Von Jürgen Fritz, Mo. 18. Jan 2021, Titelbild: phoenix-Screenshot
Seit einem Jahr war der Wunsch der Wähler und Parteimitglieder klar. Bei jeder Befragung seither sagten sowohl die zuletzt 17 Millionen Unions-Anhänger als auch die 400.000 CDU-Mitglieder eindeutig, was sie von Armin Laschet halten, wen sie als neuen CDU-Vorsitzenden haben wollen und wen auf keinen Fall. Doch die knapp tausend Delegierten entschieden vollkommen anders. Die Entscheidung für Laschet fiel schon im Februar 2020 an ganz anderer Stelle.
A. Was die Unionswähler und CDU-Mitglieder wollten und wen sie überhaupt nicht wollten
a) Bereits Ende Februar 2020 antworteten alle Befragten, also auch diejenigen, welche die Grünen, die SPD, die AfD, die Linkspartei, die FDP oder eine andere wählen, auf die Frage „Welchem Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz trauen Sie am ehesten zu, die Partei in Zukunft erfolgreich zu führen?“ lediglich zu 21,8 Prozent Armin Laschet (Friedrich Merz 37,4 %, Norbert Röttgen 13,9 %). Bei den Anhängern von CDU/CSU waren es aber sogar nur 15,4 Prozent. (Friedrich Merz 63,1 %, Norbert Röttgen 12,8 %).
b) Ende April 2020 gaben dann sogar lediglich 3,8 Prozent der Unions-Anhänger an, dass sie Armin Laschet als Unions-Kanzlerkandidat als geeignet ansehen würden. Der NRW-Ministerpräsident, der als NRW-Ministerpräsident alle Möglichkeiten hatte, sich zu profilieren, lag schon da weit hinter Söder und Merz zurück.
c) Im Juli 2020 antworteten die Unionswähler auf die Frage, wer von beiden der neue Kanzler werden soll, Merz oder Laschet, zu 72 Prozent für Friedrich Merz, nur zu 28 Prozent Armin Laschet.
d) Im Oktober 2020 gaben von über tausend befragten CDU-Mitglieder lediglich 24 Prozent an, dass sie Armin Laschet präferieren würden, gegenüber 45 Prozent, die am liebsten Friedrich Merz haben wollten (Röttgen kam da nur auf 13 Prozent). 69 Prozent der CDU-ler sagten zugleich, dass sie Laschet als Kanzlerkandidat für ungeeignet halten. Und diejenigen, die Laschet für ungeeignet halten, wurden nicht weniger, sondern mit der Zeit immer mehr:
e) Im November 2020 hat die WirtschaftsWoche in Zusammenarbeit mit Civey in einem repräsentativen Entscheiderpanel Deutschlands Führungskräfte befragt, wen sie sich ab 2021 an der Macht wünschen. Bei den Personen standen sieben Personen zur Auswahl. Hier das Ergebnis:
- Friedrich Merz (CDU): 46,2 %
- Markus Söder (CSU): 25,5 %
- Christian Lindner (FDP): 24,4 %
- Olaf Scholz (SPD): 22,2 %
- Keiner der Genannten: 20,1 %
- Norbert Röttgen (CDU): 9,2 %
- Annalena Baerbock (Grüne): 6,6 %
- Armin Laschet (CDU): 5,5 %
- Weiß nicht: 4,6 %
Armin Laschet landete auch hier auf dem letzten Platz, noch hinter Annalena Baerbock.
f) Ende Dezember, Anfang Januar antworteten die Wahlberechtigten in Bayern auf die Frage: „Wer wäre Ihnen persönlich für das Amt des neuen CDU-Vorsitzenden am liebsten: Laschet, Merz oder Röttgen?“ lediglich zu 13 Prozent Armin Laschet (33 Prozent Friedrich Merz, 16 Prozent Norbert Röttgen).
