Sachsen-Anhalt: sensationell hoher Wahlsieg der CDU

Von Jürgen Fritz, Mo. 07. Jun 2021, Titelbild: © JFB

Damit hatte wohl niemand gerechnet. Elf Tage vor der Wahl in Sachsen-Anhalt hatte INSA noch eine Umfrage veröffentlicht, die AfD läge einen Punkt vor der CDU. Genau das dürfte viele Bürger mobilisiert und auch von anderen Parteien abgezogen haben, die unbedingt verhindern wollten, dass die AfD in ihrem Bundesland stärkste Kraft werden könnte. Nun liegt die CDU mehr als 16 Punkte vor der AfD. Noch enttäuschter als diese dürften aber drei andere sein.

Diese Wahl hat zwei Sieger …

Erstens die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff. Der promovierte Diplom-Physiker regiert Sachsen-Anhalt seit mehr als zehn Jahren und hat in seinem Bundesland herausragende Beliebtheitswerte. Sage und schreibe 82 Prozent der Bürger sind mit ihrem Ministerpräsidenten zufrieden und sagen, er mache seine Sache eher gut. Dies zieht sich durch die Anhänger sämtlicher Parteien. Selbst zwei von drei AfD-Wählern finden Haseloff gut und die Anhänger der eigenen Partei sind zu 98 Prozent (!) mit ihm zufrieden. Das ist überragend.

Haseloff macht seine Sache gut

ZDF-Screenshot

Fast zwei Drittel der Wähler in Sachsen-Anhalt (63 Prozent) wollten Reiner Haseloff als Ministerpräsidenten behalten. Seinen Herausforderer von der AfD, den Kfz-Mechaniker und Automobilkaufmann Oliver Kirchner, der 2015 die Erfurter Resolution, das Positionspapier der ehemaligen völkisch-nationalistischen Gruppierung Der Flügel um Björn Höcke und André Poggenburg unterzeichnete, wollten nur 10 Prozent als Ministerpräsident, also nicht einmal die Hälfte der AfD-Wähler.

Lieber Haseloff als Ministerpräsident

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Dass Haseloff jede politische Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hat, finden fast 70 Prozent der Bürger gut. Und auch das zieht sich quer durch die Anhänger sämtlicher Parteien, außer natürlich der AfD-Wähler. Vor allem finden das über 90 Prozent der CDU-Anhänger richtig, zumal die Sachsen-Anhalt-AfD ähnlich wie die in Sachsen, Brandenburg und Thüringen als nicht nur rechts, sondern mindestens rechtsradikal, mit Hang zum Rechtsextremismus gilt. (Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt hat den AfD-Landesverband im Januar 2021 als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.)

Ausschluss der Zusammenarbeit mit der AfD

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Dass die CDU die Wahl gewinnen würde, war die letzten Tage vor der Wahl zu erwarten. Man merkte, dass sie im Aufwind war und wohl auf Platz eins landen würde. Überraschend war dann aber, mit welchem riesigen Vorsprung und mit welch enorm starken Ergebnis ihr dies gelang. Die meisten hatten mit zumindest ganz leichten Verlusten der CDU gerechnet, doch nun hat sie sogar 7,4 Punkte dazugewonnen und steigt von unter 29,8 auf über 37,1 Prozent. Das war die große Überraschung des gestrigen Abends und dies dürfte der CDU für die Bundestagswahl im September auf jeden Fall deutlichen Rückenwind geben.

Nicht überraschend war dagegen, dass die FDP als zweiter Gewinner aus dieser Landtagswahl hervorging. Die Freien Demokraten waren 2011 mit nur 3,8 Prozent aus dem Landtag geflogen und hatten 2016 den Wiedereinzug mit 4,9 Prozent knapp verpasst. Dieses Mal sind sie nicht nur mit 6,4 Prozent klar drin, sie haben sogar Die Grünen überholt.  Und damit sind wir schon bei dem ersten großen Verlierer dieser Wahl.

… und vier Verlierer

In den Umfragen Ende April, ja noch bis Ende Mai lagen Die Grünen zwischen 11 und 12 Prozent. Sie träumten von einem zweistelligen Ergebnis, ja hofften ihr Ergebnis von 2016 (5,2 Prozent) mindestens verdoppeln zu können. Daraus wurde nichts. Die Grünen schafften keine 10, 11 oder 12 Prozent, sie schafften nicht einmal 6 Prozent. Mehr als 5,9 Prozent waren nicht drin. Sie fallen sogar von Platz fünf auf Platz sechs zurück. Ein enttäuschendes Ergebnis für Die Grünen., welches nicht nur keinen Rückenwind für die Bundestagswahl gibt, sondern darüber hinaus Fragen aufwirft. Eine Partei, die in einer Landtagswahl gerade mal auf 5,9 Prozent kommt, möchte die Bundeskanzlerin stellen?! Das riecht nach Hybris, nach Selbstüberschätzung, nach sich künstlich aufplustern. Und hier schließt sich dann irgendwie der Kreis zur Kanzlerkandidatin der Grünen.

