Von Jürgen Fritz, Mi. 09. Dez. 2020, Titelbild: Public domain, via Wikimedia Commons
Wer waren die größten Tennisspieler aller Zeiten? In Teil eins (1877-1929), Teil zwei (1930-1969) und drei (1970-1999) wurden die Anfänge im 19. Jahrhundert beleuchtet, dann das gesamte 20. Jahrhundert. Im 21. Jahrhundert überragen drei Namen alles, was es in den 125 Jahren zuvor gegeben hat: Federer, Nadal und Djokovic. Hier die besten Spieler einer jeder Saison von 2000 bis 2020.
Spieler des Jahrzehnts der 2000er Jahre: Roger Federer
Im September 2002 bestritt der große Pete Sampras sein letztes Match, als er – wie exakt zwölf Jahre zuvor an gleicher Stelle – erneut Andre Agassi im Finale der US Open besiegte. Dies sollte sein letztes Match auf der Profi-Tour bleiben. Nur zehn Monate später betrat der nächste Superstar des weißen Sports nicht nur die Bühne, sondern das Podest der ganz Großen. Er sollte sogar Sampras noch überflügeln. Hier zunächst die für jede Saison zwei besten Spieler der Welt. Wie immer gilt: Für jedes Jahr, in dem ein Spieler die Nr. 1 war, erhält er einen Punkt, für jedes Jahr, in dem er am Ende die Nr. 2 war, einen halben. Sind es mehrere Spieler zugleich, so werden die insgesamt 1,5 Punkte für jede Saison auf sie aufgeteilt.
2000: 1. Kuerten, 2. Safin, (3. Sampras)
2001: 1. Hewitt, 2. Kuerten, (3. Agassi)
2002: 1. Hewitt, 2. Agassi, (3. Safin)
2003: 1. Roddick, 2. Federer, (3. Ferrero)
2004: 1. Federer, 2. Roddick, (3. Hewitt)
2005: 1. Federer, 2. Nadal, (3. Roddick)
2006: 1. Federer, 2. Nadal, (3. Davydenko)
2007: 1. Federer, 2. Nadal, (3. Djokovic)
2008: 1. Nadal, 2. Federer, (3. Djokovic)
2009: 1. Federer, 2. Nadal, (3. Djokovic)
Insgesamt: 1. Federer 6,0 – 2. Nadal 3,0 – 3. Hewitt 2,0

Roger_Federer_(26_June_2009,_Wimbledon)_2.jpg: Squeaky Knees from Cornwall, UKderivative work: TW-RF, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons
Die einzige Begegnung der zwei größten Wimbledonspieler aller Zeiten
Nur ein einziges Mal trafen die beiden aufeinander und zwar – gäbe es einen passenderen Ort für den größten Spieler des letzten Jahrzehnts der 19. Jahrhunderts gegen den kommenden neuen Champion, der sich zum Jahrhundert-Spieler entwickeln sollte? – in Wimbledon im Jahre 2001. Pete Sampras war damals 29 Jahre alt, Titelverteidiger und die Nr. 6 der Welt. Roger Federer (*1981) ist fast auf den Tag genau zehn Jahre jünger, war damals also 19 und die Nr. 15 in der Weltrangliste.
Im Januar hatte er ein kleines Turnier gewonnen, war ansonsten aber noch nicht großartig aufgefallen. Er bewegte sich unglaublich locker und elegant, aber mir schien, als ob ihm die Turnierhärte und der Kampfspirit fehlen würde. Auch wusste er irgendwie manchmal nicht so richtig, was er mit seinem riesigen Schlagrepertoire anfangen, wann er welchen Schlag einsetzen sollte. Irgendwie wirkte er zwar sehr talentiert, aber ohne klares Konzept und irgendwie nicht hart genug, um ganz an die Spitze zu kommen. Doch an diesem Tag solle der junge Schweizer seinen ersten ganz großen Erfolg feiern. Denn er schlug, nein, er rang den großen Pete Sampras, den siebenfachen Wimbledon-Champion in fünf Sätzen nieder. Danach fiel er auf Knie, konnte es nicht fassen, brach in Tränen aus. Zwei Tage später verlor er gegen den starken Tim Henman in vier Sätzen. Ich glaube, er war irgendwie noch damit beschäftigt, seinen Sieg gegen Sampras zu realisieren. Aber das machte nichts, seine Zeit sollte kommen.
Dreimal drei Grand Slam-Titel in einer Saison plus jeweils der Sieg bei den ATP Finals
Und sie kam. Genau zwei Jahre später, wieder in Wimbledon schlug Federer das nächste ganz große Kapitel seiner Karriere auf. Er gewann das Turnier und damit seinen ersten Grand Slam-Titel mit 21 Jahren, ein Monat vor seinem 22. Geburtstag, gab im gesamten Tournament nur einen einzigen Satz ab. Danach war er erneut erstmals geschockt und musste sich von diesem Sieg erholen. Doch gegen Ende des Jahres war der Schock überwunden und er gewann auch noch die ATP Finals zum ersten Mal, deklassierte Andre Agassi, damals die Nr. 5 der Welt, im Endspiel mit 6:3, 6:0, 6:4. Jetzt war er die Nr. 2 der Welt und auch dabei sollte es nicht lange bleiben.
Das Jahr 2004 ging in die Tennisgeschichte ein. Federer fegte von nun an nur so durch die Turniere, dann man ihn schnell den FedEx nannte. Er gewann in diesen zwölf Monaten 11 Turniere, vor allem aber drei der vier Grand Slams plus die ATP Finals. Das hatte keiner jemals zuvor geschafft. Rod Laver hatte 1969 schon in der Open Era, also unter Konkurrenz sämtlicher Spieler, alle vier Grand Slam-Turniere in einer Saison gewonnen. Jimmy Connors hatte 1974 auch drei Grand Slam-Titel geholt, aber nicht auch noch die ATP Finals oben drauf. Federer hatte in diesem Jahr eine Match-Bilanz von 74:6. Nur zwei wichtige Titel gingen ihm durch die Lappen:
Bei den French Open verlor er gegen den dreimaligen Roland Garros-Champion Gustavo Kuerten, der an diesem Tag einfach großartig spielte, ein perfektes Match hinlegte. Und Federer verlor bei den Olympischen Spielen enttäuschend gleich in der zweiten Runde gegen den jungen Tomas Berdych, von dem man in den folgenden Jahren noch einiges hören sollte, der es sogar bis ins Wimbledonendspiel schaffen würde. Ansonsten war dies eine Saison zum Zunge schnalzen. Schon am 2. Februar hatte er nach seinem ersten Australian Open-Sieg Andy Roddick als Nr. 1 der Welt abgelöst und sollte diese Position mehr als viereinhalb Jahre nicht mehr abgeben. Nach dieser Saison wurde er nun zum ersten Mal zum Weltsportler des Jahres gewählt.
Und fast genau so ging es 2005 weiter. Seinen Australian Open-Titel konnte er zwar nicht verteidigen, verlor dort im Halbfinale gegen einen bärenstarken Marat Safin mit 7:9 im fünften Satz, dafür schaffte er es jetzt bis ins Halbfinale bei den French Open, wo er dem knapp 19-jährigen Rafael Nadal (*1986) in vier Sätzen unterlag. Ansonsten folgten weiter Turniersiege, Turniersiege, Turniersiege. Wieder 11 in einem Jahr. Nur bei den ATP Finals (Tennis Masters Cup) verlor er im Finale mit 6:7 im fünften Satz gegen David Nalbandian, der eines seiner besten Spiele seines Lebens bestritt. Insgesamt gewann der Maestro aber noch mehr Matches als 2004, über 80, holte noch mehr Weltranglistenpunkte und wurde wieder zum Weltsportler des Jahres gewählt.
Aber selbst dieses Jahr toppte Federer 2006 nochmals. Jetzt gewann er sogar 12 Turniere, über 90 Matches, holte sich wieder drei von vier Grand Slam-Titeln plus die ATP Finals und schaffte es erstmals ins Endspiel von Roland Garros. Mehr geht eigentlich nicht mehr, bis auf einen nicht kleinen Schönheitsfleck: Im Finale der French Open kassierte er die einzig wirklich bedeutsame Niederlage des ganzen Jahres: wieder gegen Nadal in vier Sätzen, der sich mit 20 schon seinen zweiten Roland Garros-Titel holte. Natürlich wurde er wieder zum Weltsportler des Jahres gewählt. Platz machen in der Vitrine. Es geht noch weiter.
2007 wie gehabt: Alle Grand Slam-Titel außer den French Open plus der vierte Sieg bei den ATP Finals, wieder Weltsportler des Jahres. Einziges Ärgernis: der Spanier auf dem roten Sand von Roland Garros. Unschlagbar dort. Federer verliert wieder im Finale in vier Sätzen. Und was vielleicht noch beunruhigender ist: Nadal wird auch auf Rasen, Federers Lieblingsbelag, immer stärker. 2006 schlug Federer ihn im Wimbledon-Endspiel noch in vier Sätzen, musste kämpfen, war aber doch sichtbar der Bessere. Jetzt 2007 war es schon eng und man ahnte: Geht es so weiter, könnte Nadal Federer womöglich eher vom Wimbledon-Thron stoßen als Federer Nadal vom Roland Garros-Thron. Und so sollte es 2008 auch kommen. Aber zuerst noch schnell die vierte Wahl zum Weltsportler des Jahres mitnehmen. Noch hießt es King Roger, nicht King Rafa.
