2021: Federer, Nadal und Djokovic auf historischer Mission

Von Jürgen Fritz, So. 03. Jan 2021, Titelbild: Public domain, via Wikimedia Commons

In zwei Tagen, am 5. Januar 2021 beginnt die neue Tennissaison. Es könnte die letzte von Roger Federer sein. Doch dieser hat noch zwei Missionen, bevor er seine Karriere beenden möchte. Aber da sind noch zwei andere, die ebenfalls historische Missionen haben, die sie dieses Jahr schon erreichen können: Rafael Nadal und Novak Djokovic.

Federer: Grand Slam-Titel 21 und/oder olympisches Gold im Einzel

Die Mission von Roger Federer (39,4 Jahre): ein großer Titel noch und dann abtreten; entweder Grand Slam-Sieg Nr. 21 in Wimbledon oder bei den US Open und/oder im sechsten Anlauf endlich die Goldmedaille in Tokio im Herreneinzel. Der Sieg bei den Olympischen Spielen im Einzel ist der einzig große Titel der dem Maestro noch fehlt. Und das wäre gleichsam ein perfekter Abgang für den dann fast 40-Jährigen.

Für Federer wird es voraussichtlich sehr schwer werden, noch einen ganz großen Titel auf seine unfassbare Sammlung oben auf zu fügen. Nach seinen zwei Knie-Operationen 2020 und seiner Absage der Australian Open ist klar, dass er mindestens 55 Wochen ohne Turnier und ohne Match sein wird. Eventuell sogar noch länger, wenn er nicht Ende Februar gleich wieder starten kann. Nach so einer langen Pause mit über 39 Jahren nochmal an die Weltspitze zu kommen, gleicht einer Herkulesaufgabe. Aber Millionen über Millionen Tennisfans auf der ganzen Erde werden ihm hierfür die Daumen drücken, dass es ihm gelingen möge, auch ich. Kein Spieler ist weltweit so beliebt wie der Schweizer, der gerade zum 18. Mal in Folge zum beliebtesten Spieler der Welt gewählt wurde.

Nadal: Grand Slam-Titel 21 und zum zwölften Mal am Jahresende die Nr. 1 oder 2

Die Mission von Rafael Nadal (34,5 Jahre) ist klar: Grand Slam Titel Nr. 21. Damit wäre er, wenn Federer nicht auch noch einen draufpacken kann, alleiniger Allzeit-Rekordhalter und würde in der wichtigsten aller Rubriken den Göttlichen hinter sich lassen. Die Frage, wer der größte Spieler aller Zeiten, der GOAT (The Greatest of All Time) war, wäre dann nicht mehr eindeutig zu beantworten, da Federer zum Beispiel die ATP Finals (B+) auch sechsmal gewann, Nadal dagegen nie. Dafür hat Nadal die olympische Goldmedaille (B+) im Einzel und fünfmal den Davis Cup mit Spanien gewonnen, Federer nur einmal mit der Schweiz und olympisches Gold im Einzel nie. Die sechs ATP Finals-Titel von Federer wiegen aber zusätzlich zu den 20 Grand Slam-Siegen sehr schwer. Dies müsste Nadal eher mit zwei zusätzlichen Major-Titeln ausgleichen. Mit 22 würde er wohl an Federer in der GOAT-Frage vorbeiziehen.

Sollten Nadal dieses Jahr sogar zwei Grand Slam-Siege gelingen, wie zuletzt 2017 und 2019, so wäre er wahrscheinlich am Jahresende zum sechsten Mal die Nr. 1 der Welt, einmal mehr als Federer, und würde mit 22 Major-Titeln wohl endgültig an seinem Freund und Dauerrivalen aus der Schweiz  vorbeiziehen. Die größten Chancen auf Titel 21 hat Nadal sicherlich bei den French Open. Sein Auftreten dort im Oktober 2020, als er in sieben Runden nicht einen einzigen Satz abgab, sieben Mal 3:0 gewann und sogar Djokovic im Finale regelrecht deklassierte mit 6:0, 6:2, 7:5, war unfassbar beeindruckend.

