Übersterblichkeit in Deutschland von Jan. bis Nov. 2021 bei 50.000

Von Jürgen Fritz, Sa. 18. Dez 2021, Titelbild: FAZ-Screenshot

Laut Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes sind im November 2021 in Deutschland 15.612 Menschen mehr gestorben als im Mittel der Jahre 2017 bis 2020. Von Januar bis November 2021 sind es bereits 50.362 mehr Todesfälle als im Median der letzten Jahre. Und im ersten Jahr der Pandemie, von März 2020 bis Februar 2021, starben fast 71.000 Menschen mehr als in den zwölf Monaten davor.

Die Übersterblichkeit 2021 liegt in Deutschland bereits Ende November bei ca. 50.000

Laut einer Hochrechnung des Statistischen Bundesamtes sind alleine im November 2021 in Deutschland 92.295 Menschen gestorben. Diese Zahl liegt um 15.612 (20 Prozent) über dem mittleren Wert (Median) der Jahre 2017 bis 2020 für den November. Im Vergleich zu den Vorjahren sind von Januar bis November bereits 50.362 Menschen mehr gestorben.

Auf Länderebene lassen sich die Sterbefallzahlen derzeit bis einschließlich der 45. Kalenderwoche (8. bis 14. November) abbilden. In dieser Woche lagen sie in 15 der 16 Bundesländer über dem jeweiligen mittleren Wert der Vorjahre. Am höchsten war die Abweichung in Thüringen (+43 Prozent), Sachsen (+37 Prozent) und Bayern (+30 Prozent). In Bremen lagen die Sterbefallzahlen im Bereich des Vergleichswertes aus den Vorjahren. Das Statistische Bundesamt schreibt dazu:

„Die Befunde zur Übersterblichkeit sind damit in den Bundesländern am deutlichsten, in denen auch das Infektionsgeschehen in den vorangegangenen Wochen am höchsten war.“

Dabei sind diese Daten auf Grund der gesetzlichen Regelungen zur Meldung von Sterbefällen beim Standesamt und Unterschiede im Meldeverhalten der Standesämter an die amtliche Statistik noch nicht vollständig. Bei dem Vergleich zu einem mittleren Wert (Median) der Vorjahre werden die beiden Effekte der steigenden Lebenserwartung (was die Sterblichkeit verringert) und des steigenden Anteils älterer Menschen (was die Sterblichkeit erhöht) noch nicht mit einberechnet.

Für die abschließende Einordnung der Sterblichkeitsentwicklung werden die Sterbefälle noch ins tatsächliche Verhältnis zur Bevölkerung gesetzt, um beispielsweise auch den Alterungsprozess der Bevölkerung einzubeziehen. Die dafür erforderlichen endgültigen Ergebnisse inklusive aller Nachmeldungen liegen turnusgemäß aber erst zur Mitte des jeweiligen Folgejahres, für 2021 also erst Mitte 2022 vor.

In fünf von sechs Todesfällen 2020, bei denen COVID-19 festgestellt worden war, war dies auch die tatsächliche Todesfallursache

Am 9. Dezember Juli 2021 hat das Statistische Bundesamt die Zahlen für 2020 herausgegeben. Demnach starben insgesamt fast 40.000 Menschen (39.758) an COVID-19 als Grundleiden plus 8.102 Menschen mit COVID-19 als Begleiterkrankung.

Zusammen waren das 47.860 Verstorbene im Jahr 2020, bei denen COVID-19 entweder als Grundleiden die Haupttodesursache war (83,1 Prozent) oder als Begleiterkrankung zum Tod beitrug (16,9 Prozent der Fälle).

70 Prozent derjenigen, die an COVID-19 verstorben sind (Haupttodesursache) waren 80 Jahre oder älter, 30 Prozent waren unter 80 Jahre.