g) Und auch noch Anfang/Mitte Januar antworteten von 100 Anhängern der CDU und der CSU auf die Frage: „Wenn Sie nur zwischen diesen drei Kandidaten wählen könnten: Wer ist Ihrer Meinung nach am ehesten dazu geeignet, der nächste CDU-Vorsitzende zu werden?“ gerade einmal 11 Armin Laschet (41 Friedrich Merz, 31 Norbert Röttgen).
h) Auf die Frage „Mit welchem Kanzlerkandidaten hätte die CDU/CSU bei der Bundestagswahl 2021 Ihrer Meinung nach die besten Chancen?“ antworteten die Anhänger von CDU und CSU:
- Markus Söder: 54 %
- Friedrich Merz: 21 %
- Norbert Röttgen: 8 %
- Jens Spahn: 7 %
- Armin Laschet: 4 %
- ein anderer / weiß nicht: 6 %
Auch hier landete Laschet auf dem letzten Platz, weit abgeschlagen hinter Söder und Merz, auch hinter Röttgen und Spahn.
Und selbst die Wähler der anderen Parteien sahen das so. Befragte man alle, also nicht nur Unions-Anhänger, so sagte selbst diese nur zu 4 Prozent, dass die Union mit Laschet als Kanzlerkandidat die besten Chancen hätten bei der Wahl:
- Markus Söder: 38 %
- Friedrich Merz: 19 %
- Norbert Röttgen: 11 %
- Jens Spahn: 9 %
- Armin Laschet: 4 %
- ein anderer / weiß nicht: 20 %
Auch die Mitgliederbefragungen, welche um die hundert Kreisverbände der CDU in den letzten Wochen und Monaten durchführten, wen sie als neuen CDU-Vorsitzenden haben möchten, Merz, Röttgen oder Laschet ergaben ein ganz eindeutiges Bild und das wohl in jedem einzelnen Kreis. Laschet kam wohl in kaum einem Kreis auch nur annähernd an 20 Prozent heran, während Merz regelmäßig Werte von 50, 60 teilweise 70 Prozent und mehr, einmal sogar über 90 Prozent erzielte.
Meist lag Laschet um die 15 Prozent …
… oft aber auch um die 10 Prozent oder sogar im einstelligen Bereich:
Kurzum, der Kreis derer in der CDU und in der CSU, die sich Laschet als neuen CDU-Vorsitzenden oder gar Kanzlerkandidaten der Union und kommenden Bundeskanzler wünschten, war seit fast einem Jahr durchgehend äußerst gering. Die überwältigende Mehrheit wollte die ganze Zeit Friedrich Merz. Norbert Röttgen kam auch nicht schlecht an, Armin Laschet aber wollten mindestens acht bis neun von zehn in der CDU nicht als Parteivorsitzenden und teilweise 19 von 20 nicht als Kanzlerkandidaten. Gleichwohl ist es genau der gestern geworden, den mindestens 80 bis 90 Prozent nicht wollten. Wie ist das möglich?
B. Wer wollte Laschet unbedingt?
Nun, die Entscheidung für Laschet als neuen CDU-Vorsitzenden ist wohl schon im Februar 2020 gefallen. Nicht in der Partei insgesamt, sondern in einem kleinen Führungskreis um Angela Merkel herum. Merkel wollte Laschet, so wie sie Ende 2018 Kramp-Karrenbauer gewollt und durchgesetzt hatte, damals in der Stichwahl mit 51,75 zu 48,25 Prozent gegen Merz.
Merkels Ziel war es immer, Merz unter allen Umständen zu verhindern. Von den M-Medien wird es oftmals so dargestellt, dass Merz etwas gegen Merkel hätte, weil sie ihn als Parteivorsitzende 2002 aus dem Amt als Unions-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag gedrängt hatte, das sie selbst übernehmen wollte. Natürlich hat das Merz damals sehr geschmerzt, weil er diese Aufgabe liebte und auch alles andere als schlecht ausfüllte. Aber inwiefern sollte Merz heute Merkel noch fürchten?