Nadal stürzt Federer vom Thron
Jetzt schreiben wir also das Jahr 2008. König Federer regiert seit vier Jahren, wie wir das in der Open Era noch nicht gesehen haben. In nur fünf Jahren hat er 12 Grand Slam-Titel geholt, mehr als Borg insgesamt!, plus 4 ATP Finals-Siege. Nur Sampras liegt jetzt noch vor ihm mit 14 Major-Titeln (plus 5 ATP-Finals-Siege). Doch 2008 wird schnell klar, die Zeit der absoluten Federer-Dominanz neigt sich ihrem Ende entgegen. Der fünf Jahre jüngere Spanier rückt immer näher an den Schweizer heran und dann taucht seit Ende 2007 noch ein anderer auf: ein Serbe namens Novak Djokovic (*1987). Bärenstark, unglaublich talentiert und voller Ehrgeiz, bei dem die Funken nur so sprühen. Ihm würde die nächste Dekade gehören, jetzt aber regieren noch Federer und Nadal. Oder schon Nadal und Federer?
Ab jetzt hat der Schweizer zwei Konkurrenten auf Augenhöhe (plus ein Schotte namens Andy Murray, der ihm ebenfalls immer wieder das Leben schwer macht). In den folgenden zwölf Jahren entwickelt sich ein Dreikampf (einige Jahre sogar ein Vierkampf), wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Die Drei räumen alles ab, was man nur abräumen kann, brechen Rekord um Rekord, gewinnen Titel um Titel, liefern sich Schlacht um Schlacht, Jahr für Jahr, Saison für Saison, Turnier für Turnier. Das Ganze auf einem Niveau und mit einer Konstanz, wie es die Welt nie zuvor sah.
Zunächst aber der erste kleine Schock für King Roger: Im Januar verliert er im Halbfinale bei den Australian Open glatt und chancenlos gegen den fulminant aufspielenden Novak Djokovic, der zwei Tage später seinen ersten Grand Slam-Titel gewinnt. Dann der nächste Schock. Federer schafft es wieder ins Finale der French Open, ist seit Jahren der zweitbeste Spieler auch auf Sand, kann in Paris aber niemals gewinnen, denn dort hat sich ein schier unüberwindlicher Monolith aufgebaut, an dem alles zerbricht, was sich mit ihm anlegt. Schlimmer aber, jetzt wird Federer von Nadal im Endspiel mit 6:1, 6:3, 6:0 regelrecht deklassiert. Nix mehr FedEx. Noch ist Federer die Nr. 1, aber Nadal ist jetzt ganz nah an ihm dran. In Wimbledon muss sich nun entscheiden, wer die Nr. 1 der Welt ist.
Nach den French Open findet Federer zurück zu seinem Spiel, gewinnt direkt nach den French Open das kleinere Rasenturnier in Halle – das bringt Selbstvertrauen – und marschiert dann durch das Turnier von Wimbledon ohne Satzverlust (!) bis ins Finale. Dort aber trifft er zum dritten Mal in Folge auf: Nadal. Und der ist nun mit 22 Jahren stärker als je zuvor. Vor zwei Jahren gewann Federer in vier, ein Jahr zuvor in fünf. Und nun?
Es wird eines der besten Matches, die je gespielt wurden. Beide sind in absoluter Top-Form. Der fünfmalige Wimbledon-Champion gegen den inzwischen viermaligen French Open Champion (und das mit 22 Jahren!). Und dieses Mal schafft es der Sandkönig, den Rasenkönig auf seinem Belag, in seinem Wohnzimmer zu besiegen. Nadal schlägt Federer in einem absolut hochklassigen, in einem Wahnsinns-Match nach 4 Stunden 48 Minuten mit 9:7 im fünften Satz. Rafa holt sich seinen ersten Wimbledon- und seinen fünften Grand Slam-Titel und ist einen Monat später, nachdem er in Peking auch noch die Goldmedaille im Herreneinzel gewinnt, die neue Nr. 1 der Welt.
Federer schlägt zurück, gewinnt den Karriere-Grand Slam und zieht bei den Major-Titeln mit Sampras gleich
Aber Federer schlägt direkt zurück, gewinnt im September die US Open zum fünften Mal in Folge, fegt dort im Endspiel über Andy Murray hinweg, der im Halbfinale den nach all diesen Erfolgen inzwischen müden Nadal niedergekämpft hatte. Ganz ohne großen Titel geht Federer, der nun die Nr. 2 ist, nicht aus dieser Saison. Und 2009 wird er er sich sogar die Nr. 1 von Nadal zurück holen, weil der Verletzungsprobleme bekommt.
Zunächst aber setzt Rafa auch 2009 seine Dominanz fort. Nachdem er zunächst auf Sand die gesamte Tennisszene dominierte, wie keiner vor ihm, nicht mal Borg, dann auch auf Rasen reüssierte, Federer in Wimbledon schlug!, schlägt er nun auch jeden auf Hartplatz. Nach Wimbledon 2008 gewinnt Anfang 2009 auch die Australian Open zum ersten Mal, schlägt Federer im Finale erneut in fünf Sätzen, nun aber sogar deutlicher als in London mit 6:2 im Fünften. Damit ist Nadal nun amtierender Champion von drei Grand Slam-Turnieren. Rafa ist auf seinem ersten absoluten Karrierehöhepunkt angekommen, doch dann spielen ihm die Eltern, die sich trennen, was ihn, den Familienmenschen, arg mitnimmt, und seine Knie einen Streich. Nach 31 Siegen in Folge verliert der Sandkönig zum ersten Mal überhaupt ein Match in Roland Garros. Ende Mai 2009 schlägt Robin Soderling den auf der roten Asche von Paris Unbezwingbaren.
Das ist die Gelegenheit für Federer, der in den Monaten zuvor viele Niederlagen einstecken musste – gegen Murray in Doha, gegen Nadal bei den Australian Open, wieder gegen Murray in Indian Wells, gegen Djokovic in Miami, gegen Wawrinka in Monte Carlo, gegen Djokovic in Rom. Aber nun ist Federer wieder voll da, gewinnt im Mai in Madrid, schlägt dort im Endspiel den schon leicht mit seinen Knien laborierenden Nadal auf Sand! Und nun ist Rafa sogar aus dem Turnier raus bei den French Open. Das ist Federers große Chance.
2005 an Nadal im Halbfinale gescheitert, 2006 an Nadal im Finale gescheitert, 2007 an Nadal im Finale gescheitert, 2008 von Nadal im Endspiel deklassiert worden und nun ist der Monolith weg! Ist umgefallen. Soderling hat den psychisch und physisch angeschlagenen Sandkönig weggeräumt. Jetzt ist der Weg frei zum Karriere Grand Slam. Gewinnt der Maestro die French Open, hat er jeden Grand Slam-Titel einmal geholt. Das schafften vor ihm in der Open Era nur Rod Laver 1969, der anschließend nie wieder ein Major gewann und zehn Jahre zuvor Andre Agassi. Sonst keiner! Connors nicht, Borg nicht, McEnroe nicht, Lendl nicht, Wilander nicht, Edberg und Becker nicht. Ja sogar Sampras schaffte das nicht. Er verlor in Paris jedes Mal. Aber Federer könnte es nun schaffen und einen weiteren Meilenstein seiner Karriere erreichen. Aber schafft er es? Halten die Nerven des 27-Jährigen dem stand?
Federer zieht tatsächlich ins Finale ein und fegt Soderling mit 3:0 Sätzen vom Platz. Erster Titel bei dem letzten Turnier, das ihm noch fehlte. Der Karriere Grand Slam ist geschafft. Als sechster Spieler in 130 Jahren Tennissport ist ihm dies gelungen, was zuvor nur Fred Perry 1935, Don Budge 1938, Rod Laver 1962, Roy Emerson 1964 gelang, da aber alles noch unter Ausschluss der spielstärkeren Profis, dann in der Open Era nochmals Rod Laver 1969, jetzt quasi auch der Profi-Grand Slam, und Andre Agassi 1999. Und noch etwas ist dem FedEx nun gelungen: Er hat seinen 14. Grand Slam-Titel. Damit hat der Schweizer mit Sampras gleichgezogen. Und jetzt kommt Wimbledon. Und Nadal ist verletzt! Die Knie sind so schlimm, dass er in Wimbledon nicht mal starten kann. Die Probleme sind so ernsthaft, dass er ans Aufhören denkt. Er gewinnt fast ein Jahr lang kein Turnier mehr. Kommt jetzt Major-Titel 15 für Federer in der Absenz von Nadal?