Im ersten Jahr der Pandemie sind fast 71.000 Menschen mehr gestorben als in den zwölf Monaten zuvor

Das Statistische Bundesamt in Bezug auf das erste Jahr der Pandemie wörtlich:

„Von März 2020 bis Februar 2021 starben fast 71 000 Menschen mehr als in den zwölf Monaten davor.“

Christoph Unger, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, am 9. Dezember 2021 bei einer Pressekonferenz in Wiesbaden:

„Von März 2020 bis Mitte November 2021 sind in Deutschland mehr Menschen verstorben, als unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung zu erwarten gewesen wäre. Der Anstieg der Sterbefallzahlen ist nicht allein durch die Alterung der Bevölkerung erklärbar, sondern maßgeblich durch die Pandemie beeinflusst.“

Für das gesamte Jahr 2020 verzeichnete Deutschland eine Übersterblichkeit von mindestens 43.000

Eine Übersterblichkeit war bereits 2020 zu erkennen. Die Zahl der Gestorbenen je 1.000 Einwohner ist die sogenannte allgemeine Sterbeziffer, welche Unterschiede in der Altersstruktur nicht berücksichtigt. Sie ist bei beiden Geschlechtern angestiegen. Auch standardisierte Sterbeziffern, die Unterschiede in der Altersstruktur herausrechnen, weisen für das Jahr 2020 bei beiden Geschlechtern einen Anstieg der Sterblichkeit im Vergleich zum Vorjahr aus. Der Blick auf einzelne Altersgruppen zeigt, dass die Sterblichkeit im Jahr 2020 gegenüber 2019 insbesondere für über 75-Jährige bei beiden Geschlechtern angestiegen ist.

Insgesamt starben laut dem Statistischen Bundesamtes im Jahr 2020 in Deutschland ca. 985.600 Menschen. Das waren 46.000 Verstorbene mehr als im Jahr 2019.

In der Pressemitteilung Nr. 044 vom 29. Januar 2021 hatte das Statistische Bundesamt seine vorläufigen Zahlen noch genauer aufgeschlüsselt. Demnach waren im Jahr 2000 insgesamt 48.100 Menschen mehr gestorben als im Median der vier Jahre zuvor (2016 bis 2019). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass 2020 ein Schaltjahr war, also 366 statt 365 Tage hatte, so dass durch diesen Tag mehr ca. 2.500 bis 3.000 zusätzliche Todesfälle zu erwarten waren. Rechnet man diese heraus, so sinkt die Zahl der Übersterblichkeit von 48.100 auf ca. 45.400.

Außerdem rechnete das Statistische Bundesamt den bisherigen Trend zu einer steigenden Lebenserwartung und die absehbaren Verschiebungen in der Altersstruktur der Bevölkerung, die zu einer höheren Sterblichkeit führt, heraus. Berücksichtigt man beide Effekte – das Schaltjahr und das gestiegene Durchschnittsalter der Bevölkerung – so kommt das Bundesamt auf eine Übersterblichkeit für 2020 von mindestens 43.000 (ganz exakt: mindestens 42.969).

Die Übersterblichkeit 2020 war nicht geringer als die COVID-19-Todesfallzahlen des RKI, sondern um mehrere tausend höher

Vergleicht man diese Zahl nun mit der Zahl der offiziellen COVID-19-Todesfälle (Spalte 4), die vom Robert Koch-Institut für 2020 ausgewiesen wurden, so kommt man zu folgendem Ergebnis: Das RKI wies die Zahl der COVID-19-Todesfälle für 2020 mit 39.201 aus. Die vom Statistischen Bundesamt ermittelte und bereits um Sondereffekte reduzierte Übersterblichkeit lag aber bei mindestens 43.000, das heißt nicht unter, sondern um mindestens 3.800 über der offiziellen COVID-19-Todesfallzahl des RKI.

Die Übersterblichkeit von April 2020, als die Pandemie Deutschland erst richtig erreichte, bis Dezember 2020 lag bei ca. 50.750

Außerdem ist bei dieser Übersterblichkeit von mindestens 43.000 für das Jahr 2020 zu bedenken, dass die Pandemie Deutschland erst im März erreichte. Im Januar und Februar hatten wir in Deutschland aber eine Untersterblichkeit von 5.085. Und auch im März hatten wir noch eine Untersterblichkeit von 2.659. Das Sterben an COVID-19 ging ja erst im April 2020 richtig los.

