CDU versuchte Leserbriefe zur Kampfabstimmung zwischen Sensburg und Merz zu verhindern

Von Jürgen Fritz, Sa. 20. Mrz 2021, Titelbild: DW-Screenshot

Rund 480 CDU-Delegierte aus dem Hochsauerlandkreis sollen im April bei einer Versammlung in einem Sportstadion entscheiden, ob sie den amtierenden Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg oder Friedrich Merz als CDU-Direktkandidat für die Bundestagswahl ins Rennen schicken wollen. Nun berichtet die Westfalenpost, dass sie diese Woche ein seltsamer Brief des CDU-Kreisvorsitzenden Hochsauerland erreichte.

CDU-Kreisvorsitzender: Bitte keine Leserbriefe mehr zur Kampfabstimmung zwischen Merz und Sensburg, das ist eine innerparteiliche Angelegenheit

Wie die Lokalzeitung Westfalenpost am Freitag berichtet, habe Matthias Kerkhoff, der CDU-Vorsitzende des Kreisverbandes Hochsauerland, die Zeitung schriftlich dazu aufgefordert, keine Leserbriefe mehr zu der Kampfabstimmung zwischen Friedrich Merz und Patrick Sensburg zu veröffentlichen. Kerkhoff schrieb gleich mehrere Lokalredaktionen der Westfalenpost an. Nach der Abstimmung am 17. April hätten die Leute ja „ausreichend Gelegenheit … sich zu äußern“, vorher aber sollen sie ruhig sein und das der CDU überlassen, denn:

„Es handelt sich um ein innerparteiliches Verfahren und mein Wunsch ist, dass die Mitglieder und Delegierten der CDU sich unvoreingenommen ein Bild von den Bewerbern machen können und anschließend entscheiden“,

so der Vorsitzende des CDU-Kreisverbandes, der auch Mitglied im Landesvorstand der CDU Nordrhein-Westfalen ist, die von Armin Laschet angeführt wird. Kerkhoff ist außerdem Landtagsabgeordneter in NRW. Weiter schreibt Kerkhoff:

„In der jetzigen Phase bitte ich zu respektieren, dass es sich um eine innere Angelegenheit der CDU HSK handelt, die selbstverständlich redaktionell begleitet werden kann.“

Matthias Kerkhoff

NRW-CDU-Screenshot

Westfalenpost lehnt diese Bitte ab und berichtet darüber, daraufhin erfolgt sofort Kerkhoffs Kehrtwende

Die Redaktion der Westfalenpost betonte hingegen, dass man auch weiterhin Leserbriefe abdrucken werde, „nachdem diese der üblichen Prüfung unterzogen wurden.“ Ebenso wie die redaktionelle Berichterstattung seien Leserbriefe Teil der Meinungsbildung.

„Dass im Vorfeld – auch von innerparteilichen – Kampfkandidaturen oder Kampfabstimmungen Medien Meinungsäußerungen zurückhalten, entspricht nicht unserem journalistischen Leitbild“,

so die Westfalenpost.

Am Freitagabend, nachdem die Westfalenpost über diesen doch sehr seltsam anmutenden Beeinflussungsversucht berichtet hatte, kam die Kehrtwende seitens des CDU-Kreisvorsitzenden. Kerkhoff entschuldigte sich nun plötzlich für seine Aussage.

„Eine Beeinflussung der Medien lag und liegt mir völlig fern.“

Gegenüber der Deutschen Presse Agentur soll er nun gesagt haben:

„Für mich ist die Freiheit der Presse eines der höchsten Güter unserer freien Gesellschaft. Dass meine Äußerung anders verstanden werden konnte, bedauere ich und bitte um Entschuldigung.“

Über die Frage, wer die Region künftig im Bundestag vertreten solle, werde „aktuell bundesweit diskutiert und umfangreich redaktionell berichtet“, so Kerkhoff. „Genau dies ist Auftrag der Medien und der politischen Willensbildung. Ich habe als Kreisvorsitzender meine Sorge äußern wollen, dass eine parteiinterne Debatte durch den vermehrten Abdruck von Leserbriefen noch weiter befeuert werden könnte.“

Die Westfalenpost ließ sich von diesem Versuch jedoch nicht beeinflussen und berichtete nun also sogar darüber.

Bereits die Wahl des CDU-Bundesvorsitzenden im Januar, bei der die Delegierten völlig konträr zum Wunsch der CDU-Mitglieder entschieden, mutete etwas seltsam an

Vor der Wahl des neuen Bundesvorsitzenden der CDU Anfang Januar hatten sich ca. 60 bis 70 Prozent der CDU-Mitglieder, in manchen Kreis- und Ortsverbänden sogar noch deutlich mehr für Friedrich Merz ausgesprochen, etwa 20 bis 30 Prozent für Norbert Röttgen und nur 8 bis 15 Prozent für Armin Laschet.

CDU-Kreisverband Frankfurt am Main Friedrich Merz on Twitter: "Vielen Dank für dieses Ergebnis! Ich freue mich  sehr über die große Unterstützung an der Basis der #CDU. (FM)… "

Die knapp tausend Delegierten wählten dann aber in einem Prozedere, das auf nicht wenige wie ein Schmierentheater wirkte, vollkommen konträr zum klaren Votum der ca. 400.000 CDU-Mitglieder und völlig entgegen dem Wunsch von damals noch rund 17 Millionen Unions-Anhängern Armin Laschet zum neuen CDU-Vorsitzenden, den weder die Unions-Wähler noch die CDU-Mitglieder und auch die CSU-Mitglieder nicht wollten.

Neueste Umfragen zeigen nun, dass Laschet bei den Anhängern der Union auf größere Ablehnung stößt als bei den Anhängern der Linkspartei (SED, PDS, PDS.Linkspartei + WASG = Die Linke) und dass nicht einmal jeder sechste Anhänger von CDU und CSU Laschet für den richtigen Kanzlerkandidaten der Union ansieht.

Im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute sind CDU/CSU seit Ende Januar – sicherlich aus mehreren Gründen (katastrophale Fehler in der Coronakrise, Maskenaffäre, sicherlich aber auch wegen der fehlenden Führung der CDU) – von über 36 auf nun ca. 29 Prozent zurückgefallen, ja brechen derzeit förmlich ein.

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