Beschäftigte die AfD seit 2013 durchgängig einen Faschisten als ihren Pressesprecher?

Von Jürgen Fritz, Di. 28. Apr 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

Die AfD hat ihren langjährigen Pressesprecher Christian Lüth am Freitag „mit sofortiger Wirkung freigestellt“. Der Grund: Lüths Einstellung zum Nationalsozialismus. Der 43-Jährige hatte sich offenbar selbst mehrfach als „Faschisten“ bezeichnet und mit seiner „arischen Abstammung“ geprahlt. Dies drohte jetzt publik zu werden. Nun zog die AfD, nachdem dies mindestens seit Wochen bekannt ist, die Reißleine.

Wie das Ganze herauskam

Nach Informationen aus Fraktionskreisen soll Chrstian Lüth in einem privaten Chat mit einer Frau, die sich zuvor bei der AfD beworben hatte, aber kein AfD-Mitglied ist, mehrere sehr befremdliche und unhaltbare Äußerungen von sich gegeben haben, aus denen deutlich wird, welche Einstellung er zum Nationalsozialismus respektive zu Hitlerimus hat. Zum einen habe er sich selbst als Faschistbezeichnet, zum anderen habe er mit Bezug auf seinen Großvater von seiner „arischen“ Abstammung gesprochen.

Sein Großvater Wolfgang Lüth war Korvettenkapitän und hat im Zweiten Weltkrieg als U-Boot-Kommandant der Kriegsmarine gekämpft. Dafür wurde er von Adolf Hitler persönlich mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Lüth selbst bestreite nicht, diese Aussagen gegenüber der Frau getätigt zu haben. Laut ZEIT ONLINE soll Christian Lüth sich nicht nur einmal, sondern wiederholt selbst als „Faschist“ bezeichnet haben.

Christian Lüths Chatpartnerin habe die entsprechenden Auszüge dann dem Fraktionschef der AfD im Deutschen Bundestag Alexander Gauland zukommen lassen. Außerdem habe sie gedroht, die entsprechenden Passagen zu veröffentlichen, wie die taz berichtet. Gauland habe dann nach mehrwöchiger Prüfung im kleinen Kreis am Freitag entschieden, Lüth freizustellen.

Freistellung aus Angst vor einem Skandal?

Der Freistellung vorausgegangen sei ein Gespräch schon vor einigen Wochen, an dem auch der aktuelle Parteichef Tino Chrupalla teilgenommen haben soll. Daraufhin habe die AfD eine „arbeitsrechtliche Prüfung“ eingeleitet, die Ende vergangener Woche zum Rauswurf von Lüth führte. Die Entscheidung der Personalie habe Gauland selbst getroffen und danach den Fraktionsvorstand informiert. Die Prüfung soll durch den Juristen und Düsseldorfer AfD-Bundestagsabgeordneten Roman Reusch erfolgt sein, der zuvor Oberstaatsanwalt in Brandenburg war.

Das heißt, es hat den Anschein, dass die Freistellung nicht deswegen erfolgte, weil der Pressesprecher der AfD-Bundestagsfragktion ein Faschist ist, sondern weil man fürchtete, dass dies wegen der Androhungen der Chatpartnerin bekannt werden könnte.

Zum Faschismusbegriff

Es gibt verschiedene Faschismusbegriffe, der Ausdruck ist also nicht eindeutig. Aber folgende Merkmale sind typisch für den Faschismus im engeren Sinn: Faschismus ist eine Ideologie und ein Herrschaftssystem (Genus proximum) mit folgenden Charakteristika (differentia specifica):

  • utranationalistisch: gruppenegoistisch, antiuniversalistisch
  • nach dem Führerprinzip organisiert: autoritäres System für autoritäre Charaktere
  • antiliberal: freiheitsfeindlich, menschenrechtsnegierend
  • antimarxistisch: statt sozialer Klassen Volksgemeinschaften
  • antidemokratisch/antiparlamentarisch: keine Gewalttenteilung
  • antipluralistisch: starke Betonung der Homogentät und Einheit statt Vielfalt
  • antiaufklärerisch: angestrebt wird eine kulturstiftende, auf Mythen, Riten und Symbolen basierende, irrationale weltliche Ersatzreligion.

Christian Lüth: eine dubiose Figur

Nach seinem Studium zunächst der Wirtschaftsinformatik, dann der Politikwissenschaft, in welcher er einen Diplomabschluss machte, arbeitete Christian Lüth, Jahrgang 1976, als Mitarbeiter eines FDP-Abgeordneten im Bundestag. Nach zwei Jahren wechselte er zur FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung und arbeitete unter anderem als Projektleiter in Honduras, wo er zeitweise auch den Präsidenten Manuel Zelaya beriet. Als das honduranische Militär den demokratisch gewählten Zelaya im Juni 2009 gewaltsam außer Landes schaffte und putschte, zeigte Lüth Verständnis für den Staatsstreich, bezeichnete den Militärputsch zunächst als „Legende“ und begrüßte eine nun mögliche „Rückkehr zu Rechtsstaat und Verfassung“.

Später gestand er ein, dass die Exilierung von Zelaya ein Verfassungsbruch gewesen sei. Angesichts der von Zelaya begangenen Verfassungsbrüche sei es jedoch richtig gewesen, diesen aus dem Amt zu entfernen. Ebenfalls in Honduras beriet Lüth nach eigenen Angaben den Wirtschaftsmagnaten Miguel Facussé, der laut Menschenrechtsorganisationen in Bajo Aguán Auftragsmorde an politischen Gegnern vergeben haben soll.

2011 versuchte Christin Lüth, in das von Dirk Niebel (FDP) geführte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach Berlin zu wechseln, was ihm aber nicht gelang. Ende 2011 hatte Lüth kurzzeitig bei der dem Ministerium unterstellten Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und bis Anfang Februar 2012 als Referent im Ministerium gearbeitet, welches er dann aber schnell wieder verlassen musste.

Spitzname „Lügen-Lüth“

Hintergrund war laut Medienberichten die mangelnde Eignung Lüths, der fälschlicherweise vorgegeben haben soll, die vom Ministerium per Hausverfügung verlangte Mindestnote 2 für Universitätsabsolventen zu erfüllen. Tatsächlich jedoch genügte sein Abschluss in Politikwissenschaft diesen Anforderungen nicht.

Danach arbeitete Lüth als Mitarbeiter eines FDP-Politikers, der als Nachrücker in den Bundestag eingezogen war. Nachdem die FDP bei der Bundestagswahl 2013 den Einzug ins Parlament verpasste, verlor Lüth nach insgesamt fast zehn Jahren in Diensten der FDP seine Anstellung und wechselte nun zur AfD.

Bei der AfD wirkte er zuerst als Pressesprecher der Partei, nach dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 dann als Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion. Laut dem Stern soll Lüth seinen Lebenslauf geschönt haben. Im politischen Berlin gilt Lüth schon lange als wenig verlässlicher Ansprechpartner, er soll sich Journalisten gegenüber aggressiv verhalten und sie wiederholt angelogen haben, sein Spitzname unter einigen Berichterstattern war seitdem „Lügen-Lüth“. Der 43-Jährige gilt als enger Vertrauter der Parteiführung, besonders von Alexander Gauland.

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