King Roger zieht an Pistol Pete vorbei und ist damit die alleinige Nr. 1 bei den Grand Slam-Titeln
Das Turnier beginnt. Federer ist gut in Form, Djokovic und Murray sind schon sehr stark, aber bei Grand Slam-Turnieren schaffen sie es noch nicht so richtig, Federer und Nadal auszuhebeln, und der Spanier fehlt. Federer marschiert ins Finale und trifft dort auf Andy Roddick, die Nr. 1 von 2013. Es ist bereits Roddicks drittes Wimbledon-Endspiel. 2003 verlor er in London im Halbfinale gegen Federer, 2004 und 2005 im Endspiel. Aber der FedEx fegt nicht mehr so über seine Gegner hinweg wie in seinen vier Superjahren 2004 bis 2007. Er ist jetzt angreifbar, menschlich. Immer noch top, aber nicht mehr vom anderen Stern. Und Roddick zwingt Federer tatsächlich in fünf Sätze. In diesem steht 6:6, geht in die Verlängerung. Im fünften Satz gibt es in Wimbledon aber keinen Tiebreak. Also geht es weiter, bis einer patzt und seinen Aufschlag verliert, der andere zwei Games Vorsprung raus arbeiten kann. Dann: Roddick hat es fast geschafft, er hat Breakball, stürmt ans Netz und – vergibt den Volley. Eigentlich ein leichter Ball. Das Feld ist offen. Er muss den Ball nur reindrücken, aber er drück ihn ins Netz. Federer wehrt Breakball ab und gewinnt mit 16:14 im fünften Satz.
Damit holt er seinen 15. Grand Slam-Titel und hat somit Sampras hinter sich gelassen. Jetzt gibt es nur noch einen auf dem Tennisthron im Olymp und der heißt: Roger Federer. Bei den US Open verliert er im Finale gegen einen Juan Martin Del Potro, der in der Form seines Lebens spielt, die er nie wieder ganz so wird erreichen können, aber das macht nichts. Federer ist wieder die Nr. 1 der Welt und ist zum fünften Mal Spieler des Jahres. Spieler des Jahrzehnts ist er ohnehin und in die neue Dekade startet er gleich mit einem Sieg bei den Australian Open 2010. Dann aber sind die Knie endlich voll ausgeheilt, der Kopf wieder frei und es meldet sich einer fulminant zurück.
Spieler des Jahrzehnts der 2010er Jahre: Novak Djokovic (und Rafael Nadal)
2010: 1. Nadal, 2. Federer, (3. Djokovic)
2011: 1. Djokovic, 2. Nadal, (3. Federer)
2012: 1. Djokovic, 2. Federer, (3. Murray)
2013: 1. Nadal, 2. Djokovic, (3. Ferrer & Murray)
2014: 1. Djokovic, 2. Federer, (3. Nadal)
2015: 1. Djokovic, 2. Murray, (3. Federer)
2016: 1. Murray, 2. Djokovic, (3. Raonic)
2017: 1. Nadal, 2. Federer, (3. Dimitrov)
2018: 1. Djokovic, 2. Nadal, (3. Federer )
2019: 1. Nadal, 2. Djokovic, (3. Federer)
Insgesamt: 1. Djokovic 6,5 – 2. Nadal 5,0 – 3. Federer 2,0

[1], CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
Nadals jäher Absturz ab Mitte 2009
Das Jahr 2009 hatte für ihn so gut angefangen. Zum ersten Mal startete er als Nr. 1 der Welt in die Saison, war bei jedem Turnier an 1 gesetzt. Und er bestätigte direkt im Januar bei den Australian Open, dass er zu Recht dort stand und nicht mehr Roger Federer, den er dort im Endspiel in fünf Sätzen schlug. Nun war endgültig klar: Nadal kann jeden auf jedem Untergrund schlagen. Auf Sand sowieso, auf Rasen auch und nun auf Hartplatz. Im März folgte der Turniersieg beim B-Turnier in Indian Wells, ebenfalls auf Hartplatz. Dort schlug er nacheinander Nalbandian, Del Potro, Roddick und Andy Murray, alles absolute Weltklasse-Hartplatzspieler. Nun folgte die Sandsaison und hier war er nochmals deutlich stärker.
Das zeigte er gleich beim B-Turnier in Monte Carlo, das er zum fünften Mal gewann, mit Siegen über Murray und Djokovic, die Nr. 4 und die Nr. 3 der Welt. Die Woche darauf der fünfte Titel in Barcelona. Alles mit 22 Jahren! Und genau so ging es die nächste Woche in Rom (B) weiter. Wieder zog er ins Finale ein und wieder hieß der Gegner, wie in Monte Carlo, Novak Djokovic, seit 2007 schon die Nr. 3 der Welt. Nadal schlug den Serben erneut, sogar glatt in zwei Sätzen. Vierter Rom-Titel. Die Saison war gerade erst gut vier Monate alt und er hatte in 2009 bereits fünf Turniere gewonnen, ein Grand Slam-Turnier und drei Masters 1000. Er war zudem aus 2008 amtierender French Open- und Wimbledon-Champion und Goldmedaillengewinner von Peking. Die letzten zwölf Monaten waren der reine Wahnsinn! Aber die nächsten zwölf sollten eher das Gegenteil werden.
Das Vier-Stunden-Match, das auf die Knie ging
Vielleicht war er etwas überspielt, vielleicht war es einfach Pech, wer weiß? Zunächst sah alles noch ganz normal aus in Madrid (B). Ohne große Mühe zog er dort ins Halbfinale ein, traf dort erneut auf Novak Djokovic. Doch der wollte sich dieses Mal nicht so einfach besiegen lassen. Es entwickelte sich ein Marathonmatch, eines der längsten Drei-Satz-Spiele aller Zeiten. Unendlich lange und harte Ballwechsel. Keiner von beiden gar auch nur einen Millimeter nach und Djokovic war an diesem Tag absolut gleichwertig, Game um Game, Satz um Satz, Stunde um Stunde. Der Serbe ließ dieses Mal einfach nicht nach.
Rafa zertrümmert seine Gegner normalerweise, gerade auf Sand. Mit seinen enormen Top-Spin-Schlägen, die die Bälle extrem hoch abspringen lassen, drückt er seine Gegner weit zurück. Die müssen enorm viel Kraft und Konzentration aufbringen, um dem standzuhalten. Nach ein, zwei Sätzen bricht dann fast jeder ein, kommt jetzt dauernd einen Schritt zu spät, steht nicht mehr richtig, hat nicht mehr genug Kraft und dann häufen sich die Fehler und Rafa gibt jetzt noch mehr Gas. Das ist für seine Gegner körperlich und psychisch zermürbend. Aber Djokovic ließ sich an diesem Tag nicht zermürben. Über mehr als vier Stunden lang hielt er dagegen. Ballwechsel um Ballwechsel. Punkt für Punkt. Den ersten Satz hatte Nadal 3:6 verloren, den zweiten gewann er im Tiebreak mit 7:5. Knapper geht kaum noch, doch der dritte Satz war sogar noch knapper. Wieder Tiebreak. Wieder 5:5 in diesem. 6:6, 7:7, 8:8. 9:9. Djokovic brach und brach nicht ein. Dann nach 4 Stunden und 3 Minuten endlich der verwandelte Matchball zum 11:9. Sieg. Aber das hat Energie gekostet. Und mehr als das.
Am nächsten Tag wartet schon Federer im Endspiel. Rafa fehlt nach diesem Vier-Stunden-Match natürlich die Frische, um schon am nächsten Tag wieder in Hochform spielen zu können. Er tritt aber an und kämpft, gibt das Match nicht einfach so ab. Vielleicht ein Fehler. Vielleicht hätte er sich lieber geschont. Aber das ist nicht seine Art. Natürlich verliert er das Match mit 4:6, 4:6. Das ist nicht schlimm. Ob fünf oder sechs Titel noch vor den French Open, das ist nicht sehr wichtig. Schlimm ist aber etwas anderes: Die Belastung war zu hoch für den Körper. Das sollte sich schon bald zeigen.
Die erste Niederlage in Roland Garros
Nach einer Woche Pause beginnt Roland Garros. Hier hat er noch niemals ein Match verloren und möchte seinen Titel verteidigen. Die ersten drei Runden marschiert er ohne Satzverlust durchs Turnier. Dann aber der erste große Rückschlag. Im Achtelfinale verliert Rafa gegen den furios spielenden Robin Soderling, der anschließend bis ins Endspiel durchstartet. Aber schon hier wird deutlich, Nadal bewegt sich nicht mehr so wie normalerweise. Später wird klar, seine Knie machen ihm zu schaffen, schwer zu schaffen. Patellasehnensyndrom. Ich kenne die Verletzung gut, hatte sie selbst und weiß: Sehnenverletzungen sind mit das Schlimmste, was es gibt für einen Sportler, weil Sehnen viel langsamer heilen als Knochen und Muskeln. Sein medizinisches Betreuerteam versucht alles, Rafa so schnell wie möglich wieder fit zu kriegen. Wimbledon steht vor der Tür. Der French Open-Titel ist bereits weg, in London ist er ja ebenfalls Titelverteidiger. Aber es geht nicht. Der Körper will nicht. Nadal kann in Wimbledon als Titelverteidiger nicht mal antreten. Dort gewinnt Federer seinen sechsten Wimbledon- und seinen 15. Grand Slam-Titel. Und Rafa kann sich als Titelverteidiger nicht einmal wehren.
Innerhalb von ein zwei Monaten hat das Blatt sich vollkommen gewendet. Eben noch ganz oben, nun beide Major-Titel weg, die Knie werden und werden nicht besser und dann wollen sich auch noch die Eltern trennen. Für den Spanier, ein absoluter Familienmensch, dem Familie über alles geht, eine Katastrophe. Während Federer in London triumphiert, liegt er zu Hause im Bett und weint. Alles tut weh. Der Körper und die Seele.
