Von David Berger, Mo. 06. Mai 2019
Wie verschiedene Medien im Anschluss an die dpa berichten, wurde der Account der Berliner SPD-Politikerin und Staatsekretärin Sawsan Chebli, bekannt durch seine erfreulich intelligenten Analysen des Tagesgeschehens, gestern von Twitter gesperrt. Das mag für viele irgendwie wohltuend sein, der Grund aber ist nicht nachvollziehbar. Würde man alle SPD-Politiker sperren, die einfach nur dummes Zeug von sich geben, wäre die Partei ja bald sprachlos. Das kann nicht der Maßstab sein und deswegen protestieren wir dagegen, nicht weil wir die Äußerungen der genannten Dame für unentbehrlich halten, sondern aus prinzipiellen Erwägungen. Und Prinzipien müssen für alle gelten, sogar für Sawsan Chebli, selbst wenn sie solchen Erwägungen nicht folgen kann und anderen gegenüber nie anwenden würde.
„Irreführende Informationen zu den Wahlen“?
Auch Sawsan Chebli hatte die Nachricht freudig zur Kenntnis genommen, dass 2018 der beliebteste Jungename für Neugeborene in Berlin Mohammed war. Stolz hatte sie daraufhin die ganzen Mohammeds aus ihrer Familie genannt und kommentiert:
„Wir werden schon dafür sorgen, dass dieser Name nie verschwindet!“
Noch gelungener als die Ausführungen Cheblis ist allerdings die Begründung Twitters für die Zensurmaßnahme:
„Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dieser Tweet gegen die Twitter Regeln verstößt, insbesondere: Verstoß gegen unsere Regeln zum Veröffentlichen von irreführenden Informationen zu Wahlen.“
Es gibt ein Recht auf dumme Kommentare – auch für Sawsan Chebli!
Wir sind nun nicht als Fanclub Frau Cheblis bekannt und haben bislang – im Unterschied zu Facebook – fast nur erfreuliche Erfahrungen mit Twitter gemacht. Aber wenn wir fair bleiben wollen und unser Kampf für die Meinungsfreiheit kein scheinheiliger sei soll, müssen wir sagen, dass Frau Chebli diese Maßnahme nicht versteht, hat ausnahmsweise einmal nichts mit ihren kognitiven Fähigkeiten zu tun. Tatsächlich ist schlicht nicht erkennbar, inwiefern der Tweet „irreführende Informationen zu Wahlen“ enthalten soll.
Ja, der gelöschte Tweet mag dümmlich erscheinen (sicherlich kein Einzelfall bei der SPD-lerin), aber wenn es danach ginge, hätten die Löschungen und Sperrungen nicht nur bei Chebli, sondern quer durch alle Politiker-Accounts hin, schon viel früher einsetzen müssen. Und: das Recht auf dumme Kommentare steht jedem zu. Dummheit gehört wie Hass oder Liebe nicht in die Sphäre des Strafbaren. Davor steht die Einsicht des Gesetzgebers, dass der Mensch nicht zu Emotionen oder einer umfassenderen Einsicht gezwungen werden kann. Es gibt ein Recht auf Dummheit und wenig intelligente Kommentare – und das muss für alle gelten, auch auf Twitter und auch für Frau Chebli!
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Dieser Artikel erschien gestern auf Philosophia perennis und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung von PP und dessen Betreiber David Berger.
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Zum Autor: David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch Der heilige Schein über seine Arbeit im Vatikan als homosexueller Mann. Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Homomagazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritk. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European). Seine Bibliographie wissenschaftlicher Schriften umfasst ca. 1.000 Titel.
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Titelbild: Youtube-Screenshot
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