Ein weiterer Sieg in Roland Garros wäre zugleich Nadals 14. Titel beim schwersten Turnier der Welt und damit würde er seinen eigenen Allzeit-Rekord von 13 auf 14 French Open-Siege erhöhen. Kein anderer Spieler hat seit Anbeginn im Jahr 1877 ein und dasselbe Grand Slam-Turnier mehr als achtmal gewonnen. Dies könnte Djokovic wiederum bei den Australian Open und Federer in Wimbledon brechen und damit zum zweiten Spieler in der Geschichte werden, der ein und dasselbe Grand Slam-Turnier neunmal gewann.

Aber zurück zu Nadal. Sollte dieser es schaffen, am Saisonende die Nr. 1 oder die Nr. 2 zu sein, wäre er der erste Spieler in der Geschichte ebenfalls seit Anbeginn im Jahr 1877, dem dies zwölfmal gelang und er wäre auch hier alleiniger Allzeit-Rekordhalter vor Federer (11). Nadal würde dann seine Punktzahl im Nr. 1 – Nr. 2 Ranking von 8,0 auf 8,5 erhöhen, wenn er die Saison als Nr. 2 abschließt, und auf 9, wenn er sie gar nochmals als Nr. 1 abschlösse (die Nr. 1 am Jahresende erhält einen Punkt, die Nr. 2 einen halben). Schon mit 8,5 wäre der Spanier auch in dieser Rubrik die ewige Nr. 1, siehe unten.

Djokovic: 311 Wochen die 1 im ATP-Ranking, die Saison als Nr. 1 abschließen und Grand Slam-Titel Nr. 18, vielleicht auch 19 und 20

Die Mission von Novak Djokovic (33,6 Jahre) für 2021 ist eine dreifache: Zunächst wird er versuchen, den Rekord von Federer zu brechen, der das 1973 eingeführte ATP-Ranking 310 Wochen (5,94 Jahre) lang anführte. Nole steht im Moment bei 301 Wochen, morgen werden es 302. Bleibt er bis zum 8. März die Nr. 1, kommt er auf 311 Wochen (5,96 Jahre) und hätte damit die ATP-Weltrangliste länger angeführt als jeder andere zuvor in den letzten 48 Jahren.

Dies könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein, denn Federer wird mit fast 40 Jahren sicher nicht mehr die Nr. 1 der Welt werden können und Nadal, dem es zuzutrauen wäre, nochmals die 1 zu werden, ist von diesen 311 Wochen mit 209 Wochen (4,0 Jahre) zu weit entfernt. Er müsste ja das ATP-Ranking nochmals für mindestens 102 Wochen, also rund zwei Jahre ununterbrochen anführen. Das ist mit dann fast 37 Jahren kaum machbar. Und ein anderer Spieler, der die Weltrangliste sechs Jahre lang non stop anführen könnte, ist weit und breit nicht in Sicht.

Zweites Ziel von Djokovic: Mindestens ein Grand Slam-Sieg, das wäre seine Nr. 18, besser zwei oder drei. Mit drei würde er in dieser wichtigsten aller Rubriken mit Federer und Nadal gleichziehen, so diesen kein 21. Major-Titel gelingt. Gewinnt er gleich im Februar die Australian Open, wäre das sein neunter Triumph dort und er wäre der erste Spieler nach Nadal, der ein und dasselbe Grand Slam-Turnier mehr als achtmal gewinnen konnte.

Drittes Ziel: Die Saison 2021 erneut als Nr. 1 abschließen, zum siebten Mal. Damit würde Djokovic an Sampras (6) vorbeiziehen und wäre hier alleiniger Rekordhalter mit 6,6, wenn wir die Saison 2020 wegen der 25 Wochen Pause und den vielen Turnierausfällen zu 60 Prozent zählen. Mit 6,6 läge er sogar vor Pancho Gonzales, Bill Tilden und William Renshaw, die hier auf 6,5 kommen und wäre in dieser Rubrik die ewige Nr. 1. (Die Ziffern nach dem Komma kommen zustande, wenn mehrere Spieler zugleich am Jahresende als Nr. 1 geratet wurden oder im Falle von Djokovic, wenn wir die Saison 2020, die 25 Wochen unterbrochen werden musste, zu 60 Prozent werten.)