Im ersten Quartal 2020 war insgesamt eine Untersterblichkeit von 7.744 zu registrieren. Die Übersterblichkeit von mindestens 43.000 bezog sich also nur auf die neun Monate von April bis Dezember und überkompensierte die vorherige Untersterblichkeit um 43.000.

Mit anderen Worten: Wir hatten ab dem Moment, da die Pandemie Deutschland richtig erreichte bis zum Jahresende 2020, also von April bis Dezember 2020 eine Übersterblichkeit von ca. 43.000 + 7.750 = 50.750.

In 2021 kommt zu der Übersterblichkeit von 50.000 bis November noch die Übersterblichkeit des Dezember dazu

Und 2021 lagen die Übersterblichkeit am 30. November offenbar bereits über der von 2020. Hinzu kommen die zusätzlichen Todesfälle aus dem Dezember. Der Dezember 2020 war mit Abstand der schlimmste Monat mit einer Übersterblichkeit von bis zu 24.038.

Seit Anfang Dezember liegen die gemeldeten wöchentlichen COVID-19-Todesfälle bei 2.000 bis 3.000, so dass wir bei über 4,4 Wochen mit ca. 11.000 weiteren Todesfällen im Dezember 2021 rechnen müssen, sofern die wöchentlichen Sterbefälle nicht deutlich steigen oder fallen. Die Zahl der noch nicht um Sondereffekte bereinigten Übersterblichkeit in 2021 würde dann auf ca. 61.000 steigen, sofern die letzten zwei Wochen des Jahres ähnlich verlaufen wie die letzten zwei, drei Wochen.

Die Übersterblichkeit von April 2020 bis Dez. 2021 dürfte bei ca. 110.000 liegen

Betrachten wir den gesamten Zeitraum, seit die Pandemie Deutschland richtig erreichte, von Anfang April 2020 bis Ende Dezember 2021, dann kämen wir also auf eine Übersterblichkeit von ca. 50.750 + 61.000 = 111.750. Selbst wenn wir die Sondereffekte – Schaltjahr 2020 und alternde Bevölkerung – herausrechnen, ergäbe sich eine Übersterblichkeit von rund 110.000. Dies entspräche recht genau den offiziellen COVID-19-Todesfallzahlen.

Die Behauptungen von einigen, die meinten, am Jahresende werde man überhaupt nicht merken, dass es Corona und COVID-19 gebe, muss also zurückgewiesen werden. Solche Aussagen wirken angesichts dieser ca. 110.000 Menschen, die in den letzten 21 Monaten allein in Deutschland zusätzlich gestorben sind und ohne diese Pandemie jetzt noch leben würden, an der Grenze zur Ignoranz und Herzlosigkeit. Sie werden dem Ernst der Lage und dem konstruktiven Umgang mit diesem gesellschaftlichen Problem, das letztlich alle angeht, nicht gerecht.

Problemleugnung oder extreme Verharmlosung ist kein Beitrag zum sachlichen, rationalen Diskurs

Über die Maßnahmen, wie man dieser riesigen Herausforderung am besten begegnen kann, was angemessen und verhältnismäßig, was effektiv und was sinnvoll ist, kann man sachlich streiten und unterschiedliche Fakten und Argumente, verschiedene Sichtweisen und Präferenzen wohlbegründet ins Feld führen. Aber wer das Problem leugnet oder völlig verharmlost, stellt sich außerhalb des rationalen Diskurses.

Die gesellschaftliche Aufgabe besteht darin, möglichst viele Menschen in den sachlichen, rationalen Diskurs zurückzuholen. Das geht aber nicht mit Verteufeln, mit Abstempeln, mit Stigmatisieren und Sündenbockdenken („Pandemie der Ungeimpften“). Und es geht nicht mit bewusster Unaufrichtigkeit (Lügen).

*

Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:

Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB und ggf. welcher Artikel Sie besonders überzeugte. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR