Von Jürgen Fritz, Mi. 20. Jul 2022, Titelbild: Gert Altmann, Pixabay, CC0 Creative Commons
Frieden zwischen A und B beruht auf einem diesbezüglich symmetrischen Willen. Nur wenn beide ihn wollen, kann er zustande kommen und erhalten bleiben. Sobald einer von beiden Krieg will, zum Beispiel weil er sich durch diesen Vorteile für sich ausrechnet, und angreift, ist der Krieg da.
Frieden beruht auf einem symmetrischen Willen, während Krieg auch durch einen asymmetrischen Willen entstehen kann
Das heißt, Krieg muss nicht wie der Frieden auf einem symmetrischen Willen beruhen, es reicht wenn eine der beiden Parteien ihn will. Natürlich können auch beide ihn wollen, das aber ist keine conditio sine qua non, keine notwendige Bedingung. Ein fester Wille zum Krieg, zum Beispiel nur bei A, reicht aus, um diesen herbeizuführen.
Das Ganze kann also in einer Matrix übersichtlich wie folgt dargestellt werden:
- A will keinen Krieg und B will keinen Krieg (symmetrischer Wille) ==> Frieden
- A will Krieg und B will Krieg (symmetrischer Wille) ==> Krieg
- A will keinen Krieg, aber B will Krieg (asymmetrischer Wille) ==> Krieg
- A will Krieg, B will keinen Krieg (asymmetrischer Wille) ==> Krieg
Kurzum sobald auch nur einer von beiden Krieg will, ist dieser da, während für Frieden beide Parteien diesen haben wollen müssen, einer allein reicht hier nicht.
Greift A B an, so bestimmt A über B, indem er diesen in den Zustand des Krieges versetzt, auch wenn B gar keinen Krieg will
Wenn A den Krieg gegen B will, ohne dass B diesen möchte, so nützt es nichts, wenn B den Frieden ganz arg will. Frieden kann immer erst eintreten, wenn beide ihn wollen, also B, aber auch A. Solange A den Krieg haben möchte, solange bleibt dieser bestehen und solange bleibt B im Kriegszustand. Der Angreifer und Kriegswillige A bestimmt hier also über den Zustand des Angegriffenen B. B hat dann keine Möglichkeit mehr, über sich selbst frei zu bestimmen, dass er gar nicht im Kriegszustand sein möchte.
Dies hängt damit zusammen, dass Frieden immer auf einem symmetrischen Willen beruht, Krieg aber nicht. Bei einem asymmetrischen Willen bestimmt also der Kriegswillige über den, der eigentlich Frieden haben möchte, denn sobald die Partei A die Partei B angreift, ist B im Krieg und bleibt es solange, bis A diesen beenden will. Daher ist es hier für B ratsam, A entweder vernichtend zu schlagen, um dauerhaft Ruhe zu haben, oder auf den Willen von A Einfluss zu nehmen. Die Frage ist, wie B dies tun kann.
Was tun, wenn man gegen seinen Willen in einen Krieg verwickelt wird?
Das einzig Vernünftige für den von A angegriffenen B ist es, diesen Krieg anzunehmen und, sofern B dazu in der Lage ist, A entweder vernichtend zu schlagen oder zu versuchen, den Willen von A zu verändern, indem es ihm so empfindliche Niederlagen und so viel Schmerz zufügt, dass A sich ab einem bestimmten Punkt keine Vorteile mehr davon verspricht, den Krieg gegen B weiterzuführen, sondern Angst bekommt, er könnte sich selbst zerstören oder er könnte sich selbst mehr schaden als B, wenn er weiter macht, respektive wenn A befürchtet, dass der Schaden, der ihm selbst entsteht, den Nutzen weit überschreiten würde. B muss also die Nutzen-Schaden-Kalkulation von A maßgeblich verändern.
Wie ein Krieg beendet werden kann
Ein bereits tobender heißer Krieg endet generell immer erst dann,
- wenn bei beiden Parteien der Wille zum Frieden vorhanden ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn beide sich vom Frieden mehr Vorteile für sich selbst versprechen (oder den Krieg aus moralischen Gründen ablehnen), oder aber
- wenn eine der beiden Parteien vollkommen unterworfen beziehungsweise vernichtet ist, also gar nicht mehr in der Lage ist, weiter zu kämpfen.