Rafas sensationelles Comeback in Monte Carlo, Rom und Madrid
Im August kommt er auf die Tour zurück, aber die Form, die er 2008 und bis Mai 2009 hatte, ist weg. Die Knie sind nicht hundertprozentig ausgeheilt und er kassiert Niederlage um Niederlage. In Montreal im Viertelfinale gegen Del Potro, in Cinicinatte im Halbfinale gegen Djokovic, bei den US Open im Halbfinale wieder gegen Del Potro, der in der Form seines Lebens ist und dann im Endspiel auch Federer schlägt. Und so geht es weiter bis zum Jahresende. Er spielt nicht schlecht, aber gegen die absoluten Spitzenspieler verliert er nun quasi jedes Mal. Auch die ersten drei Monate in 2010 wird es noch nicht besser. Gegen die Top-Acht gewinnt er ein Jahr lang kein einziges Match, fällt in der Weltrangliste nach fast fünf Jahren erstmals aus den Top-Drei auf Vier zurück.
Dann kommt der April und Monte Carlo. Sein Turnier. Fünfmal hat er es schon gewonnen. Wann kommt endlich die Form der Jahre von 2005 bis 2008 und von Anfang 2009 zurück? In Monte Carlo ist sie plötzlich wieder da. Er marschiert durch das Turnier ohne Satzverlust, schlägt Verdasco im Endspiel 6:0, 6:1, gibt im ganzen Turnier in fünf Matches nur 14 Games ab. Unfassbar! Doch das ist nur der Auftakt. Die Knie tun nicht mehr weh, der Schock mit der elterlichen Trennung ist überwunden und das Selbstvertrauen kehrt zurück. Nadal schafft etwas, was keinem zuvor gelang: Er gewinnt nun alle drei B-Turniere auf Sand, Monte Carlo, Rom und Madrid, schlägt dort im Finale einen stark spielenden Federer in zwei knappen Sätzen. Nun kommen die French Open. Seit über 16 Monaten hat er kein Major-Turnier gewonnen. Kann er die Siegesserie fortsetzen?
Drei Grand Slam-Titel in Folge oben drauf: Nadal ist wieder die Nr. 1 und Weltsportler des Jahres
Er kann. Und wie er das kann! Halten Sie sich bitte fest: Er gewinnt die French Open ohne einen einzigen Satz abzugeben. Sieben Matches, sieben mal 3:0. Im Finale revanchiert er sich bei Robin Soderling, der ihn im Vorjahr als erster Mensch in Rolang Garros geschlagen hatte, indem er ihm mit 6:4, 6:2, 6:4 deklassiert. Soderling hat gegen den in Bestform spielenden, gegen den gesunden Rafa nicht den Hauch einer Chance. Doch damit nicht genug. In Wimbledon treffen die beiden wenige Wochen später im Viertelfinale erneut aufeinander. Der schnelle Rasen kommt Soderling eigentlich entgegen. Aber Nadal schlägt ihn erneut, gewinnt auch gegen Murray im Halbfinale und gegen Berdych, den Federer-Bezwinger bei Olympia 2004, im Endspiel. Nadal holt sich 2010 beide Major-Titel, die er 2009 verloren hatte, wieder zurück. Er ist jetzt ganz klar wieder die Nr. 1 der Welt.
Aber es kommt noch besser. Weil er jetzt gerade so schön in Fahrt ist, gewinnt er zwei Monate später auch noch die US Open. Damit hat er nicht nur die drei wichtigsten Sandturniere nach Roland Garros nacheinander gewonnen, sondern auch drei Grand Slam-Turniere nacheinander. Drei Major-Titel in einer Saison, das schafften in der Open Era seit 1968 nur Rod Laver 1969 – der gewann sogar alle vier -, Jimmy Connors 1974, Mats Wilander 1988 und dann Federer gleich dreimal: 2004, 2006 und 2007. Und noch etwas hatte Nadal damit geschafft. Was im Jahr zuvor Federer mit: 27 Jahren endlich gelungen war, das erreichte Rafa nun mit nur 24 Jahren: den Karriere-Grand Slam. Mit seinem US Open Sieg Anfang Semptember 2010 hatte er nun jedes Major-Turnier mindestens einmal gewonnen. Außerdem etwas, was sonst außer ihm nur Agassi aufweisen kann: Bei allen Grand Slam-Turnieren triumphiert und die Goldmedaille im Herreneinzel der Olympischen Spiele gewonnen.
Die einzig unerledigte Aufgabe
Jetzt fehlte ihm nur noch eine einziger großer Titel: die ATP Finals (B+), das abgesehen von Olympia, fünftwichtigste Einzelturnier der Welt. Und in diesem sollte Nadal 2010 endlich auch ins Endspiel einziehen, mit Siegen über Roddick, Djokovic, Berdych und Murray. Dort wartete Roger Federer auf den Spanier. Hartplatz in der Halle ist der Belag, der Nadal mit Abstand am wenigsten liegt. Und das sollte sich auch hier wieder zeigen. Denn Federer zeigte sich in glänzender Verfassung und schlug Nadal mit 2:1 Sätzen. Dies war zugleich Federers fünfter ATP Finals-Titel, womit er den Rekord von Lendl und Sampras einstellte. Im nächsten Jahr sollte er sogar noch seinen sechsten Titel holen und damit bis heute auch diese Rubrik anführen.
Nadal aber schaffte es 2013 zwar nochmals ins Endspiel der ATP Finals, verlor aber auch dieses, nun gegen Djokovic, der ihm ab 2011 noch viel mehr zu schaffen machen sollte, als in den Jahren zuvor. Es blieb bis heute das einzige ganz große Turnier, das Nadal nie gewinnen konnte. Diese Saison 2010 war aber derart beeindruckend, dass der Spanier nach seinen drei Grand Slam-Siegen in einer Saison zum Weltsportler des Jahres gewählt wurde.

Novak Djokovic 2015 in Wimbledon, Carine06 from UK, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons
Djokovic schafft es endlich, an Federer und Nadal vorbeizuziehen
In einer Ära mit Federer und Nadal zu spielen, ist wohl schrecklich und wunderbar zugleich. Wunderbar insofern, weil es wohl für jeden mit das Größte ist, was es gibt, sich mit diesen beiden Ausnahmeathleten messen zu dürfen. Schrecklich insofern, weil sie allen anderen so viel große Titel wegschnappten. Andy Murray kann ein Lied davon singen, aber auch Andy Roddick, Tomas Berdych und viele andere, inzwischen Dominic Thiem, Alexander Zverev und Daniil Mevedev. So erging es die ersten Jahre auch Novak Djokovic (*22.05.1987). Der Serbe gehörte schon 2007 zur absoluten Weltspitze, war von 2007 bis 2010 viermal in Folge am Jahresende die Nr. 3 der Welt. Vor ihm waren immer Federer und Nadal oder Nadal und Federer. Doch das sollte sich in der neuen Dekade grundlegend ändern. Nicht schon 2010, aber dann ab 2011.
Bis dahin hatte der Djoker zwar schon einen Grand Slam-Titel geholt, nämlich den im Januar 2008 bei den Australian Open, aber dieses Kunststück, Federer und Nadal nochmals bei einem Grand Slam-Turnier hinter sich zu lassen, gelang ihm dann drei Jahre lang kein zweites Mal. Djokovic war seit Jahren der beste Spieler der Welt, abgesehen eben von den beiden Überspielern. Bis Ende 2010 lautete seine Matchbilanz gegen Federer: 6-13 und gegen Nadal 7:16. Über 68 Prozent der Partien gegen den Maestro verlor er, gegen Nadal sogar 70 Prozent. Das war im Vergleich zu allen anderen, die noch viel seltener gegen diese beiden gewannen, sogar gut, aber für ihn natürlich nicht befriedigend, zumal er gerade bei den Major-Turnieren fast immer verlor. Er war jetzt schon fast vier Jahre in der absoluten Weltspitze, aber noch immer war nicht klar, wie er das ändern könnte.
Bei den ATP Finals im November 2010 verlor er noch glatt in zwei Sätzen sowohl gegen Nadal als auch gegen Federer. Dann kam die Initialzündung, vielleicht schon mit dem Gewinn des Davis Cup mit Serbien Ende 2010. Denn nach der kurzen Winterpause kam ein anderer Djokovic aus dieser zurück, als wir ihn zuvor gesehen hatten. Er war nun schlagartig nochmals deutlich stärker und zog spielerisch an den beiden vorbei, hinter denen er all die Jahre immer zurückstehen musste. Die Saison 2011 sollte als eine der besten in die Geschichte eingehen, die je von einem Spieler absolviert wurden. Es begann schon mit den Australian Open im Januar. Nole marschierte durchs Turnier, gab nur einen einzigen Satz ab bis zum Halbfinale und schlug dort Federer mit 3:0 Sätzen, dann im Endspiel Murray ebenfalls glatt in drei. Drei Jahre nach seinem ersten ganz großen Triumph kam nun, keine zwei Monate nach dem Gewinn des Davis Cups, der zweite Major-Titel.
Nach siebeneinhalb Jahren gibt es erstmals eine Nr. 1 der Welt, die nicht Federer oder Nadal heißt
Und so sollte es weitergehen. Djokovic gewann das Turnier in Dubai (C), im Finale gegen Federer wieder ohne Satzverlust mit 2:0, in Indian Wells (B) mit Siegen über Federer im Halbfinale und Nadal im Endspiel, jeweils in drei Sätzen. Anschließend gewann er im März auch noch das B-Turnier in Miami, wieder gegen Nadal im Finale, den er im dritten Satz mit 7:6 niederrang. Inzwischen war klar: Djokovic ist der beste Hartplatzspieler der Welt. Doch es sollte noch krasser kommen. Denn im Mai schlug er Nadal nun sogar auf Sand im Endspiel sowohl in Madrid wie auch in Rom. Nadal konnte jetzt sogar nicht mal mehr einen Satz gegen Nole auf Sand gewinnen! Der hatte nun sogar den Dreh raus, wie man den Sandplatzkönig auf seinem Belag bezwingen kann. Beängstigend!
Bei den French Open stoppte dann Federer endlich Djokovics Lauf im Halbfinale, verlor dann aber selbst doch wieder das Endspiel gegen Nadal. Aber in Wimbledon marschierte der Djoker schon wieder bis ins Endspiel durch. Dort wartete wieder einmal Nadal, der zweimalige Wimbledon-Champion und Titelverteidiger. Doch Djokovic war in diesen Tagen einfach nicht zu stoppen. Er besiegte Rafa mit 3:1 Sätzen und holte sich seinen ersten Wimbledon-Titel. Bis 2019 sollte vier weitere folgen, womit er so viele Wimbledon-Titel errang wie Laurence Doherty und Björn Borg. Nur Roger Federer (8), Pete Sampras (7) und William Renshaw (7) in den 1880er Jahren gewannen auf dem heiligen Rasen öfter.
Dieser Wimbledon-Sieg 2011 bedeutete zugleich noch etwas anderes: Nachdem Djokovic sowohl die Australian Open wie auch die Wimbledon-Championships und vier der fünf Masters 1000-Turniere gewonnen hatte, war klar: Die Tenniswelt hat eine neue Nr. 1. Am 4. Juli 2011 zeigten die ATP-Computer erstmals seit sieben Jahren und fünf Monaten nicht Federer oder Nadal als Nr. 1 der Welt an, sondern nun den 24-jährigen Serben. Diese Position sollte er zwar ein Jahr später wieder abgeben für einige Monate an Federer, nach dessen siebtem Wimbledon-Sieg, und Nadal konnte Nole 2013 wieder überflügeln, als er nicht nur die French Open zum achten Mal für sich entscheiden konnte, sondern auch seinen zweiten US Open Sieg errang und zudem fünf der neun Masters 1000-Turniere, aber Djokovic errang in dieser Dekade immer wieder die Spitze des Rankings und führte es bis heute, im Dezember 2020, insgesamt 298 Wochen (5,7 Jahre) lang an, länger als jeder andere – mit einer Ausnahme: Roger Federer, der es auf 310 Wochen (über 5,9 Jahre) bringt.
Nun auch Djokovic: Drei Grand-Slam-Titel in einer Saison und 2014 bis 2016 in 24 Monaten acht der zehn wichtigsten Titel
Doch auch mit diesem Erfolg gab sich der Serbe noch nicht zufrieden. Anfang September folgte auch noch der erste Sieg bei den US Open. Damit hatte nun Djokovic das geschafft, was 2004 dem sechs Jahre älteren Federer und 2010 dem ein Jahr älteren Nadal geglückt war: drei Grand Slam-Titel in einer Saison. 2015 würde Djokovic dieses Kunststück dann wiederholen. Hierfür wurde er beide Mal zum Weltsportler des Jahres gewählt und zwei weitere Jahre auch noch.
Nach den US Open 2011 war bei dem Serben dann die Luft etwas raus, der Körper wurde müde, aber seine Jahresbilanz war sagenhaft: 10 Turniersiege, darunter drei der vier Majors (A) und fünf der neun Masters 1000er (B). Die Jahre 2012 bis 2014 spielte Djokovic nicht ganz so erfolgreich, gewann aber jedes Jahr einen Grand Slam-Titel und von 2012 bis 2015 viermal in Folge die ATP Finals. Das war keinem anderen zuvor je gelungen. 2015 würde er dann seinen Rekord aus 2011 sogar noch toppen mit 11 Turniersiegen, darunter wieder drei Grand Slam-Titel plus den der ATP Finals plus sechs B-Turniere. Von Wimbledon 2014 bis zu den French Open 2016 gewann Djokovic innerhalb von 24 Monaten sechs der acht Grand Slam-Turniere plus beide ATP Finals, also insgesamt acht der zehn wichtigsten Turniere. Unfassbar! Danach fiel er allerdings in ein tiefes Loch und brauchte volle zwei Jahre, bis Mitte 2018, da wieder ganz rauszukommen.
Federer und Nadal melden sich zurück und übernehmen wieder das Zepter
In der Zeit meldeten sich – beide nach Verletzungsproblemen 2016 – die zwei Altmeister wieder zurück und übernahmen nach dem kurzen, aber höchst beeindruckenden Intermezzo von Andy Murray im zweiten Halbjahr 2016, als dieser endlich mal nach ganz oben durchstürmte, ab Januar 2017 wieder das Kommando. Bei den Australian Open kam Federer, mit inzwischen nun 35 Jahren wie Phoenix aus der Asche und gewann das Turnier zum fünften Mal, nachdem er viereinhalb Jahre keinen Major-Titel mehr hatte gewinnen können. Im Finale standen sich dort nun wieder Federer und Rafa gegenüber und der Schweizer schlägt seinen Dauerrivalen und guten Freund mit 6:3 im fünften Satz eines hochklassigen Matches. In Paris holt der sich dann seinen zehnten French Open-Titel und Federer in Wimbledon seinen achten. Beides absolut einmalig. Doch es geht noch weiter. Nadal gewinnt dann im September auch noch die US Open zum dritten Mal und erhöht seine Grand Slam-Sammlung damit auf 16. Das heißt, auch Nadal hat mit seinen zwei Major-Turniersiegen 2017 den großen Pete Sampras hinter sich gelassen. (Und er wird 2018, 2019 und 2020 damit weitermachen). Federer steht da schon bei 19 Grand Slam-Siegen.
Aber selbst diese 19 reichen Federer noch nicht, der 2018 bei den Australian Open zum sechsten Mal zuschlägt und auf 20 A-Titel erhöht. Vier Monate später zieht Nadal bei den French Open wieder nach und erhöht auf 17. Und Nadal ist auch ganz nah dran, sich gleich auch noch seinen dritten Wimbledon-Titel zu holen, aber dann kehrt Djokovic plötzlich wie aus dem Nichts wieder in der absoluten Spitze auf, nachdem er eineinhalb Jahre nicht mehr mithalten konnte mit Nadal und Federer, und schlägt Rafa in einem grandiosen Halbfinale, dem vorweggenommenen Endspiel nach 5 Stunden 15 Minuten mit 10:8 im fünften Satz. Dies war wohl eines der besten Rasenspiele, die je gespielt wurden. Im Endspiel hatte Djokovic dann keinerlei Probleme mit Kevin Anderson, den er glatt in drei Sätzen besiegte und sich damit seinen 13. Major-Titel holte. Und der 14. sollte gleich bei den US Open 2018 folgen, der 15. bei den Australian Open 2019.
Nun wechselten sich nicht mehr Federer und Nadal bei den Grand Slam-Turnieren ab, sondern wieder Djokovic und Nadal. Dieser gewann 2019 die French Open zum zwölften Mal, wie schon 2018 erneut im Finale gegen Dominic Thiem, der sich inzwischen zum zweitbesten Sandplatzspieler entwickelt hatte. Dann kam Wimbledon. Zwölf Monate zuvor schaffte Djokovic nach zwei für ihn ausgesprochen schwachen Jahren hier sein großes Comeback. Im einem unglaublich hochklassigen Halbfinale hatte er, wie erwähnt, Nadal nach fünfeinviertel Stunden mit 10:8 im fünften Satz niedergerungen und anschließend seinen ersten Grand Slam-Titel nach 25 Monaten gewonnen. Doch selbst dieses Wahnsinnsmatch sollte nun noch getoppt werden.
13:12 im fünften Satz, das längste Wimbledonfinale aller Zeiten
Denn im Endspiel traf er wieder einmal auf den nunmehr fast 38-jährigen Federer, der im Halbfinale Nadal ausgeschaltet hatte. Und Federer war noch einmal in absoluter Top-Form, ja er war an diesem Tag der bessere Spieler, zwar nur minimal besser, das aber schon. Der Maestro wollte seinen eigenen Rekord von acht Wimbledonsiegen brechen und auf neun ausbauen sowie seine Grand Slam-Trophäen-Sammlung auf 21. Doch er sollte es nicht schaffen. Dabei war er so nah dran, näher geht im Grunde gar nicht mehr. Djokovic gewann den ersten Satz nach einer Stunde ganz knapp im Tiebreak mit 7:5, Federer den zweiten ganz klar mit 6:1. Dann aber gewann Nole auch den dritten Satz ganz knapp, wieder im Tiebreak. Federer lag mit 1:2 Sätzen zurück, ohne im gesamten Match auch nur einen einzigen Breakball zugelassen zu haben! Doch nun gewann er den vierten Satz mit 6:4. Fünfter Satz. Und da gibt es in Wimbledon keinen Tiebreak. Dieser fünfte Satz sollte in die Tennisgeschichte eingehen.
Djokovic schlug als erster auf, konnte immer vorlegen. Ein großer strategischer Vorteil im Entscheidungssatz. Federer musste also immer nachziehen, konnte bei 1:2 drei Breakbälle abwehren und zum 2:2 ausgleichen. Dann aber kassierte er das Break zum 2:4 und Djokovic konnte zum 5:2 aufschlagen. War es das gewesen? Nein, das war es noch nicht, denn Federer schaffte sofort das Re-Break zum 3:4 und glich anschließend aus: 4:4 im fünften. Alles wieder offen. Bei 4:5 serviert Federer gegen den Matchverlust und kann sein Service halten: 5:5. Bei 5:6 serviert er wieder gegen den Matchverlust, muss über Einstand gehen, kann seinen Aufschlag aber wieder halten: 6:6. Nach exakt vier Stunden Spielzeit muss Federer bei 6:7 erneut gegen den Matchverlust aufschlagen. Er kann seinen Aufschlag wieder halten und gleich aus zum 7:7. Und dann geschieht das, von dem jeder dachte, das müsse doch jetzt die Entscheidung sein: Federer breakt Djokovic zum 8:7 und kann jetzt selbst zum 9:7 zum Matchgewinn servieren. Die Spannung steigt ins Unermessliche. Holt der fast 38-Jährige seinen 21. Grand Slam-Titel?
Bei 8:7 und 30:15 schlägt Federer auf und serviert ein Ass. Zwei Matchbälle. Bei eigenem Aufschlag! Ich springe schon hoch und jubele. Das muss es doch gewesen sein. Ein guter Aufschlag noch. Oder eine gute Vorhand, dann ist es vorbei. Vier Stunden und elf Minuten sind gespielt. Die Zuschauer stehen schon auf und jubeln. Federer wird nun Tennisgeschichte schreiben, vielleicht schon mit dem nächsten Punkt. Aber Pustekuchen. Seine Vorhand geht knapp ins Aus. Okay, dann eben der zweite Matchball. 40:30. Federer greift an, stürmt an Netz, aber Djokovic passiert ihn mit einer Vorhand cross. Keine Chance, da dran zu kommen. 40:40. Jetzt aufpassen! Jetzt macht Djokovic Druck und Federer den Fehler. Breakball für Djokovic. Und dann noch ein Fehler von Federer. Die Vorhand geht ins Netz. Beide Matchbälle weg. 8:8 im fünften Satz. Die Partie geht weiter.
Jetzt legt Nole wieder vor und Federer muss bei 8:9 nachziehen, serviert wieder einmal gegen den Matchverlust, spielt großartig und kann ausgleichen: 9:9. Und so geht es weiter, Djokovic legt vor, Federer zieht nach: 10:10, dann 11:11. Und jetzt muss Djokovic bei seinem Aufschlag kämpfen: 40:40 und eine Vorhand von Federer geht ganz knapp ins Aus. „Der war nicht im Aus“, sagt Federer und lässt den Ball überprüfen. Die Kamera zeigt: Er hat tatsächlich die Linie noch berührt. In. Der Ball ist in! Breakball für Federer zum 12:11.
Aber Djokovic bleibt ganz cool, gibt sich jetzt keinerlei Blöße, wehrt den Matchball sehr souverän ab und geht hat nun Spielball zum 12:11. Jetzt kommt wieder Federer, gleicht aus und greift bei Einstand mit einem langen Ball an. „Der war im Aus“, sagt nun Djokovic und lässt den Ball jetzt seinerseits überprüfen.
Der Ball war wieder auf der Linie. Erneut Breakball für Federer zum 12:11. Das zehrt an den Nerven von Djokovic: „Wieso trifft der jedes Mal genau noch auf die Linie?“
Aber der Djoker hat Nerven wie aus Stahl. Er greift an, geht ans Netz und wehrt auch diesen Breakball ab und geht mit 12:11 in Führung. Boris Becker kommentiert für das britische TV und antwortet auf die Frage, ob er eine gute Zeit habe, „Exzellent time. I enjoy every minute of it.“ Jetzt also wieder Federer bei 11:12. Der serviert nun ganz souverän zu Null durch zum 12:12. Gespielt nun 4 Stunden und 48 Minuten, damit schon jetzt das längste Wimbledon-Finale aller Zeiten.
Und nun setzt die neue Regel ein. Es wird auch im fünften Satz nicht mehr so lange weiter gespielt, bis ein Spieler zwei Games Vorsprung hat, sondern bei 12:12 gibt es einen Match-Tiebreak bis X. Tiebreak ist kein gutes Omen für Federer. Die Sätze eins und drei hat er beide im Tiebreak verloren und Djokovic ist bekannt für seine unglaubliche Nervernstärke und seine Steigerungsfähigkeit bei den Very-Big-Points. Und tatsächlich zieht Djokovic im matchentscheidenden Tiebreak auf 4:1 davon. Rogers Frau Mirka kann kaum noch hinsehen.
Der Serbe kann seinen Vorsprung halten und geht mit 6:3 in Führung. Nun hat er drei Matchbälle. Federer konnte die seinen bei 8:7 und eigenem Aufschlag beide nicht nutzen. Würde es Djokovic besser machen. Federer serviert bei 3:6 und eine Rückhand von Djokovic geht knapp ins Aus. 4:6. Aber nein, Djokovic lässt seinen Ball überprüfen und siehe da …
… dieses Mal war sein Schlag gerade noch so auf der Linie. Replay the point. Es bleibt beim 3:6, Federer hat nach wie vor drei, nicht zwei Matchbälle abzuwehren. Doch er verschlägt nach 4 Stunden und 57 Minuten seine Vorhand. Aus. Alles vorbei. Roger Federer verliert das längst Wimbledon-Finale aller Zeiten mit 3:7 im Tiebreak und damit mit 12:13 im fünften Satz und Novak Djokovic erringt seinen fünften Wimbledon-, seinen 16. Grand Slam-Titel.
Die schwerste Niederlage seit elf Jahren
Für Federer aber ist es die schwerste Niederlage seit seinem ersten verlorenen Wimbledon-Endspiel elf Jahre zuvor gegen Nadal, als dieser ihn kurz darauf als Nr. 1 ablöste. Federer machte in diesem Match 14 Punkte mehr als Djokovic (218-204). Er schlug zweieinhalb mal so viele Asse (25-10), machte weniger Doppelfehler, brachte den ersten Aufschlag öfter ins Feld, machte mehr Punkte, wenn der Erste drin war, und mehr Punkte mit seinem zweiten Service. Er breakte Nole siebenmal bei nur drei Gegenbreaks. Er war eigentlich in allen Belangen besser an diesem Tag – außer in einem: Der Djoker machte die Big-Points in allen drei Tiebreaks.
Er sollte Monate brauchen, dieses Match psychisch halbwegs zu verarbeiten für den Schweizer. In der Kabine soll er bitterlich geweint haben. Vielleicht war es seine letzte Chance, mit fast 38 Jahren noch einmal einen ganz großen Titel zu gewinnen, ja den größten von allen. Und auch Djokovic hat dieses Match so viel psychische Energie gekostet, dass er in den nächsten Monaten nicht mehr an seine absolute Top-Form anknüpfen kann. Bei den US Open verliert er die zwei ersten Sätze gegen Wawrinka, liegt auch im dritten zurück und muss dann aufgeben. Dort siegt nun wieder ein anderer.
Nadal gewinnt die US Open zum vierten, den Davis Cup zum fünften Mal und wird mit 33,5 Jahren der älteste Spieler des Jahres
Während Djokovic und Federer nach dieser wahren Tennisschlacht in den folgenden Wochen und Monaten nicht mehr ganz ihr Spitzen-Level erreichten, zeigte sich Nadal von der zweiten Wimbledon-Halbfinalniederlage, 2018 gegen Djokovic, 2019 gegen Federer, wenig beeindruckt. Er hatte ja schon die French Open zum zwölften Mal gewonnen und er spielte auch nach Wimbledon in glänzender Form weiter. Als Vorbereitungsturnier für die US Open spielte er nur die Kanada Open in Montreal, wo er im Endspiel des besten Spieler dieses Spätsommers schlug, der gerade einen phantastischen Lauf hatte und bei sechs Turnieren in Folge jedes Mal ins Endspiel vordrang: der Russe Daniil Medvedev. Doch der hatte gegen Rafa in Montreal nicht den Hauch einer Chance, verlor das Finale mit 3:6, 0:6. Dann kamen die US Open.
Djokovic und Federer gingen beide relativ früh aus dem Turnier, Nadal aber marschierte mit nur einem abgegebenen Satz durch ins Finale. Dort traf er erneut auf den Russen, der gerade in der Form seines Lebens spielte. Rafa gewann die ersten zwei Sätze und man dachte, jetzt sei es gelaufen. Wenn Nadal in einem Grand Slam-Finale mal zwei Sätze vorne liegt, gibt er das Match nicht mehr ab. Das hätten auch die meisten Spieler so gedacht und innerlich schon ein wenig aufgegeben. Nicht aber Medvedev. Der spielte völlig unbekümmert weiter, steigerte sich nochmals enorm und gewann die Sätze drei und vier. Im fünften Satz wurde es ein wahres Zitterspiel und wieder hochdramatisch. Auch dieses Match würde es eigentlich verdienen, ausführlicher geschildert zu werden, aber fassen wir uns kurz: Rafa behielt am Ende die Nerven und rang Medvedev nach 4 Stunden 51 Minuten mit 6:4 im fünften Satz nieder. Damit gewann er nicht zum vierten Mal die US Open, so oft wie McEnroe, sondern auch seinen insgesamt 19. Grand Slam-Titel. Nun lag er also nur noch einen ganz großen Sieg hinter Federer zurück, er zwei Monate zuvor in Wimbledon Titel 21 verpasst hatte.
Ende November gewann Nadals dann mit Spanien auch noch zum fünften Mal den Davis Cup (Federer und Djokovic gelang das mit der Schweiz bzw. Serbien nur je einmal). Dabei gab Rafa in seinen fünf Matches keinen einzigen Satz ab. Gleichwohl gab ihm die ATP hierfür keinen einzigen Weltranglistenpunkt, weil der Davis Cup wie die Grand Slam-Turneire von der viel älteren ITF (International Tennis Federation) veranstaltet wird und nicht von ihr selbst, während sie für ihren ATP Cup reichlich Punkte ausschüttet. Aber das ist ein anderes Thema. Bleiben wir bei Nadal. Der brach gleich noch einen Rekord. Mit seinen zwei Grand Slam-Siegen in Roland Garros, Paris und New York, seiner Finalteilnahme bei den Australian Open und dem Halbfinale in Wimbledon, außerdem den zwei gewonnenen Masters 1000-Tournaments in Rom und Kanada plus den Davis Cup-Sieg zum fünften Mal Spieler des Jahres und war mit 33,5 Jahren der älteste Spieler, dem dies je gelang. Doch das sollte Djokovic gleich ein Jahr später mit 33,6 Jahren toppen.
Resümee
Damit endete diese Dekade, in der zwei Spieler absolut dominierten. Novak Djokovic war fünfmal am Jahresende die Nr. 1, Rafael Nadal viermal. Nur Andy Murray, die ewige Nr. 4 hinter den phantastischen Drei, konnte sich 2016, als er eine großartige Saison spielte und zum zweiten Mal Wimbledon, zum zweiten Mal olympisches Gold im Einzel und zum ersten Mal die ATP Finals plus drei B-Turniere gewann, einmal dazwischen schieben. Roger Federer, der Spieler des Jahrzehnts der 2000er Jahre war am Jahresende immerhin viermal die Nr. 2 und viermal die Nr. 3. Ingesamt war er 15 Mal am Jahresende in den Top-Drei: fünf mal die 1, sechsmal die 2 und viermal die 3. Das ist einzigartig. Djokovic und Nadal waren aber in dieser Dekade absolut überragend, gewannen zusammen 28 der 40 Grand Slam-Turniere: Djokovic 15, Nadal 13, Federer weitere 5. Alle drei zusammen gewannen mithin 33 von 40 Grand Slam-Titeln (82,5 Prozent).
Noch krasser ist es, wenn wir den Zeitraum ab Wimbledon 2003 betrachten. In den 16,5 Jahren bis Ende 2019 gewannen Federer, Nadal und Djokovic 57 der 66 Grand Slam-Events (86,4 Prozent). Wir sehen quasi seit nunmehr 17 Jahren das Dreigestirn gegen den Rest der Welt und das Dreigestirn gewinnt dann mindestens 6:1 bis 7:1. So etwas gab es über einen so langen Zeitraum nie zuvor. Und so ähnlich sollte es 2020 weitergehen, aber doch nicht ganz, nur so ähnlich.
Die 2020er: Was wird kommen?
2020 (60 Prozent-Saison): 1. Djokovic, 2. Thiem (nicht Nadal), 3. Nadal
2021:
2022:
2023:
2024:
2025:
2026:
2027:
2028:
2029:
Djokovic gewinnt seinen achten Australian Open-Titel und dominiert den Beginn der Saison
Zunächst dominierte Djokovic, der sich von den Wimbledon-Anstrengungen inzwischen gut erholt hatte, das Geschehen vollkommen, gewann zunächst mit Serbien den Mannschaftswettbewerb (wofür ihm die ATP gleich 665 Punkte gut schrieb, während sie, wie erwähnt, für den sicherlich bedeutenderen Davis Cup keinen einzigen Punkt vergibt). Dann gewann der Djoker zum achten Mal die Australian Open – einmaliger Weltrekord aller Zeiten! – mit Siegen über Federer im Halbfinale und einem Endspielsieg über den Österreicher Dominic Thiem in einem großartigen Match, einem der besten der gesamten Saison. Das Finale über fast vier Stunden war absolut hochklassig und am Ende konnte sich Nole mit 6:4 im fünften Satz durchsetzen. Damit rückte er mit Grand Slam-Titel Nr. 17 wieder näher an Federer (20) und Nadal (19) heran.
Anschließend gewann der Serbe auch das C-Turnier in Dubai ohne große Mühe, zeigte sich in so guter Verfassung, dass er sogar davon sprach, das ganze Jahr ohne Niederlage überstehen zu können. Dann aber kam erstmal die Pandemie und ab Anfang März fast 25 Wochen Turnierpause. Diese nutzte Federer, der wie Nadal im Halbfinale der Australian Open ausgeschieden war, um sich zweimal am Knie operieren zu lassen. Der Schweizer bestritt nach Januar 2020 kein einziges Match mehr, will aber im Januar 2021 auf die Tour zurückkehren und will versuchen, doch noch Titel Nr. 21 zu gewinnen.
Als dann im August endlich wieder gespielt werden konnte, machte Djokovic genau so weiter, wie er im Februar aufgehört hatte. Er gewann das von Cincinnati nach New York verlegte Masters 1000 zur Vorbereitung auf die US Open und ging für diese als hoher Favorit ins Turnier, zumal Federer wegen seiner Verletzung fehlte und der Titelverteidiger Nadal wegen der Pandemie und weil er sich lieber auf die kurz darauf beginnenden French Open auf Sand vorbereiten wollte, absagte. Das war eigentlich die Chance für Djokovic, sich Grand Slam-Titel Nr. 18 zu holen und damit ganz nah an Nadal (19) heranzurücken. Doch es sollte ganz anders kommen.
US Open: Djokovics Disqualifikation und Thiems erster Major-Titel
Im Achtelfinale gegen Carreno Busta hatte Nole Probleme, zu seinem Match zu finden und den Gegner in den Griff zu bekommen. Bei 5:4 schaffte er das Break nicht zum 6:4 und kassierte anschließend sogar selbst ein Break zum 5:6. Nun schoss er verärgert einen Ball nach hinten weg und traf eine Linienrichterin genau auf den Kehlkopf. Diese brach zusammen und rang nach Luft, während Djokovic sich anschließend nicht unbedingt der Situation ganz angemessen verhielt. Wenngleich die Verletzung der Frau sicherlich nicht absichtlich geschah, so doch grob fahrlässig. Folglich musste er disqualifiziert werden. Dieses Vorkommnis so wie einige weitere Dinge, bei denen Djokovic während der Pandemiepause negativ auffiel, führten zu einem Bruch auch in seinem Spiel. Ab nun spielte er die ganze restliche Saison nicht mehr auf dem Niveau wie zu Beginn des Jahres.
Und nun war klar: Es würde einen neuen Grand Slam-Sieger geben und zwar erstmals einen, der nach 1988 geboren ist. Denn Federer, Nadal und nun auch Djokovic waren nicht da bzw. raus und auch alle anderen früheren Grand Slam-Sieger. Diese Gelegenheit nutzte Dominic Thiem, der als erster Spieler aus den 1990er-Jahrgängen ein Grand Slam-Turnier gewinnen konnte. Der Österreicher hatte schon 2018 und 2019 das Finale der French Open erreicht, dort aber immer gegen Nadal verloren. Außerdem stand er im Anfang Februar im Finale der Australian Open, wo er Djokovic knapp in fünf unterlag. Er hatte es also immer mit den zwei überragenden Spieler der letzten Dekade zu tun und immer auf deren Lieblingsuntergrund, Rafa auf Sand, Nole auf Hartplatz. Nun war seine Chance gekommen. Im Endspiel der US Open 2020 traf der 27-Jährige auf seinen Freund, den dreieinhalb Jahre jüngeren Deutschen Alexander Zverev.
Das Match war nicht immer hochklassig, Thiem fand die ersten zwei Sätze vor Nervosität kaum zu seinem Spiel, aber es sollte ungemein spannend werden. Wieder ging es über fünf Sätze und Thiem zitterte sich teilweise förmlich zum 8:6 Sieg im Tiebreak des fünften Satzes nach vier Stunden Spielzeit. Für Zverev, der eine 2:0 Satzführung hatte, und mehrfach so nah am Sieg war, war dies eine ungemein schmerzliche Niederlage, von der er sich mental nicht leicht erholen sollte. Dominic Thiem aber hatte es im vierten Grand Slam-Finale endlich geschafft, als Sieger vom Platz zu gehen.
Nadal will in Paris seinen 13. Roland Garros und seinen 20. Grand Slam-Sieg erringen
Nur zwei Wochen später begannen die von Mai/Juni auf September/Oktober verschobenen French Open. Auf diese hatte Nadal, der zwölffache Roland Garros-Sieger sein ganzes Augenmerk gelegt. Denn eines war klar: Es würde auf Grund der Verschiebung des Turniers wegen der Pandemie und des immens gedrängten Kalenders in diesem Jahr wohl keinem gelingen, sowohl die US Open als auch die French Open gewinnen zu können, Rafa war aber bei beiden Titelverteidiger. Also entschied er sich gegen die US und für die French Open, ging hier quasi All in. Doch das könnte ein Fehler gewesen sein, dachten viele, als im einzige Vorbereitungsturnier auf Sand in Rom schon im Viertelfinale gegen Schwartzman ausschied, gegen den er noch nie zuvor verloren hatte. Rafa ist dieses Jahr in Roland Garros zu knacken. Da waren sich alle sicher. Kaum Spielvorbereitung und dann die niedrigen Temperaturen im Oktober, die seine Top-Spin-Schläge immens entschärfen.
Doch wieder einmal sollte alles anders kommen. In Paris sahen wir sofort einen völlig anderen Nadal, der ohne Satzverlust mit 15:0 ins Halbfinale durchmarschierte. Dort traf er erneut auf den wirklich in glänzender Form spielenden Schwartzman, der ihn in Rom aus dem Turnier geworfen und im Viertelfinale den frisch gebackenen müden Thiem in fünf Sätzen niedergerungen hatte. Dieses Mal sollte aber anders ausgehen als in Rom. Nadal ließ dem kleinen Argentinier nicht den Hauch einer Chance und schlug ihn in 3:0 Sätzen. Nun kam es zum Traumfinale: Djokovic gegen Nadal. Die Nr. 1 gegen die Nr. 2 der Welt.
Rafa deklassiert Djokovic im Finale der French Open
Wenn diese beiden aufeinandertreffen, muss man eigentlich immer mit einem Fünf-Satz-Krimi rechnen, aber im Oktober 2020 war dem nicht so. Nadal zeige von der ersten Minute an eine derart herausragende und konzentrierte Leistung, dass Djokovic zu keiner Minute ein Mittel gegen diesen Nadal fand. Der erste Satz ging mit 6:0 an den Spanier, der an diesem Tag jeden einzelnen Big-Point machte. Auch im zweiten Satz änderte sich das Bild kaum. Rafa dominierte Djokovic völlig, der gar nicht mehr wusste, was er gegen einen so furios spielenden Gegner machen soll. Auch dieser Satz ging glatt mit 6:2 an Nadal. Im dritten Satz bäumte sich der Djoker noch einmal auf, versuchte sich gegen die vernichtende Niederlage zu stemmen und schaffte es immerhin noch zum 5:5. Aber dann legte Nadal nochmals eine Schippe drauf und gewann seinen 13. Roland Garros-Titel mit einem Finalsieg in Höhe von 6:0, 6:2, 7:5. Bei diesem Ergebnis musst man sich die Augen reiben. Wann hatte Djokovic zuletzt ein großes Match so hoch verloren? Nadal aber hat damit mit Roger Federer gleichgezogen. Beide haben nun 20 Grand Slam-Titel und führen nun deutlich vor Djokovic mit 17 und Sampras mit 14.
Die Wachablösung kündigt sich an
Ende 2020 bei den ATP Finals wurde aber etwas deutlich. Mit Dominic Thiem hatte im September erstmals überhaupt ein Spieler aus den 1990er Jahrgängen ein Grand Slam-Turnier gewinnen können (Jahrgang 1993). Bei den US Open hatte er zwar keine Konkurrenz von den abwesenden Nadal und Federer und Djokovic wurde im Achtelfinale disqualifiziert, aber Thiem hat genau wie Medvedev bei den ATP Finals sowohl Nadal als auch Djokovic geschlagen, die beide im Halbfinale ausschieden. Medvedev (Jg. 1996) schlug dann im Endspiel Thiem. Dabei zeigten insbesondere diese Zwei, dass sie inzwischen die Spielstärke besitzen, um mit den Großen Drei auch bei den Major-Turnieren auf Augenhöhe mitzuhalten. Alexander Zverev (Jg. 1997), der 2020 das Halbfinale bei den Australian Open und das Finale bei den US Open erreichte und 2018 bereits die ATP Finals gewann, dürfte zumindest nah dran sein, nun auch ein A-Turnier zu gewinnen. Ähnliches gilt für den ATP Finals-Sieger von 2019 Stefanos Tsitsipas (Jg. 1998) und Andrey Rublev (Jg. 1997). Wir haben somit erstmals deutlich jüngere Spieler, die Djokovic, Nadal und Federer wirklich gefährlich werden können und zwar gleich fünf davon. Insofern dürften die nächsten ein, zwei Jahre sehr interessant werden, wie lange sich Nadal und Djokovic und 2021 vielleicht auch nochmal Federer noch ganz oben werden halten können. Der Duft der Wachablösung entfaltet sich die letzten Wochen und Monate zwar noch zart, aber doch vernehmbar. Schließlich sind Federer Ende 2020 nun 39,3, Nadal 34,5 und auch Djokovic bereits 33,5 Jahre alt.
Doch kommen wir nun zum Gesamtranking von über 140 Jahren Tennisgeschichte bezogen nicht auf die Grand Slam-Siege, sondern auf die Jahre als Nr. 1 oder Nr. 2 der Welt am Jahresende, wobei hier bedacht werden muss, dass insbesondere Federer, Nadal und Djokovic sich die Positionen 1 und 2 natürlich ständig gegenseitig wegschnappten, noch mehr und länger, als das frühere große Rivalen getan haben.
Gesamtranking 1877 bis 2020: Die größten Spieler aller Zeiten bezogen auf ihre Jahre als Nr. 1 und Nr. 2 der Welt
Wenn wir nun für die jeweilige Nr. 1 eines jeden Jahres jeweils einen Punkt vergeben und 0,5 Punkte für die jeweilige Nr. 2, für jedes Jahr also 1,5 Punkte für die zwei Besten der Saison, so ergibt sich folgende All-Time-Rangliste. Dabei gilt: Wenn zwei Spieler auf 1 sind, dann erhält jeder 0,75 Punkte, wenn es drei sind, dann jeder 0,5 Punkte und wenn zwei oder drei Spieler zugleich auf Position 2 sind, dann werden die 0,5 Punkte auf sie aufgeteilt.
Die zehn besten Spieler aller Zeiten, gemessen daran, wie oft sie das Jahr als Nr. 1 – Nr. 2 der Welt abschlossen (ist jeweils in Klammer angegeben), falls zwei Spieler eine identische Punktzahl haben, dann steht der vorne, der öfters auf Platz 3 war:
- Pancho Gonzales: 8,25 Punkte (6,5 – 3,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
- Bill Tilden: 8,25 Punkte (6,5 – 3,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
- Roger Federer: 8,0 Punkte (5 – 6) – 11 Jahre in den Top-Zwei
- Rafael Nadal: 8,0 Punkte (5 – 6) – 11 Jahre in den Top-Zwei
- Ken Rosewall: 7,25 Punkte (4,5 – 5,5) – 10 Jahre in den Top-Zwei
- William Renshaw: 7,25 Punkte (6,5 – 1,5) – 8 Jahre in den Top-Zwei
- Novak Djokovic: 7,1 Punkte (5,6* – 3) – 8,6 Jahre* in den Top-Zwei
- Rod Laver: 7,0 Punkte (6 – 2) – 8 Jahre in den Top-Zwei
- Pete Sampras: 6,25 Punkte (6 – 0,5) – 7 Jahre in den Top-Zwei
- Don Budge: 5,67 Punkte (4,33 – 2,67) – 8 Jahre in den Top-Zwei
*Die Saison 2020 wurde, da auf Grund der COVID-19-Pandemie 25 Wochen nicht gespielt werden konnte, Wimbledon (A), der Davis Cup, sechs der neun Masters 1000 (B) sowie etwa die Hälfte der C- und D-Turniere (500er und 250er Serie) komplett ausfielen, nur zu 60 Prozent gewertet. Djokovic, der 2019 Sampras in diesem speziellen All-Time-Ranking überholte, hat dieses Jahr nun also auch Rod Laver überholt, aber noch nicht Rosewall und Renshaw.
Die Plätze 11 bis 20:
11. Ivan Lendl: 5,25 Punkte (3 – 4,5) – 8 Jahre in den Top-Zwei
12. William Larned: 5,0 Punkte (3,67 – 2,67) – 7 Jahre in den Top-Zwei
13. Laurence Doherty: 5,0 Punkte (4,33 – 1,33) – 6 Jahre in den Top-Zwei
14. Björn Borg: 4,92 Punkte (3,5 – 2,83) – 7 Jahre in den Top-Zwei
15. Fred Perry: 4,75 Punkte (2,83 – 3,83) – 7 Jahre in den Top-Zwei
16. Jack Kramer: 4,67 Punkte (4 – 1,33) – 6 Jahre in den Top-Zwei
17. Ellsworth Vines: 4,5 Punkte (2,33 – 4,33 ) – 7 Jahre in den Top-Zwei
18. Bobby Riggs: 4,5 Punkte (3,5 – 2) – 6 Jahre in den Top-Zwei (unterbrochen von WK II)
19. John McEnroe: 4,25 Punkte (3 – 2,5) – 6 Jahre in den Top-Zwei
20. Anthony Wilding: 4,0 Punkte (2,5 – 3) – 6 Jahre in den Top-Zwei (dann kam Weltkrieg I)
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