Von Jürgen Fritz, Di. 04. Feb 2020, Titelbild: Pixabay, CC0 Creative Commons
Was ich als ontologischer Asket von einem metaphysischen Spekulanten („Gläubigen“) erwarte, wenn er von mir intellektuell ernst genommen werden möchte, ist nicht, dass er seine metaphysische spekulative Weltanschauung ablegen muss, aber doch das Folgende.
Der vollkommen spekulative Charakter einer angenommenen zweiten, transzendenten Welt
Was ich also von einem metaphysischen Spekulanten („Gläubigen“) erwarte, so er von mir intellektuell ernst genommen werden möchte, ist:
1. dass er sich dessen bewusst ist, dass es sich dabei immer nur um seine in höchstem Maße kontingenten (möglichen, aber nicht notwendigen), außerdem nicht verifizierbaren Vorstellungen von der Welt handelt, von denen er redet, und nicht die Welt selbst, in die er in seiner Vorstellung a) neben die diesseitige, mit den Sinnen erfassbare eine transzendente (jenseitige) zweite Welt hinzufügt und sich b) darüber hinaus ausmalt, wie diese angeblich sein soll, wobei sein von ihm gemaltes Bild der jenseitigen, sinnlich nicht erfassbaren, von ihm postulierten zweiten Welt deutlich abweicht von allen anderen gemalten Bildern aller anderen Religionen, so dass schon rein logisch bei X (z.B. 100) solchen Weltbildern mindestens X minus 1 (im Beispiel: 99) mindestens partiell falsch sein müssen, wenn nicht alle 100, selbst wenn seine Grundannahme einer zweiten, einer jenseitigen Welt stimmen würde.
Dabei ist nicht einmal klar, ob seine diesbezüglichen Vorstellungen in Bezug auf eine Transzendenz nicht vollkommen ins Leere gehen, weil es in der Realität gar keine Referenzobjekte gibt, auf die sich seine Worte (Benennung in der Sprache) und seine Vorstellungen (Begriffe im Denken) beziehen könnten. Im semiotischen Dreieck könnte mithin in Bezug auf die angenommene oder postulierte zweite, jenseitige Welt die untere linke Seite (der Gegenstand in der Realität) vollkommen fehlen – leere Begriffe, die eine Menge von Gegenstände bezeichnet, deren Mächtigkeit null ist. Auf jeden Fall aber ist diese zweite Welt (das Jenseits) nicht greifbar, nicht verifizierbar und auch nicht falsifizierbar, sprich vollkommen spekulativ.
Um diese Zusammenhänge sollte ein metaphysischer Hedonist, so es kein naiver, sondern ein reflektierter solcher ist, zumindest wissen.
Das optimale Führungs-, Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmittel
2. Außerdem erwarte ich von einem reflektierten metaphysischen Spekulanten, so er intellektuell ernst genommen werden möchte, ein Bewusstsein nicht nur der Kontingenz seines ganzes Konstruktes, welches sich in seinem Kopf (genauer: in seinem Geist, in seinem Denken) befindet und er eben genau darum weiß, dass er primär davon spricht, was in seiner Vorstellungswelt stattfindet und dass er womöglich leere Begriffe benutzt ohne Referenzobjekte in der Realität, sondern auch zweitens wie sehr gerade diese metaphysisch spekulativen Weltanschauungen die einfachen Menschen anfällig machen für alle möglichen Formen der Manipulation, dass sie durch nichts anderes besser gelenkt, geführt und auch fanatisiert werden können und man ihnen just damit enorme Ängste (vor ewigen Strafen im Jenseits) einflößen kann.
Ferner dass die Machthaber, die weltlichen Führer, daher meist ein massives Interesse daran haben, sich mit den Führern der Anhänger dieser metaphysischen Spekulationen zu verbünden (siehe beispielsweise die konstantinische Wende im 4. Jahrhundert, den Pakt der Macht mit dem Christentum), um so das Volk besser lenken zu können, dass dies mithin das optimale Führungs-, Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmittel schlechthin darstellt, im Idealfall (Idealfall aus machtpolitischer Perspektive von oben) sogar beides, weltliche und religiöse Führung in einer Person – einem Kalifen, Papst mit eigener Armee etc. – zusammenfällt.
Wann ein Gespräch Sinn ergibt und wann nicht
Wenn der metaphysische Spekulant dies beides tut – das Zweite (das Machtpolitische) dürfte dabei leichter fallen als das Erste (das Erkenntnistheoretische), da dies ein hohes Maß an Selbstreflexion voraussetzt, -, dann haben wir zwar nicht das gleiche Weltbild, befinden uns aber geistig auf einer Ebene und haben damit eine Diskussionsgrundlage, können jeweils verstehen, was der andere überhaupt sagt und denkt.
Hat der metapyhsische Spekulant dieses Selbstreflexionsniveau aber nicht, wenn er also nicht darum weiß, dass er eigentlich nur von seinen in höchstem Maße kontingenten, nicht überprüfbaren Vorstellungen von der Welt und nicht wirklich über diese selbst spricht, zumindest nicht in überprüfbarer Weise, somit in höchstem Maß spekulativ, ohne jede Evidenz, ist keine gemeinsame Basis vorhanden, so dass ein Eintritt in ein diesbezügliches Gespräch oftmals wenig Sinn ergibt, da das Gegenüber die Worte gar nicht einzuordnen weiß, mithin gar nicht auf dieser Ebene zu replizieren vermag, ja nicht einmal erfassen kann, was überhaupt ausgesagt wird, da er die Gedanken nicht greifen kann.
Was nicht möglich und was möglich ist
Man wird metaphysisch spekulative Weltanschauungen nicht aus der Welt bekommen, da der Mensch von Natur aus, ein zur metaphysischen Spekulation fähiges und zum Hedonismus hin geneigtes Wesen ist. Und wenn eine Fähigkeit da ist, dann wird sie auch vollzogen, nach dem Motto: „Warum machst du das?“ – „Weil ich es kann.“ Der Mensch ist dabei übrigens – soweit wir wissen – das einzig bekannte Wesen, das zu solchen Spekulationen über eine zweite, nicht wahrnehmbare Welt fähig ist.
Religionen und Menschen, die diesen anhängen, wird man also nicht aus der Welt bekommen. Was wir aber durch Bildungs- und Aufklärungsarbeit, insbesondere durch Philosophie-Unterricht in den Schulen und Hochschulen erreichen können, vor allem durch Erkenntnistheorie und Ethik (Moralphilosophie), ist, dass ein Bewusstsein entsteht um den epistemologischen (erkenntnistheoretischen) Rang dieser metaphysisch spekulativen (religiösen) Weltanschauungen, da dies dann automatisch zu etwas führt, was jeglichen Fanatismus eindämmt: kognitive Bescheidenheit und moralische Integrität, die sich aus der intellektuellen Redlichkeit zwingend ergibt, wenn es denn schon nicht zur ontologischen Askese reicht, was bei der Mehrheit bis auf weiteres (leider) nicht angenommen werden darf.
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