Wenn die Partei A die Partei B völkerrechtswidrig angegriffen hat, dürfte der Fall, dass A den Krieg aus moralischen Gründen beenden wird, sehr unwahrscheinlich sein. Diese Option könnte sich dann wohl nur auf B beziehen, dergestalt der angegriffene B dem Angreifer A militärisch so weit überlegen ist, dass es A niederwerfen und den Krieg noch weiterführen, mithin A völlig vernichten könnte, dies aus moralischen Gründen aber nicht tut, obschon es dazu in der Lage wäre und obschon er weiß, dass A umgekehrt genau das tun würde.
Wenn B dem Angreifer A aber derart überlegen ist, erscheint es unwahrscheinlich, dass A B dann überhaupt angreifen wird. Der beste Schutz gegen kriegerische Angriffe ist mithin eine derart starke militärische Position, dass andere gar nicht auf den Gedanken kommen, einen angreifen zu wollen, weil sie wissen, dass sie dann den Kürzeren ziehen würden. Äußere Sicherheit basiert also gleichsam immer auf einer starken Verteidigungsfähigkeit.
Was der Angegriffene tun kann
Wenn die Partei A die Partei B angreift, obschon B gar keinen Krieg mit A haben möchte, so hat B folgende Möglichkeiten, den Krieg zu beenden:
- sich ihm gar nicht erst stellen, also sofort aufgeben oder nach einiger Zeit aufgeben, so dass A mit B machen kann, was er will (Diktatfrieden bzw. Unterwerfungsfrieden, A nimmt sich, was er will, ein Stück Land oder auch das ganze Land, im Extremfall droht B die völlige Zerstörung, inklusive Massenhinrichtungen, Massenvergewaltigungen, dauerhafte Unterwerfung und Unterdrückung, Vernichtung der staatlichen Souveränität etc.), oder aber
- den Angreifer A entweder vernichtend zu schlagen beziehungsweise so sehr zu schwächen, dass A nicht mehr in der Lage ist, den Krieg weiterzuführen oder
- dafür zu sorgen, dass der Preis der weiteren Kriegsführung für A so groß wird, dass A sich in einer Kosten-Nutzen-Analyse keine eigenen Vorteile mehr davon verspricht, den Krieg weiter zu führen, sondern befürchten muss, dass seine Lage sich mit jedem Tag, mit jeder Woche, mit jedem Monat, an dem er den Krieg weiterführt, verschlechtern wird, so dass A rein aus egoistischen Motiven einem Friedensschluss zustimmt oder zumindest alle weiteren Kriegshandlungen aus eigenem Interesse heraus einstellt.
Der Sinn der Abschreckung
Im letztgenannten Fall muss aber damit gerechnet werden, dass der Angreifer A, der nur die Kriegshandlungen einstellte oder dem Frieden rein aus egoistischen Motiven zustimmte, nämlich aus Angst, selbst größeren Schaden davonzutragen, sofort damit beginnen wird, seine Kräfte neu zu sammeln und gegebenenfalls weiter aufzurüsten, um bei der nächsten günstigen Gelegenheit B erneut anzugreifen, so dass auch B, gezwungen sein wird – und wenn er klug ist, dies auch tut – entsprechend aufzurüsten, um A vor einem erneuten Angriff abzuhalten (Abschreckung).
Die Abschreckung zielt also darauf ab, die Kosten-Nutzen-Kalkulation des kriegswilligen Feindes so zu verändern, dass dieser von Angriffshandlungen absieht, obschon er diese eigentlich gerne vornehmen würde, er aber damit rechnen muss, sich durch einen (erneuten) Angriff selbst mehr zu schaden als dass er einen Nutzen davon tragen würde. Dies ist gleichsam der Sinn der Abschreckung.
Ergänzende Literaturempfehlung
Carl von Clausewitz: Vom Kriege
Vom Kriege gilt als das bedeutendste Werk, das jemals über die Kriegsführung verfasst wurde. Seinen Rang verdankt es insbesondere den ersten Kapiteln, in denen Clausewitz eine allgemeine Wesensbestimmung des Krieges vornimmt. In seinen Kernaussagen, wie der These vom politischen Charakter des Krieges, von seiner Doppelnatur als traditionellem und revolutionärem Krieg und seiner Bestimmung als Gewaltakt, der der Erfüllung des eigenen Willens dient, reicht sein Ansatz weit über den militärischen Bereich hinaus.
*
Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:
Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB und ggf. welcher Artikel Sie besonders überzeugte. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR