Söder-Effekt? Machtkampf schadet der Union bislang nicht, im Gegenteil: sie steigt

Von Jürgen Fritz, So. 18. Apr 2020, Titelbild: © JFB

Bis zum Ende dieser Woche wollten der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und der CSU-Chef Markus Söder ausmachen, wer der Kanzlerkandidat der Union wird. Noch immer gibt es keine Einigung zwischen den beiden. CDU und CSU würden sich gegenseitig zerfleischen und die Union würde schweren Schaden nehmen, meinen nicht wenige. Neueste Erhebungen aus dieser Woche zeigen aber etwas völlig anderes.

Es gibt kein einziges Institut, bei dem die Werte von CDU/CSU in den letzten sieben Tagen  nicht gestiegen wären

Von Anfang Februar bis Ende März stürzte die Union in den Umfragen regelrecht ab, fiel von über 36 auf unter 27 Prozent. Mehr als ein Viertel ihrer Anhänger (über 4,2 Millionen Personen) rannten den beiden Schwesterparteien, vor allem aber der CDU regelrecht davon. Seit Anfang April konnten sich die Union dann bei ca. 27 Prozent stabilisieren. Und nun passiert die letzten Tage etwas sehr Verblüffendes: CDU/CSU steigen in den Umfragen die letzte Woche deutlich an:

  • bei Civey (Befragung vom 07.04. bis 14.04.2021) um zwei volle Punkte von 28 auf 30 Prozent,
  • bei Kantar (Befragung vom 08.04. bis 14.04.2021) ebenfalls um zwei Punkte von 27 auf 29 Prozent,
  • bei Infratest dimap (Befragung vom 13.04. bis 14.04.2021) um einen Punkt von 27 auf 28 Prozent,
  • bei Forschungsgruppe Wahlen (Befragung vom 13.04. bis 15.04.2021) sogar um drei Punkte (!) von 28 auf 31 Prozent und
  • bei INSA (Befragung am 15.04.2021) von 27,5 auf 28 Prozent.

Es gibt kein einziges Institut, bei dem die Werte von CDU/CSU in den letzten sieben Tagen gefallen, ja nicht einmal eines, bei dem sie nicht gestiegen wären. Wie ist das zu erklären?

Willkommene demokratische Streitkultur oder schon der Söder-Effekt?

Söder-Anhänger könnten das bereits als den Söder-Effekt deuten. Weil der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident seinen Hut in den Ring geworfen hat und damit Aussichten bestehen, dass nicht Laschet, sondern eben er die Union in die Bundestagswahl führen wird, steigen die Umfragewerte schon jetzt. Sobald klar sei, dass Laschet zurückzieht und dem in der Bevölkerung sehr viel beliebteren CSU-Vorsitzenden das Feld überlässt, werden die Werte der Union nochmals deutlich ansteigen.

Eine andere mögliche Interpretation wäre, dass die Anhänger von CDU und CSU es gar nicht so sehr als Manko empfinden, wenn um die zentrale Führungsposition gestritten und gekämpft wird, wenn CDU und CSU keine reinen Abnick- und Kanzlerwahlvereine sind, sondern wenn da demokratisch gestritten wird. Fest steht, dass die Umfragewerte von CDU/CSU die letzten sieben Tage nicht gefallen, sondern gestiegen sind. Und das sogar kräftig. So sieht das Ganze zum heutigen Tage aus, wobei es natürlich die weitere Entwicklung zu beobachten gilt.

So würden die Deutschen heute wählen

Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute,  die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Von sechs der neun großen Meinungsforschungs-Institute liegen solch aktuelle Umfragen vor, die sogar alle sechs nicht älter als neun Tage sind. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser sechs Institute (es wurde von jedem nur die neueste Umfrage herangezogen) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller sechs Werte:

  1. CDU/CSU: 27 – 31 % ==> 28,8 %
  2. GRÜNE: 20 – 23 % ==> 21,7 %
  3. SPD: 14 – 18 % ==> 15,2 %
  4. AfD: 1012 % ==> 11,0 %
  5. FDP: 9 – 11 % ==> 9,5 %
  6. LINKE: 78 % ==> 7,5 %
  7. Sonstige: 47 % ==> 6,3 %
2021-04-18

(c) JFB

Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von fünf bis zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.

Veränderungen zur Vorwoche

Gegenüber dem 11.04.2021 haben sich die Wahl-O-Matrix-Werte wie folgt verändert:

  1. CDU/CSU: + 1,7 %
  2. AfD: unverändert
  3. LINKE: unverändert
  4. GRÜNE: – 0,3 %
  5. FDP: – 0,3 %
  6. SPD: – 0,5 %
  7. Sonstige: – 0,6 %

Die Union konnte also offensichtlich von allen Parteien außer der AfD und der Linkspartei Stimmen zurückholen, ganz besonders von den Kleinparteien und der SPD, aber auch von der FDP und den Grünen. Selbst in der Dawum-Grafik ist der kleine Aufschwung der Union bereits deutlich zu sehen:

Die Erhebungen dieser Institute wurden ausgewertet

Die sechs Institute, die (bezogen auf den mittleren Tag der Befragung) in den letzten drei Wochen Erhebungen durchführten, welche ausgewertet wurden, waren:

  • Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 09.04.2021, telefonische Befragung von 2.500 zufällig ausgewählten Personen
  • Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 10./11.04.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.054 Befragte,
  • Kantar (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 11.04.2021, telefonische Befragung von 1.437 zufällig ausgewählten Personen
  • Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 13./14.04.2021, Mixed-Befragung (telefonisch und online) von 1.174 zufällig ausgewählten Personen
  • Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 14.04.2021, telefonische Befragung von 1.292 zufällig ausgewählten Personen
  • INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 15.04.2021, internetbasierte Befragung von 1.007 nach Quotenvorgaben ausgewählten Mitgliedern eines Befragten-Pools

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine breite Datenbasis von insgesamt 17.464 Befragten.

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