Im Allzeit-Ranking Nr. 1 oder Nr. 2 des Jahres würde er dann mit 8,1 Punkten auch Federer und Nadal überholen, so keiner der beiden am Saisonende die Nr. 2 der Welt ist. Damit läge Djokovic in diesem ewigen Ranking auf Position 3, direkt hinter Pancho Gonzales, dem überragenden Spieler der 1950er und frühen 1960er Jahre und Bill Tilden, dem Größten der 1920er und frühen 1930er.

Drei Tennis-Titanen, drei historische Missionen: Wer wird am Ende die meisten Grand Slam-Turniere gewonnen haben?

Alle drei, Federer, Nadal und Djokovic, haben dieses Jahr also noch etwas vor, gleichsam historische Missionen. Und das Jahr dürfte auch unter diesem Aspekt hochinteressant werden, zumal die jüngeren Spieler, wie Thiem, Medvedev, Zverev, Rublev, Tsitsipas, Sinner etc. immer stärker werden und immer näher an die drei Galaktischen heranrücken, teilweise schon auf Augenhöhe sind. Diese haben aber auch dieses Jahr die Chance, Tennis- und Sportgeschichte zu schreiben. Und ich bin fast sicher, sie werden es tun.

In der wichtigsten aller Rubriken, der Anzahl der Grand Slam-Titel führen die drei Tennis-Titanen mit 20 (Federer und Nadal) und 17 (Djokovic) weit vor allen anderen. Sampras steht hier mit 14 auf Platz 4:

  1. Roger Federer: 20 (bei 31 Finalteilnahmen)
  2. Rafael Nadal: 20 (bei 28 Finalteilnahmen)
  3. Novak Djokovic: 17
  4. Pete Sampras: 14
  5. Roy Emerson: 12* (von 1961-1967 alle ohne Konkurrenz der spielstärkeren Profis)
  6. Rod Laver: 11**
  7. Björn Borg: 11
  8. Bill Tilden: 10*
*Roy Emerson, gewann alle seine 12 Titel in den Jahren von 1961 bis 1967, direkt vor der 1968 beginnenden Open Era. Das heißt, er errang alle seine großen Siege ohne Konkurrenz der spielstärkeren Profis. Emerson wurde in keinem einzigen Jahr seiner gesamten Karriere zu den zwei besten Spielern der Welt gezählt. Und es ist nicht klar, ob er überhaupt ein Grand Slam-Turnier gewonnen hätte, ganz sicher aber nicht annähernd 12, wenn die spielstärkeren Profis in seiner Zeit hätten antreten dürfen und er sich mit ihnen hätte messen müssen. Nachdem er 1968 selbst Profi wurde und zugleich die Open Era begann, gewann er nie wieder ein Major-Turnier. Insofern sollte man seine Grand Slam-Siege maximal zur Hälfte gewichten.

**Rod Laver gewann die 6 ersten seiner 11 Grand Slam-Titel ohne Konkurrenz der spielstärkeren Profis, dann wechselte er selbst zu diesen und war nun seinerseits fünf Jahre gesperrt. In diesen fünf Jahren gewann er 8 von 15 Pro Slam-Tournaments (53 Prozent), dann nochmals 5 voll zu gewichtende Titel in der Open Era. Insgesamt war Laver im Gegensatz zu Emerson klar benachteiligt durch die Sperre der professionellen Spieler, da er relativ früh ins Profi-Lager wechselte. Bei fairer und offener Austragung hätte Laver sicher mehr als 11 Grand Slam gewonnen, wahrscheinlich eher 13 bis 16.

