Von Von Jürgen Fritz, Do. 06. Jan 2022, Titelbild: BILD-Screenshot
Zum Jahreswechsel fand der bundesweit bekannte Bürgermeister von Tübingen sehr klare Worte: Als Saskia Esken von Covidioten gesprochen habe, fand er das daneben, da Beschimpfungen niemanden überzeugen, schreibt Boris Palmer. Mittlerweile habe er seine Meinung aber geändert und halte den Begriff „Impfidioten“ für angemessen. Und zwar aus folgenden Gründen.
Boris Palmer zur immer mehr abhanden kommenden Diskussionskultur
Über ein halbes Jahr habe er Fakten zur Impfung referiert und sich die Finger Wund geschrieben, um zu erklären, wie man die Schutzwirkung berrechnet, was es bedeutet, wenn 50 Prozent der Intensivpatienten Uneimpfte sind, warum RNA keine Gentherapie sein könne und dass der Sicherheitsbericht des PEI nachweise, dass das Risiko der Impfung um den Faktor hundert bis tausend kleiner sei als das der Infektion, schreibt Boris Palmer auf seiner Facebookseite.
Doch dies sei wie Schachspielen mit Tauben gewesen. In keinem einzigen Kommentar aus zehntausenden wäre zu erkennen gewesen, dass einer der Impfgegner verstanden hätte, wie überwältigend die Fakten für die Impfung sprechen, schreibt der Grünenpolitiker, der offenbar keine Lust mehr hat auf die immer gleichen Scheinargumente: „Jeden Tag hundertfach dieselben falschen Exzerpte aus der Querdenkerblase im Internet mit falschen Quellen, falschen Deutungen und falschem Verständnis von simplen Zusammenhängen.“
Dem Fass den Boden ausgeschlagen habe für ihn die Radikalisierung im Dezember. So wie Sachsens Ministerpräsident Kretschmer mit Gewalt bedroht worden sei, so ergehe es nun auch ihm selbst. „Eine Armee von Internettrollen versucht, mich einzuschüchtern, Gewalt anzudrohen, als Nazi und Faschist zu diffamieren“, so Palmer wörtlich. Die allerwenigsten seien dabei echte Profile. Einige hätten ernsthaft den Judenstern im Profil. Er komme mit dem Blockieren dieser Armee gar nicht mehr hinterher. Für jeden Blockierten kämen drei neue hinzu, wie einst bei der Hydra.
Daraus will Palmer nun die die Konsequenzen ziehen: Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und für die nächste Zeit Abschaltung der Kommentarfunktion bei Corona-Themen sowie konsequentes Blockieren bei Spamming auch bei seinen Postings zu anderen Themen.
An die Gruppe gerichtet, „die möglicherweise echte Menschen sind“ und die meinen, das sei nun einmal die Folge seiner Forderung, die Impfpflicht vorzuziehen und so auszugestalten, dass sie wirkt, also mit Sanktionen, schreibt Palmer: „Das tut der Staat (genauer: die Staatsgewalt, JFB) regelmäßig, sonst macht er sich lächerlich.“ Auch wegen nicht bezahlter Bußgelder könne man ins Gefängnis kommen. Das sei nicht undemokratisch, sondern konsequent. „Zu Zeiten der Wehrpflicht wurden Totalverweigerer immer wieder mit Gefängnisstrafen belegt“, erinnert der OB von Tübingen.
Man könne mit guten Gründen die Wehrpflicht ablehnen. Dann soll man diese Argumente sachlich vortragen, bis die Wehrpflicht abgeschafft sei. Was aber niemals richtig sein könne, sei Gewaltandrohung, Volksverhetzung, strafbare Beleidigung und Einschüchterung. Dafür gebe es einfach niemals eine Rechtfertigung, schon gar nicht wegen einer Meinungsverschiedenheit. Sodann fasst Palmer seinen Gedankengang zu Omikron wie folgt zusammen.