Angela Merkel wird Ende des Jahres keine Kanzlerin mehr sein. Merz möchte Kanzler werden, das ist klar. Wäre er erstmal in dem Amt, wäre Merkel nach vier bis acht Jahren natürlich nicht vergessen, aber ihr im Moment noch großer Schatten würde immer kleiner werden. Man denke an Kohl oder Schröder, wie schnell diese in der Größe ihres Ansehens doch sehr viel kleiner geworden sind, als sie diese Machtposition nicht mehr besaßen. Nein, Merz fürchtet Merkel nicht, sie aber ihn umso mehr. Weshalb? Weil sie schreckliche Angst hat, dass er ihren Kurs so nicht weiterführen, sondern in einigen essentiellen Bereichen zumindest kleinere Kurskorrekturen vornehmen würde.
Keine riesigen Veränderungen, das wäre gar nicht möglich, selbst wenn Merz wollte. Denn zuerst einmal müsste er sich ja stets mit der Partei abstimmen und mit der Schwesterpartei, der CSU. In der CDU mag er zwar einen Rückhalt haben von 60 bis 65 Prozent insgesamt, aber die anderen 35 bis 40 Prozent müssten ja immer mitgenommen werden. Und in der Führung der CDU sind die Kräfteverhältnisse nochmal andere. Da hätte Merz höchstens knapp 50 Prozent auf seiner Seite, gut 50 Prozent aber würden weiterhin den Merkel-Kurs fortführen wollen. Schon hier müsste Merz deutliche Kompromisse eingehen, denn praktische Politik bedeutet immer, dass man die Mehrheit mitnehmen muss. Niemand kann auf Dauer gegen die klare Mehrheit agieren und regieren, vor allem nicht gegen die Mehrheit in der Führungsspitze.
Sodann bräuchte auch Friedrich Merz einen Koalitionspartner. Und da bleiben derzeit wohl nur die Grünen oder aber die SPD, die mit Sicherheit aber keine Lust mehr hat auf einer vierte schwarz-rote Koalition in fünf Legislaturperioden. Schwarz-Gelb ist derzeit nicht realistisch, so schwach wie die FDP derzeit dasteht (bei ca. 6,5 Prozent aktuell). Mit den Grünen müsste also auch eine Merz-CDU wieder Kompromisse eingehen. Anders geht es gar nicht. Die Gefahr, dass die CDU unter Merz plötzlich einen völlig anderen Kurs einschlagen würde, ist also gar nicht real. Gleichwohl fürchtet Merkel Merz mehr als jeden anderen. Weshalb? Weil sie überhaupt keine Veränderung des Kurses möchte. Sie sähe das als Schmälerung ihres Vermächtnisses nach achtzehneinhalb Jahren an der CDU-Spitze und sechzehn Jahren als Kanzlerin an.
Merkel will unbedingt, dass ihr Kurs möglichst genau so weitergeführt wird. Und wer steht dafür am ehesten? Armin Laschet, so wie 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer. Deswegen sind diese beiden CDU-Vorsitzende geworden. Nicht weil sie so überragende Fähigkeiten hätten. Nicht weil sie die besten für das Amt waren oder sind. Nicht weil sie in der Partei und bei den Wählern am besten ankommen. Nein, weil Merkel und der Kreis der CDU-Führung um sie herum das so will. Und in diesen Führungskreis kam seit vielen Jahren kaum jemand, der a) inhaltlich nicht relativ nah an Merkel dran war und b) der ihr nicht gefährlich werden könnte, weil er sich nicht unterordnete.
Merkel mag keine starken Persönlichkeiten um sich herum. Seit über 20 Jahren hat sie alle, die ihr hätten gefährlich werden können, weggebissen, weggemobbt, wegintrigiert oder einfach auch nur weggekriegt, teilweise wegbefördert zum Bundespräsidenten oder zur EU-Kommissionspräsidentin: Merz, Koch, Guttenberg, Wulff, Röttgen, Bosbach, von der Leyen.
Merz und Röttgen kamen nun zurück. Und Merz, das wusste Merkel immer, war ihr gefährlichster Konkurrent, gefährlicher als Röttgen und alle anderen. Also war die Strategie seit Februar klar: Merz muss verhindert werden. Das Ressentiment kommt von Merkel, nicht von Merz. Dieser hat zwar immer wieder punktuell Kritik geübt die letzten Jahre, aber Merkel und die Bundesregierung oft auch gelobt für das, was sie gut machte. Und sie wäre für ihn schlicht keine Gefahr mehr, wenn er es geschafft hätte, die Wahl zum CDU-Vorsitz zu gewinnen und Bundeskanzler zu werden. Sein großer Konkurrent sitzt in München.
Und damit ist auch schon klar, weshalb Merkel in ihrer Kampagne Merz-verhindern einen sehr mächtigen Partner hatte. Denn Söder will entweder selbst Kanzler werden oder aber als CSU-Vorsitzender und Bayerischer Ministerpräsident zumindest möglichst großen Einfluss haben. Neben einem Armin Laschet ist es aber leichter zu glänzen als neben einem Friedrich Merz. Und Merkel fand natürlich schnell weitere wichtige Verbündete in ihrem Vorhaben Merz-verhindern, so Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich aber sehr zurückhielt und sehr fair verhielt, und so den Ministerpräsidenten von Schleswig Holstein Daniel Günther, der dem Linken Ramelow näher stehen dürfte als vielen CDU-Politikern, so in Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, ein ganz Merkelgetreuer, und in Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Spahn will selbst so schnell wie möglich ganz weit nach oben. Ihm kann es gar nicht schnell genug gehen. Schon 2018 war er sofort dabei, sich für den CDU-Vorsitz zu bewerben, sobald Merkel ihren Rückzug bekannt gab. Damals war Spahn gerade 38. Spahn ist ehrgeizig ohne Ende und auch er weiß, wer seine größten Konkurrenten sind die nächsten Jahre oder sein könnten: Söder und Merz. Deshalb ließ er sich auch ins „Team Laschet“ einbinden als dessen Nr. 2. Das Ziel war auch hier: Zuerst muss mal Merz weg. Spahns Hintergedanke dabei: Mit Laschet kann ich dann zu gegebener Zeit leichter fertig werden als mit Merz, wobei es hier sein kann, dass er Laschet unterschätzt, denn Laschet ist raffiniert und mit allen Wassern gewaschen.
Und in Laschet und Spahn haben sich nun die zwei Richtigen gefunden. Wenn man Laschet die Hand gibt, muss man hinterher nachschauen, ob man noch alle Finger hat, sagte kürzlich Karl Lauterbach. Der neue CDU-Vorsitzende und der Bundesgesundheitsminister arbeiten mit sämtlichen Tricks und Ösen, das hat man nicht nur auf dem 33. CDU-Parteitag gesehen.
Und sie haben die mächtige Angela Merkel hinter sich. Und noch etwas: Sie haben im Gegensatz zu Merz die M-Medien auf ihrer Seite, ja auch die SPD und die Grünen, welche wiederum die Medien weitgehend unter ihrer Kontrolle haben. Schauen Sie sich bitte an, was der inzwischen verstorbene, damalige SPD-Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Thomas Oppermann, letztes Jahr im Februar sofort sagte, als Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz ankündigte:
Die CDU-Mitglieder und die Unionswähler wollen Laschet nicht, aber Merkel wollte Laschet, der CDU-Führungskreis um Merkel herum wollte mehrheitlich Laschet, insbesondere Annette Widmann-Mauz, ihres Zeichens von Merkel inthronisierte Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt, die – na das ist ja aber günstig – zugleich die Vorsitzende der Frauen-Union ist, und dann, ohne dass wie in der Jungen Union eine Befragung unter zigtausenden Mitgliedern durchgeführt wurde, mal schnell verkünden wollte, „die Frauen-Union“ sei für Laschet. Das machten die anderen Damen in der Führung der Frauen-Union aber nicht mit, so dass Widmann-Mauz nur die Erklärung durchbrachte: Laschet oder Röttgen – Klammer auf: aber auf keinen Fall Merz!, Klammer zu. Dabei gab es selbst in der kleinen Führungsgruppe der FrauenUnion durchaus mehrere Damen, die für Merz optierten.
Und vor allem die M-Medien wollten zusammen mit den Grünen und der SPD Laschet. Röttgen wäre wohl auch gegangen, aber Merz wollten alle diese Gruppen zusammen verhindern. Und das haben sie alle zusammen mit vereinten Kräften geschafft. Wobei all diese Kräfte zusammen Laschet gerade mal auf 52,8 Prozent der Delegiertenstimmen brachten und Merz gegen diesen Gegenwind von Merkel, gegen die Mehrheit des CDU-Führungskreises, gegen die Grünen, gegen die SPD, gegen die M-Medien es immerhin auf 47,2 Prozent der Stimmen der Delegierten brachte.
Hätte es eine Mitgliederabstimmung gegeben, hätte Merz Laschet wohl mit 60 bis 65 Prozent zu 10 bis 15 Prozent regelrecht deklassiert. Ein zweiter Wahlgang wäre gar nicht notwendig gewesen. Norbert Röttgen wäre dann wohl mit 20 bis 30 Prozent Zweiter geworden, noch vor Laschet. So aber wurde Laschet in der Stichwahl mit 521 zu 466 Stimmen (52,8 zu 47,2 Prozent) gegen Merz gewählt.
C. Laschets Rede
Und weil all diese Vorarbeit von Merkel, CDU-Führungskreis, FrauenUnions-Führung, den Grünen, der SPD und vor allem der M-Medien vielleicht noch immer nicht gereicht hätte, entschied sich Jens Spahn – wahrscheinlich in Absprache im Armin Laschet, das darf zumindest vermutet werden – auch noch in die Fragerunde direkt vor der Wahl einzugreifen.
Natürlich war schon die Rede von Laschet äußerst raffiniert aufgebaut. Laschet sprach zum Einen mehr die Emotionen an als seine zwei Konkurrenten, zum anderen enthielt sie viele Fouls und hinterhältige Attacken gegen Merz. Merkels Kandidat baute sich um einen Begriff herum auf, der alles überstrahlte und verband: Vertrauen. Laschets Botschaft war: Ich bin einer, dem Sie vertrauen können.
Wie paradox diese Behauptung ist, zeigt folgender Umstand: „Nirgendwo in Deutschland vertrauen die Menschen ihrer Landesregierung so wenig wie in Nordrhein-Westfalen“, schreibt selbst das Redaktionsnetzwerk Deutschland und belegt dies mit einer aktuellen Forsa-Erhebung.
Nebenbei, hier war schon das erste Foul, die erste hinterhältige Attacke, setzte er gezielt seinen unmittelbaren Nachrednder Merz herab mit den Worten: „Die CDU und das Deutschland, das ich vor Augen habe, braucht keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden“. Laschet baute in seiner Rede, in der man durchaus so manche Bösartigkeit finden kann, folgende Assoziationskette auf:
- Enorm wichtig ist Vertrauen, dass einer sich auf den anderen verlassen kann, so wie mein Vater und seine Kumpels im Bergbau, die sich alle aufeinander verlassen können mussten.
- In Amerika ist genau dieses Vertrauen zerbrochen.
- Und das deshalb weil Trump polarisiert hat … (Subtext: Polarisierung ist schlecht, Merz ist ein Polarisierer, so wie Trump. Ich bin kein Polarisierer.)
- … indem er Zwiespalt und Misstrauen säte,
- indem er lügte, indem er Gift versprühte.
- Das kann auch bei uns passieren (schwarze Tür malen).
- Lübke wurde von den Rechten schon umgebracht.
- Ergo: Polarisierung ist böse – integrieren ist gut – Kompromisse sind gut (goldene Tür malen).
- Weiter so ist gut – denn Merkel war gut.
- Wer nicht so weiter machen möchte (Merz), möchte also nicht das Gute.
- Nach der Pandemie brauchen wir Vertrauen.
- Vertrauen kann man nur jemandem, der das Handwerkszeug der Politik der Mitte (integrieren ist gut) beherrscht.
- Die anderen zwei reden nur, ich als Ministerpräsident mache aber schon. (Anmerkung: ohne Regierungsamt können Röttgen und Merz natürlich nicht machen. Deswegen wollte Laschet auch die Wahl des CDU-Vorsitzenden so lange wie nur irgendmöglich hinauszögern, damit er sich immer länger als Macher profilieren könnte, während Röttgen und Merz dazu keinerlei Möglichkeit hatten.)
- Bei mir passen Worte und Taten zusammen, deswegen vertrauen mir die Menschen. (Anmerkung: Es gibt wohl kaum einen Politiker, bei dem Worte und Taten weniger zusammen passen als bei Armin Laschet, dazu gleich mehr.)
- „Die CDU ist keine One-man-show“, sondern ein riesiges Team, zu dem Sie zuhause vor dem Bildschirm dazugehören. Dazu eine Geste zu den Zuschauern hin, um diesen das Gefühl zu vermitteln, sie mit einzubinden und ein Wir-Gefühl zu erzeugen. ==> Hier wird ganz gezielt ein Gegensatz konstruiert: Wir versus „One-man-show“ ==> erster Stich gegen Merz.
- Wir müssen das Vertrauen in uns in der Mitte der Gesellschaft erhalten. Jens Spahn und ich sind die Mitte. (Subtext: Merz ist nicht die Mitte. Das könnte man auch anders sehen: Laschet steht klar links der Mitte, deswegen will ihn auch die SPD und sogar die Linkspartei und Spahn ist ein Opportunist und Karrierist. Männer der Mitte sind dagegen Norbert Röttgen und Friedrich Merz.)
- Die CDU und Deutschland brauche keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden … ==> zweiter Stich gegen Merz. Subtext: Du wirst von niemand gebraucht, weder von unserer Partei noch von unserem Land.
- … sondern brauche einen „Mannschaftskapitän, der führt und zusammenführt und eine Mannschaft, in der sich alle aufeinander verlassen können, wie tausend Meter unter der Erde“ . ==> Raffinierter Bezugnahme auf den Eingang der Rede mit seinem Vater, dem Bergarbeiter. Dieses Motiv zieht er mehrfach sehr geschickt heran.
- „Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung …“ ==> Was war denn diese gesamte Rede anderes als eine einzige große Inszenierung? Hat es je eine größere Inszenierung gegeben also diese? Was für eine solche, darüber wird gleich noch zu sprechen sein.
- „… aber ich bin Armin Laschet und darauf können Sie sich verlassen.“ ==> Inszenierung der eigenen Person pur. Und wieder das Suggerieren: Mir kann man vertrauen, ich bin vertrauenswürdig, auf mich kann man sich verlassen (Subtext: auf die anderen, besonders auf Merz nicht).
- Dann geht Laschet um das Pult herum und kommt nach vorne (Inszenierung?), zückt die Erkennungsmarke seines Vaters, den Bergarbeiters, als Glücksbringer und streckt sie in die Kamera (Inszenierung?). Gehen Sie bitte davon aus, dass hier jede Geste, jede Bewegung genau einstudiert war, auch die medienwirksamen Bilder, die hier erzeugt, wahrscheinlich vor dem Spiegel genau einstudiert wurden und dann über die M-Medien verbreitet werden.
- Sein Vater hätte ihm gesagt: „Sag den Leuten, sie können dir – Kunstpause – vertrauen.“ ==> Das geht direkt ins Unbewusste: Ich bin vertrauenswürdig. Mein Vater hat das gesagt, nicht ich. Und wer kennt mich besser als mein Vater? Ich bin die goldene Tür, Merz die schwarze.
- Und dann nochmals zur tieferen Verankerung: „Heute geht es um sehr viel.“ ==> Subtext: Es ist sehr wichtig, durch welche Tür Ihr heute gehen werdet.
- Und dann zur noch tieferen Verankerung: „Es geht um die für die Demokratie wichtigste Frage …“ ==> Ungeheure Bedeutungsaufladung.
- „… Wem vertrauen?“ ==> Die richtige Antwort auf diese Frage hat Laschet ja vorher selbst schon gegeben, indem er sich selbst als den Vertrauenswürdigen darstellte (inwiefern das stimmt oder eher genau das Gegenteil dazu gleich mehr). Dazu die genau einstudierte perfekt inszenierte Geste:
- Und dann als krönender Abschluss die wiederm perfekt inszenierte, genau einstudierte und geprobte Geste für die Medien, die dann kurz darauf fast überall erscheinen wird: „Das entscheiden heute Sie.“
Diese Rede war wirklich perfekt vorbereitet und inszeniert, fast wie von einem Schauspieler vorgetragen. Hier wie so oft gilt, Laschet sagt genau das Gegenteil dessen, was der Fall ist. Er ist im politischen Geschäft, in der Selbstvermarktung seit Jahrzehnten perfekt geschult. Und dann meldete sich nach der Vorstellungsrunde der drei Kandidaten ein anderer perfekter Selbstvermarkter zu Wort.
D. Spahns von hinten reingrätschen gegen Röttgen und Merz
Eigentlich sollte nach der Vorstellungsrunde eine Fragerunde stattfinden, in welcher CDU-Delegierte den drei Kandidaten nochmals Fragen stellen konnten, wobei keiner länger als 60 Sekunden sprechen dürfen sollte. „Maximal (!) eine Minute“, sagte der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der seine Sache übrigens wirklich sehr gut machte, noch ausdrücklich und bat darum, sich wenn möglich, noch kürzer zu fassen. Es solle ja alles fair zugehen, betonte nochmals die stellvertretende Parteivorsitzende Silvia Breher.
Vier Wortmeldungen würden vorliegen. Als erstes wurde der Delegierte Hans-Werner Adams zugeschaltet, der nochmals erinnert wurde: „Maximal eine Minute!“. Doch Herr Adams war leider nicht zu hören. Als zweites wurde Falko Liecke zugeschaltet, der eine Frage an alle stellte bezüglich der Bekämpfung der Clan-Kriminalität. Alle drei durften also auf diese Frage antworten, zunächst Armin Laschet, dann Norbert Röttgen und zuletzt Friedrich Merz.
Nun wurde Jens Spahn zugeschaltet. Jens Spahn war aber Teil des Teams Laschet, gehörte also zu diesem dazu. Alleine das schon hat einen seltsamen Beigeschmack, wenn einer aus Team A, der ja quasi mitgewählt wird, sich zu Wort meldet, um eine Frage zu stellen. Doch es kam noch ärger. Spahn sagte sogleich, dass er weniger eine Frage stellen möchte „als eine beantworten“. Aha! Das ist ja such sehr sinnvoll, dass man eine Fragerunde, bei der man selbst Partei ist und mitgewählt werden möchte, dazu nutzt, Fragen zu beantworten, die gar niemand gestellt hat. Anschließend hielt er 83 Sekunden lang eine Lobrede auf Armin Laschet, dieser sei „die richtige Antwort“, ohne dass ihn die Regie unterbrach und ihn darauf hinwies, dass dies eine Fragerunde sei und keine Werbeplattform für einen der drei Kandidaten. Selbst nachdem bereits 60 Sekunden überschritten waren, erfolgte keine Unterbrechung seitens der Regie.
Nun stelle man sich bitte vor, Norbert Röttgen oder gar Friedrich Merz hätten nicht nur einen Stellvertreter in ihr Team berufen, sondern Röttgen zwei und Merz drei und diese hätten nun alle auch angerufen und nicht eine, sondern 1,5 oder 2 oder 3 Minuten jeweils begründet, warum sie es so wichtig fänden, Röttgen respektive Merz zu wählen, was dann losgewesen wäre im Laschet-Lager.
Als viertes wurde Fabian Schütz zugeschaltet, welcher Friedrich Merz eine kritische Frage stellte bezüglich der in der CDU sehr ungeliebten WerteUnion, wie er zu dieser stehe, die ja Werbung für ihm mache und „diffamierend“ sei gegenüber den anderen Kandidaten, insbesondere gegen Laschet, was er denke, wie man mit der WerteUnion umgehen solle.
Anschließend schaltete man nochmals Herrn Adams zu, den man auch sehen, aber nicht hören könnte. So wurde also die „Fragerunde“ beendet, nachdem exakt zwei Fragen gestellt worden waren, eine an alle drei Kandidaten und eine kritische speziell an Friedrich Merz, plus eine 83-sekündige zusätzliche Werberede für Armin Laschet von niemand Geringerem als seinem eigenen Vize im „Team Laschet“, den Bundesgesundheitsminister (Regierungsmitglied) Jens Spahn.
Sowohl Norbert Röttgen als auch Armin Laschet wurde dagegen keine einzige speziell an sie gerichtete kritische Frage gestellt. Anschließend erfolgte die Wahl.
Eine Frage, insbesondere an Armin Laschet, wie denn sein Anspruch, er sei der einzig wirklich vertrauenswürdige Kandidat (goldene Tür), damit zusammenpassen würde, dass er als Ministerpräsident das geringste Vertrauen aller 16 Ministerpräsidenten in ganz Deutschland genieße, kam nicht. Es kam auch keine Frage, wieso er sich denn für den einzig Richtigen halte, wo doch die CDU- und die CSU-Wähler dies vollkommen anders sehen, die CDU-Mitglieder sogar noch extremer. Wie das denn zusammenpasse? Auch keine Frage, wie er, der sich doch als der große Macher dargestellt habe im Unterschied zu Röttgen und Merz, seine eigene konkrete Regierungsarbeit in der Coronakrise bewerte, warum zum Beispiel NRW als einziges der 16 Bundesländer keine Daten liefern könnte, wie viele Über-80-Jährige denn inzwischen geimpft seien …
… und warum NRW in der Impfkampagne zu den drei schlechtesten der 16 Bundesländer gehöre, ob er sich so einen Macher vorstelle und ob das für die Eignung als CDU-Parteivorsitzender und kommender Kanzler prädestiniere.
All solche Fragen kamen nicht. Keine einzige. Dafür eine zusätzliche Werberede eines Mitglieds der von Angela Merkel angeführten Bundesregierung.
E. Fazit
Ob dieser ganze Vorgang, wie Laschet in der Stichwahl von knapp tausend CDU-Delegierten mit knapper Mehrheit von 52,8 zu 47,2 Prozent gegen Merz zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt wurde, vollkommen entgegen sämtlicher Umfragen unter Unionswählern seit Februar 2020 bis Januar 2021, vollkommen entgegen dem Votum aller CDU-Kreisverbände, wirklich dazu angetan ist, das Vertrauen in diese Wahl, das Vertrauen in diese Person und das Vertrauen in diese Partei zu erhöhen, darüber möge sich jeder selbst ein Urteil bilden. Für viele bleibt ein bitterer Beigeschmack. Ein sehr bitterer.
Und so sahen die Reaktionen aus:
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