***Bill Tilden spielte von 1916 bis 1930 als Amateur nicht 60 (15 mal 4), sondern nur 23 Grand Slam-Turniere, von denen er 10 (43,5 Prozent) gewann. Zu den sehr weit entfernten australischen Meisterschaften reiste er niemals an. Die Französischen Meisterschaften fielen bis 1919 auf Grund des Ersten Weltkriegs aus, dann waren bis Mitte der 1920er Jahre nur französische Spieler zugelassen. Erst 1927 trat Tilden mit 34 Jahren erstmals in Paris an und erreichte bei seinen drei Starts bis 1930 jedes Mal mindestens das Halbfinale, zweimal das Finale. Auch in Wimbledon konnte Tilden von 1916 bis 1930 in diesen 15 Jahren nur sechsmal antreten, erreichte jedes Mal mindestens das Halbfinale und gewann das Turnier dreimal. Ab 1931 spielte Tilden bei den Profis und gewann dort drei weitere Majors (Pro Slam-Turniere), zuletzt mit 42 Jahren. 1945 erreichte er bei den U.S. Pro mit 52 Jahren nochmals das Halbfinale. 

Pancho Gonzales, einer der größten Spieler aller Zeiten, fehlt in dieser Liste, da er direkt nach seinem zweiten Grand Slam-Titel bei den US-Meisterschaften 1949 bereits mit 21 Jahren ins Profi-Lager wechselte und dann über 18 Jahre lang bei allen Grand Slam-Turnieren nicht spielberechtigt war. Von 1950 bis 1967 startete er bei 26 Pro Slam-Tournaments und gewann davon 12 (über 46 Prozent). Als die Grand Slam- und auch viele andere Turniere im April 1968 endlich auch für Profis geöffnet wurden und Gonzales nun auch wieder an Grand Slam-Events teilnehmen konnte, war er bereits 40 Jahre alt und erreichte 1968 bei den French Open das Halbfinale, schlug dort im Viertelfinale den 31-jährigen Titelverteidiger Roy Emerson, der sich nun erstmals den Profi-Spielern stellen musste. Und bei den US Open erreichte der 40-jährige Gonzales, 20 Jahre nach seinem ersten Sieg dort als Amateur, nochmals das Viertelfinale. 

Tilden, Gonzales und Laver hätten, wenn die besten Spieler der Welt zu ihrer Zeit alle hätten antreten dürfen und können, alle drei sicherlich weit mehr als 10 oder 11 Grand Slam-Titel geholt, im Falle von Laver wohl um die 15 (13 bis 16). Im Falle von Tilden und Gonzales ist es sehr schwer einzuschätzen, aber sie hätten eventuell sogar deutlich mehr als 15 Grand Slam-Titel gewinnen können.

Nadal und Djokovic haben zugleich noch die Chance, weitere historische Rekorde zu brechen

In der Allzeit-Rangliste, wer wie oft die Nr. 1 oder 2 am Jahresende war, könnten vor allem Djokovic und Nadal nochmals nachlegen und sich hier trotz der ständigen gegenseitigen Konkurrenz noch weiter nach vorne schieben. (Die Nr. 1 des Jahres erhält in diesem Ranking einen Punkt, die Nr. 2 einen halben. Wenn zwei Spieler am Jahresende auf 1 eingestuft wurden, erhalten beide 0,75 Punkte, wenn zwei Spieler zusammen Position 2 belegten, erhält jeder 0,25 Punkte). Die Saison 2020* wurde wegen der vielen Turnierausfälle in der 25-wöchigen Pause nur zu 60 Prozent gezählt.

  1. Pancho Gonzales: 8,25 Punkte (6,5 – 3,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
  2. Bill Tilden: 8,25 Punkte (6,5 – 3,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
  3. Roger Federer: 8,0 Punkte (5 – 6) – 11 Jahre in den Top-Zwei
  4. Rafael Nadal: 8,0 Punkte (5 – 6) – 11 Jahre in den Top-Zwei
  5. Ken Rosewall: 7,25 Punkte (4,5 – 5,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
  6. William Renshaw: 7,25 Punkte (6,5 – 1,5) – 8 Jahre in den Top-Zwei
  7. Novak Djokovic: 7,1 Punkte (5,6* – 3) – 8,6 Jahre* in den Top-Zwei
  8. Rod Laver: 7,0 Punkte (6 – 2) – 8 Jahre in den Top-Zwei
  9. Pete Sampras: 6,25 Punkte (6 – 0,5) – 7 Jahre in den Top-Zwei
  10. Don Budge: 5,67 Punkte (4,33 – 2,67) – 8 Jahre in den Top-Zwei

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