Ukraine-Krieg: Claudia Major erklärt in zehn Punkten die grundsätzliche Lage

Von Jürgen Fritz, Di. 27. Feb 2024, Titelbild: maischberger-screenshot

Die Politikwissenschaftlerin und Forschungsgruppenleiterin für Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik Claudia Major erklärt in zehn Punkten die militärische und strategische Lage im Russisch-Ukrainischen Krieg, insbesondere die Aspekte Waffenlieferungen, Frieden und Verhandlungen.

Zur Person

Claudia Major, Jahrgang 1976, studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und am Institut d’études politiques de Paris und schloss das Studium mit einem deutsch-französischen Doppeldiplom in Politik- und Sozialwissenschaften ab. 2009 promovierte sie im Rahmen des Forschungsprogramms European Foreign and Security Policy Studies an der University of Birmingham.

Seit 2010 ist sie Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung. Sie ist Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. In ihrer Forschungs- und Beratungstätigkeit konzentriert sie sich auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa: NATO, transatlantische Beziehungen, EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien. Sie erhielt den französischen Verdienstorden Ordre national du Mérite.

Zur militärisch-strategischen Lage im Russisch-Ukrainischen Krieg

Zunächst einmal stellt Claudia Major heraus, dass Russland den Krieg begonnen hat und ihn immer weiter eskaliert, wohlgemerkt: Russland, nicht die Ukraine, nicht die NATO, nicht Deutschland (Basic reminder). Russland könnte den Krieg jederzeit stoppen, ohne Gefahr für die russische Souveränität. Das also sei die Basis, die wir nie vergessen oder aus dem Auge verlieren dürfen. Sodann erläutert sie in zehn Punkten die Lage.

1. Waffenstillstand, ernsthafte Verhandlungen, Frieden seien das Ziel; aber nicht Kapitulation und Siegfrieden nach russischen Forderungen. Denn Ziel sei ein Frieden, „der mehr ist als Abwesenheit von Krieg“, der Konfliktursachen überkomme, der dauerhaft ist und der Entwicklung ermöglicht.

2. „Über die Zukunft der Ukraine entscheidet die Ukraine. Das nennt sich Souveränität, Selbstbestimmung.“

3. Russland zeige bislang kein Interesse an einem Kriegsende, bei dem eine souveräne Ukraine fortbestehe. Russland beharre vielmehr konzessionslos auf Festschreibung der eroberten und annektierten Gebiete. Ein schlechter Krieg scheint für Russland besser zu sein als ein Frieden, „der imperiale Träume beendet“.

4. Offiziellen russischen Aussagen zufolge bestreite Russland die Eigenstaatlichkeit und Identität der Ukraine. „Es geht Moskau nicht um eine sichere Koexistenz mit einer souveränen und unabhängigen Ukraine, sondern um deren Ende.“

5. Was ein russischer Sieg für die Ukraine bedeuten könnte, zeige die Lage in den besetzten und annektierten Gebieten: Aufgabe ukrainischer Freiheit, Identität, Kultur, Selbstbestimmtheit; Repressionen, Menschenrechtsverletzungen (siehe Butcha, Irpin, Mariupol, Isjum).

6. Waffenlieferungen und Verhandlungen schließen sich nicht aus. Sie ergänzen sich. Waffenlieferungen können der Ukraine erlauben, die militärische Lage zu verändern und so Verhandlungen zu ermöglichen. Waffenlieferungen können den Krieg und das Leiden verkürzen.“

7. Die Forderung nach politischen Ansätzen sei richtig und notwendig, aber wohlfeil, wenn nicht mit praktischen Vorschlägen untermauert. „Ich habe noch keinen praktischen Vorschlag gehört, wie Russland ohne militärischen Druck zu ernsthaften Verhandlungen gebracht werden kann“, konstatiert sie.

8. Waffenlieferungen können es der Ukraine erlauben, Russland militärisch an den Verhandlungstisch zu zwingen, um diesen Krieg zu beenden. Denn politischen Bitten, an den Verhandlungstisch zu kommen, den Krieg zu stoppen, oder aus der Ukraine abzuziehen, ist Russland bislang nicht gefolgt.“

9. Waffenlieferungen hätten der Ukraine (bis Anfang 2023) ermöglicht, macht sie weiter deutlich, etwa die Hälfte der seit dem 24.02.2022 besetzten Gebiete zu befreien. Sie machten also einen Unterschied. Waffenlieferungen einzustellen hieße, die Bevölkerung dem russischen Terrorregime der Besatzung zu überlassen (siehe 5/10).“

10. Die Lage sei beunruhigend. Waffenlieferungen seien abzuwägen, Reaktionen mit zudenken. Aber ein langer Zermürbungskrieg oder russischer Sieg würde Europa noch direkter bedrohen, machte die Sicherheitsexpertin schon Anfang 2023 klar. Russland könnte dann nämlich die Lehre ziehen, dass sich Kriegführen lohne und seine imperialen Ziele weiter mit Krieg durchsetzen.

Schlussbemerkung: Besonnenheit sei richtig, schließt die Verteidigungsexpertin ihre Ausführungen, dürfe aber nicht in Selbstabschreckung kippen, dergestalt „dass wir aus Furcht unser Handeln einschränken und möglicherweise schlimmere Folgen in Kauf nehmen“.

Quelle: Claudia Major auf X

Zu Macrons aktueller Äußerung, französische (westliche) Bodentruppen in der Ukraine nicht länger auszuschließen

Hierzu äußerte sich Claudia Major gegenüber dem ARD Bericht aus Berlin wie folgt:

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