„Whatever it takes“, wie der damalige EZB-Präsident Mario Draghi sagte, der damit klar zum Ausdruck brachte: Wir werden ALLES tun, um den Euro und den EU-Raum zu retten. Alles! Auch Dinge, zu denen wir rechtlich nicht legitimiert sind. Jetzt ist Draghi italienischer Ministerpräsident. Italien ist mit über 156 Prozent zum BIP nach Griechenland am höchsten verschuldet von allen EU-Staaten. Mehr als 60 Prozent Schulden sind nicht erlaubt.

Nun stehen die Währungshüter vor einem Dilemma. Eigentlich müssten sie diese schlechten Staatspapiere zurück verkaufen, also loswerden, wieder in den Markt bringen und ihm so Geld zu entziehen, von dem viel zu viel vor allem bei den Banken lagert, das jederzeit in Umlauf gebracht werden kann, so dass die Inflation noch weiter steigen wird. Verkauft die EZB aber die schlechten Staatspapiere, dann steigt das Angebot an diesen, sprich auch die Verschuldung der EU-Staaten bei den Banken und Privathaushalten. Wenn die EU-Staaten dann neue Schulden aufnehmen, weil sie wieder Geld brauchen, so müssen sie dafür noch mehr Zinsen anbieten, damit das für die Anleger interessant wird. Die neuen Anleihen müssen ja dann mit denen konkurrieren, die bereits im Markt sind und nicht mehr bei der EZB im Keller liegen.

Das heißt, die EU-Staaten müssten dann höhere Zinsen anbieten, damit sie neue Kredite bekommen, und damit wird es für die Staaten wiederum teurer und das Bedienen der Schulden und Zinszahlungen noch schwieriger. Einige Staaten könnten ihren Kapitaldienst dann nicht mehr bedienen. Somit kämen auch viele Banken in Überschuldungsnöte, wenn die Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Das Chaos am Finanzmarkt wäre vorprogrammiert und es drohte ein Dominoeffekt. Ein Land und eine Bank würde nach der anderen fallen und die anderen mit hinabreißen, da alle miteinander vernetzt sind.

Wenn zum Beispiel Italien fällt, dann kann das niemand halten. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU, zehnmal so groß wie Griechenland! Und Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU, ist auch schon mit 115 Prozent verschuldet (Stand jeweils 2. Quartal 2021, die aktuellen Zahlen dürften jeweils noch höher sein).

Die geplante Klima- und Energiepolitik wird diese Probleme in Deutschland noch verstärken

Achtens kommen in Deutschland (70 Prozent-Verschuldung) die Teuerungen aus der geplanten grünen Klima- und Energiepolitik hinzu, die enorme Kosten verschlingen werden und vor allem die Energiepreise noch weiter zum Explodieren zu bringen drohen.

So ehrenwert also die Klimapolitik als Ziel sein mag, es stellt sich a) die Frage, wie das alles bezahlt werden soll, b) was das für die Inflation, also die Verbraucherpreise in Deutschland bedeuten wird und c) was das global bewirken wird. Deutschland macht 1,1 Prozent der Erdbevölkerung und 2 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen aus. Selbst wenn wir also unsere Emissionen um ein Viertel (25 Prozent) reduzieren würden, so würde das global gerade mal 0,5 Prozent ausmachen. Damit kann man die globale Erderwärmung nicht stoppen.

Das soll kein Argument sein, nichts zu tun, aber es stellt sich die Frage, wie klug und wie sinnvoll es ist, hier sehr weit voran zu marschieren, wenn uns das zugleich die riesigen Probleme, die wir ohnehin schon haben, noch massiv verstärkt. Wichtiger wäre hier wohl, weltweit koordiniert vorzugehen und da immer mitzumachen, gerne auch als einer der ersten, nicht aber losgelöst von anderen sehr weit von allem und jedem wegzumarschieren.

Ergo: Wir haben neben dem globalen Klimawandel, der Massenmigration und der Pandemie in Deutschland ein viertes großes Problem

Und dieses Problem heißt Inflation. Das Problem bei der Inflation ist: Wenn diese mal anfängt, Geschwindigkeit aufzunehmen, ist sie nur extrem schwer wieder einzufangen, weil dann selbstverstärkende Effekte eintreten.

Hinzu kommt, dass die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik, dem massenweisen Gelddrucken in unvorstellbarer Höhe sich selbst weitgehend handlungsunfähig gemacht hat. Deswegen ist wohl auch Jens Weidmann als Bundesbankpräsident zurückgetreten, der das nicht länger mit verantworten wollte, zumal er auf EU-Ebene immer niedergestimmt wurde, vor allem von Ländern wie Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Frankreich, etc., die ihre Schulden unbedingt sozialisieren, also auf alle verteilen wollen, was Merkel immer ablehnte, zuletzt aber immer mehr einknickte. Die SPD und die Grünen sind dieser Sozialisierung der Schulden viel mehr zugeneigt. Vor Jens Weidmann hatten sich zuvor bereits Bundesbankpräsident Axel Weber im Zuge der Eurorettungspolitik und auch der Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank Jürgen Stark zurückgezogen, weil sie diesen Kurs der EZB in einen Teufelskreis nicht mitmachen wollten.

Die Gefahr einer steigenden Inflation

Hohe Inflationsraten werden dazu führen, dass die Sparer und privaten Haushalte sukzessive enteignet werden, während dies den verschuldeten Staaten hilft, ihre exorbitanten Schulden real zu reduzieren: Wenn das Geld von der Kaufkraft sich irgendwann halbiert haben wird, aber das Gleiche draufsteht, dann haben sich die Schulden real halbiert. Über 5 Prozent Inflation sind auf Dauer natürlich immens. Minimal über 5 Prozent Preissteigerung pro Jahr (knapp 5,1 Prozent) bedeutet eine Verdopplung der Preise in 14 Jahren. Ersparnisse sind dann also nach 14 Jahren nur noch die Hälfte wert. Natürlich würde auch bei dauerhaft 5 Prozent Inflation nicht gleich alles zusammenbrechen. Beginnt die Inflation aber mal weiter Geschwindigkeit aufzunehmen, wird es brenzlig.

Seit Einführung der Deutschen Mark 1948 gab es in Deutschland keine hohen Inflationsraten von mehr als 7,6 Prozent. Über 5 Prozent lag sie nur in in neun von über 70 Jahren. Das heißt, extrem hohe Preissteigerungen sind im kollektiven Gedächtnis inzwischen nicht mehr abgespeichert. Meine Eltern wussten noch, was eine immense Inflation bedeutet, und hatten ein Sensorium dafür. Manche sagen, die Hyperinflation 1923 und dann im Zuge der Weltwirtschaftskrise ab Ende 1929, Anfang 1930 war einer der Hauptfaktoren dafür, dass Hitler im Januar 1933 an die Macht kommen konnte.

Professor Sinn: Wir sitzen in einem Wagen ohne funktionierende Bremsen

Warum ist diese Inflationsgefahr so brenzlig? Weil die EZB durch ihre Politik der letzten Jahre die Zügel quasi aus der Hand gegeben hat. Sie hat keine effektiven Mittel mehr, um eine anlaufende Inflation effektiv zu bremsen. Wenn die Pferde mal anfangen zu beschleunigen und man keine Zügel mehr in der Hand hat, kann man nichts mehr machen.

Oder um das Bild zu wechseln: Wir fahren in einem Wagen, in dem die Bremsschläuche aufgeschnitten wurden. Genau davor warnt auch Prof. Hans-Werner Sinn, der langjährige Präsident des Ifo-Instituts. Und Jens Weidmann wollte in diesem Wagen nicht länger einer der Lenker sein, zumal er immer wieder vor solchen Entwicklungen gewarnt hatte.

Wir sollten aufhören, uns weiter zu verschulden – Wer eine Staatsquote von über 50 Prozent hat, ist dem Kommunismus näher als der Marktwirtschaft

Zur Frage, wie wir aus diesem Schlamassel herauskommen können, meint Hans-Werner Sinn, das sei nun, nachdem wir jahrelang in die Einbahnstraße gefahren sind, sehr schwierig. Aber eines sollten wir auf jeden Fall machen: Aufhören, uns weiter zu verschulden.

Und die Staatsquote nicht weiter ansteigen lassen. Sinn wörtlich: Wir haben eine Staatsquote, die ist inzwischen auf über 50 Prozent gestiegen. Wir waren vor wenigen Jahren noch unter 45 Prozent. Und wir bewegen uns in Richtung Frankreich, welches ja Spitzenreiter ist mit Dänemark mit 55, 56 Prozent. (…) 100 Prozent ist der reine Kommunismus und 0 ist die reine Marktwirtschaft. Wir wollen weder das Eine noch das Andere.“ Es komme auf eine Mischlösung an. „Aber wer über 50 ist, der ist dem Kommunismus näher als der Marktwirtschaft.“

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