Palmer zu Omikron
Seine Hypothese laute, „dass Omikron so ansteckend ist, dass die Zahl gleichzeitig kranker Menschen zum Problem der kritischen Infrastruktur einschließlich der Krankenhäuser werden könnte.“
Wenn das stimme, gebe es drei Handlungsoptionen:
- Die Infektion laufen lassen bis zur Durchseuchung.
- Mit einem harten Lockdown die Kurve abflachen.
- Alle Erwachsenen rechtzeitig immunisieren.
Gegen Option 1 spreche, dass die Zahl der schweren Verläufe dann zehnmal größer sei als wenn die Durchseuchung auf eine Grundimmunisierung per Impfung falle.
Gegen Option 2 spreche, „dass dann schon wieder Innenstädte, Händler, Gastronomen, Schulen und Kinder die Zeche zahlen, obwohl sie direkt gar nicht zur Überlastung der Intensivstationen beitragen“.
Gegen Option 3 spreche nur, dass es sich um einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Bürger handle. Der sei zwar theoretisch bedeutsam, praktisch aber viel geringer als die Optionen 1 und 2. Die Zahl der Opfer sei über diesen Weg die kleinste, die Zahl der Kranken sei die kleinste und die Schäden an Freiheit und Wirtschaft seien die kleinsten. Wer sich dagegen ausspreche und eine der beiden anderen Möglichkeiten wähle oder erzwinge, schadet nicht nur sich selbst, sondern der Gesellschaft.
Impfen sei angesichts der Alternativen 1 und 2 keine Privatsache. Und deswegen sei er dafür, dass der Staat vor dem Höhepunkt der Omikronwelle die Grundimmunisierung durch eine Impfpflicht mit klaren Sanktionen herstelle.
Damit meiner er keine Impfung über Jahre hinweg, sondern genau zweimal und nur die Erwachsenen. „Beschließen das die Parlamente und bestätigen es Gerichte, ist das genau so demokratisch wie die Steuerpflicht, die Wehrpflicht oder die Masernimpfpflicht“, so Palmer, der abschließend auf zwei wichtige Informationen hinweist:
- Die Wirkung der Impfung wird jede Woche beim RKI dargestellt (S.21): Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), ganz aktuell von heute, dem 06.01.2022
- Die Nebenwirkungen stellt der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) dar: SICHERHEITSBERICHT – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 30.11.2021
Diese Tatsachen könne man nur abstreiten, wenn man von einer Verschwörung ausgehe, bei der staatliche und wissenschaftliche Institutionen das Volk systematisch und genau abgestimmt belügen, so Palmer der seinen Text mit den Worten schließt: Leute, die das glauben, und mit Karma wedeln, seien für ihn Impfidioten.
Persönliche Anmerkung Jürgen Fritz
Ich gehe mit Boris Palmer nicht unbedingt in der Wortwahl, aber in der Sache weitgehend konform, nicht aber in Bezug auf eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen in Deutschland. Davon würde ich persönlich abraten und das, wie ich meine, aus guten Gründen, wie sie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier hier bereits konkret angedeutet hat. Eventuell werde ich dazu nochmals einen eigenen speziellen Text verfassen.
Hier nur ganz kurz soviel: Eine allgemeine Impfpflicht, die ja irgendwie auch mit staatlicher Gewalt einhergehen muss (mindestens Geldbußen, die so hoch angesetzt werden müssen, dass sie sehr weh tun), wenn damit der gewünschte Effekt erreicht werden soll, stellen einen empfindlichen Eingriff der staatlichen Gewalten in die Grund- und Menschenrechte seiner Bürger (der Grundlage des Staates) dar, der nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn der Eingriff wirklich a) geeignet und b) notwendig ist, um das gewünschte Ziel zu erreichen, ferner c) verhältnismäßig und d) die unerwünschten Nebeneffekte den gewünschten Effekt nicht konterkarieren.
Ansonsten aber sehe ich die Impfungen ebenfalls als ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Überwindung dieser Pandemie an. Der Weg sollte aber aus meiner Sicht weiter der der Aufklärung, der Information und des Appellierens an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger für sich selbst, aber auch für andere und für die Gesellschaft als Ganzes sein.
*
Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:
Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB und ggf. welcher Artikel Sie besonders überzeugte. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR