Milliardenraub von Dresden: ein Gleichnis für die Plünderung Deutschlands

Von Daniel Matissek (jouwatch), Mi. 27. Nov 2019, Titelbild: Screenshot Panorama-Rundgang, Grünes Gewölbe

Daniel Matissek hat sich die Live-Pressekonferenz zum Dresdner Kunstraub im Grünen Gewölbe angesehen und viel gelernt über Prioritätensetzung im besten Deutschland aller Zeiten. Er zeigt auf: Was hier geschehen ist, ist ein Sinnbild für den Zustand unseres Landes, ein Gleichnis für das, was mit Deutschland, ja mit dem abendländischen Europa insgesamt geschieht.

Bis die Polizei eintrifft, sind die Täter und mit ihnen der unwiederbringliche antike Schmuck-Unikate über alle Berge

Unersetzliche Kunstschätze werden mit Sicherheitsmaßnahmen bewacht, die offenbar auf dem Stand der Nachkriegszeit oder bestenfalls des Arbeiter- und Bauernparadieses stehengeblieben sind: Ein brennendes Trafohäuschen, Stromausfall, kein ausgelöster physischer Alarm – stattdessen werden vom Wachdienst, offenbar eher zufällig, „kleinwüchsige“ Eindringlinge auf dem Monitor registriert. Obwohl die im Gebäude anwesenden Sicherheitskräfte bewaffnet sind – ob nun leicht oder mit Maschinenpistolen –, setzt man lieber auf Deeskalation. „Das Menschenleben geht immer vor“, erklärt die Generalsekretärin der Sammlungen, Marion Ackermann. Eine Stadt, die sich schon vor einem Jahr zum sicheren Hafen für Seenotrettung erklärt hat, riskiert für Profanitäten wie läppische Edelsteine im Wert von einigen Milliarden Euro doch nicht die körperliche Unversehrtheit von Räubern. Sogar im Dunkeldeutschland Sachsen hat man begriffen: auch (mutmaßlich ausländische) Diebesbanden sind kostbare Menschenleben.

Also wird, wie bei jedem Hinterhofeinbruch bei Hempels, auch hier ganz gewöhnlich per 110 die Polizei verständigt. Bis sie am Tatort erscheint, dauert es – Halle lässt grüßen – über fünf Minuten. Im Behördendeutsch nennt man diese Zeitspanne heutzutage „unverzüglich“. Da ist der Coup natürlich schon vorbei. In der Luft liegt noch Benzingeruch, möglicherweise vom ersten Fluchtwagen. Der zweite steht in einer Tiefgarage in der Kötzschenbrodaer Straße in Flammen. Die Täter – und mit ihnen der unwiederbringliche Staatsschatz August des Starken inclusive antiker Schmuck-Unikate – sind über alle Berge.

Die kriminelle Wirklichkeit passt nicht zum vom Staat propagierten optimistischen Menschenbild

Was bleibt, ist wenige Stunden später eine vertrottelt dreinblickende Stammel-Runde von Polizei, Staatsanwaltschaft, Museumsverwaltung und Kulturpolitik, die sich in der Pressekonferenz den ungläubigen Fragen der versammelten Journalisten stellt und wortreich zu erklären versucht, dass dem „Sicherheitskonzept“ nach dieser Einbruch doch eigentlich hätte gar nicht passieren dürfen, dass hier alles richtig gemacht worden sei.

In ihre Gesichter malt sich dieselbe Ratlosigkeit und Verlegenheit, die Politiker bei allen anderen Fanalen des Sicherheitsversagens der jüngeren Geschichte an den Tag legten – etwa nach dem Breitscheidtplatzanschlag, nach den Fällen Maria Ladenburger oder Mia Valentin: Es ist die Agonie des zusammengebrochenen Weltbilds, des erschütterten Urvertrauens, der jähen Konfrontation mit einer Normalität, die man jahrein-jahraus stets nur als populistische Hysterie, als aufgebauschte, statistisch unwahrscheinliche und keinesfalls den Regelfall abbildende Ausnahmeerscheinung abtut und zu der man ansonsten eher abstrakte Bezüge pflegt. Die kriminelle Wirklichkeit passt nicht zum vom Staat propagierten optimistischen Menschenbild. Und so sieht auch das Land, das sich seit Jahren zurückgehender Wohnungseinbrüche und (entgegen jeder Wahrnehmung der Bevölkerung) angeblich konstant sinkender Verbrechenszahlen rühmt, seine Kulturgüter nicht in Gefahr.

Wie im Grünen Gewölbe deutsches Kulturgut geschützt wird, so werden unsere Traditionen und Werte gegen äußere Bedrohungen geschützt

Und genau deshalb ist der epochale Milliardenraub von Dresden auch ein Gleichnis für das, was mit Deutschland, ja mit dem abendländischen Europa insgesamt geschieht: Seine Schätze und Werte sind überall in Gefahr, nicht nur in Gestalt von Diamantencolliers, geschliffener Brillanten oder gefasster Smaragde.

So dilettantisch, gleichgültig, unzureichend, stiefmütterlich, wie im Grünen Gewölbe deutsches Kulturgut geschützt wird, so werden unsere Traditionen, Wertvorstellungen und unsere Identität insgesamt gegen äußere Bedrohungen geschützt: Das Mantra „es wird schon nichts passieren“, keinen Fingerbreit der Panikmache!, aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber der kulturellen, wirtschaftlichen und ideellen Selbstaufgabe und Ausplünderung haben ganz Deutschland längst in dieselbe Situation versetzt, in der die Staatlichen Kunstsammlungen Dresdnern gerade sind: Kostbares geht dahin.

Ganz Deutschland ist ein „grünes“ Gewölbe

Der politische Islam ist landauf-landab auf dem Vormarsch, die Einheimischen werden in immer mehr Städten zur Minderheit, Deutsch wird in immer mehr Flecken der Landkarte zur Fremdsprache, es halten zunehmend kulturfremde Ernährungs- und Kleidersitten (wenn nicht -vorschriften) Einzug, Schlüsseltechnologien wandern in chinesische Hand, die einstigen Spitzenpositionen in Bildung und Technologie gleichen sich langsam, aber sicher denen von Schwellenländern an.

Die Wertschätzung für die Juwelen und Kostbarkeiten Deutschlands im übertragenen Sinne – also für all das, was dieses Land einst ausmachte und groß werden ließ hat – ist ist bereits auf dem Nullpunkt. Und dementsprechend gewichtet sind auch die Vorkehrungen zu seinem Schutz. Die öffentlichen Sicherheitskonzepte sind so wirksam wie die im Grünen Gewölbe. Bezogen auf die Politik könnte man mit gewissem Doppelsinn sogar formulieren: Deutschland IST ein „grünes“ Gewölbe, mit allen Folgen.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf jouwatch. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung von jouwatch und des Autors.

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Zum Autor: Daniel Matissek, Jg. 1972, ist freier Journalist, Publizist und Unternehmer. 1990 bis 2004 gab er das regionale Monatsmagazin „t5 Journal“ für Saarland, Pfalz und Rhein-Neckar heraus und verlegte mehrere Theater- und Kulturpublikationen (u.a. „Rotunde“). Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit in den Bereichen Vertrieb, Kommunikation und Gastronomie ist er seit 25 Jahren sporadisch als freier Autor und Kolumnist für diverse Periodika, Tageszeitungen sowie als Gastautor für mehrere Online-Magazine tätig. Matissek betreibt einen politischen Facebook-Blog und war deshalb wiederholt von willkürlichen Sperren durch diese Plattform betroffen.

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