Der zweite Verlierer dieser Wahl ist die SPD. Was ist nur aus dieser Partei geworden? Die SPD holte in den 1990er Jahren 34 bis 36 Prozent und stellte mit Reinhard Höppner acht Jahre lang den Ministerpräsidenten. Von diesen 34 bis 36 Prozent ist nun nicht einmal ein Viertel geblieben. Die SPD ist nun auch in Sachsen-Anhalt im einstelligen Bereich angekommen, ja liegt mit nur 8,4 Prozent sogar deutlich unter 10. Das ist mehr als enttäuschend, das muss für die Sozialdemokraten erschütternd sein.

Der größte Wahlverlierer von allen aber ist die Linkspartei. Lange galt sie als eine Art Volkspartei des Ostens. Auch davon ist nicht viel geblieben. Vorbei sind die Zeiten, da man jeden fünften, teilweise sogar jeden vierten Wähler an sich binden konnte. Schon bei der letzten Landtagswahl 2016 war es von knapp 24 auf 16,3 Prozent steil bergab gegangen. Nun verliert Die Linke davon nochmals ein Drittel und landet bei 10,99, aufgerundet bei 11,0 Prozent. Innerhalb von zehn Jahren hat man deutlich über die Hälfte der Wähler verloren. Bei der Bundestagswahl im September droht der Linkspartei gleich das nächste Desaster. Wenn es schlecht läuft, kann sie da auf unter 7 Prozent fallen.

Aber auch die AfD ist zumindest kein Gewinner dieser Wahl, im Grunde auch sie ein Verlierer. Viele träumten davon, als Sachsen-Anhalts Nr. 1 aus dieser Wahl hervorzugehen, die CDU zu überholten. Und die INSA-Umfrage hatte diese Träume ja nochmals zusätzlich befeuert. Wenigstens 22 bis 26 Prozent hatte dagegen der Spitzenkandidat Oliver Kirchner kurz vor Verkündung der ersten Prognose als bescheidenes Wahlziel formuliert. Noch nicht einmal 21 Prozent sind es geworden (20,8), damit fast dreieinhalb Punkte weniger als 2016. Der Zenit der AfD scheint, das wird immer deutlicher, überschritten. Ab jetzt geht es fast überall nach unten für die in sich völlig zerrissene Partei, in der sich zwei inzwischen feindliche Lager um Meuthen und Höcke, die sehr unterschiedliche Richtungen verkörpern, gegenüberstehen.

Nach den sehr bescheidenen, ja enttäuschenden AfD-Wahlergebnissen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (von 15,1 auf 9,7 Prozent runter) und in Rheinland-Pfalz (von 12,6 auf 8,3 Prozent runter) im März sahen dies die Rechtsradikalen und -extremisten in der Partei um Höcke herum als Beleg dafür an, dass mit dem Meuthen-Kurs, der auf die bürgerliche Mitte abzielt, kein Blumentopf zu gewinnen sei. Nun schlug Meuthen zurück, der das AfD-Ergebnis von Sachsen-Anhalt „respektabel“ nennt und hinzufügt: „Mit einem stärker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden Wahlkampf wäre freilich auch ein noch deutlich stärkeres Ergebnis durchaus möglich gewesen.“ Der eigene erste Bundesvorsitzende der AfD verpasst den Parteifreunden im Osten an diesem enttäuschenden Wahlabend gleich noch eine. Das zeigt ein wenig, wie es um die im Grunde gespaltene Partei steht, die längst aus zwei Parteien in einer angesehen werden muss. 3 bis 4 Prozent weniger als 2016 sind kein Desaster, aber ein gutes Ergebnis ist das für die AfD auf alle Fälle nicht.

So hat Sachsen-Anhalt gewählt

  1. CDU: 37,1 % (+ 7,4)
  2. AfD: 20,8 % (– 3,4)
  3. LINKE: 11 % (– 5,3)
  4. SPD: 8,4 % (– 2,2)
  5. FDP: 6,4 % (+1,6)
  6. GRÜNE: 5,9 % (+0,8)
  7. Freie Wähler: 3,1 % (+1,0)
  8. Sonstige: 7,2 % (+0,3)
Vorl. Ergebnis 2021-06-06

(c) JFB

Gewinne und Verluste

  1. CDU: + 7,4 %
  2. FDP: + 1,6 %
  3. Freie Wähler: + 1,0 %
  4. GRÜNE: + 0,8 %
  5. Sonstige: +0,3 %
  6. SPD: – 2,2 %
  7. AfD: – 3,4 %
  8. LINKE: – 5,3 %

Reiner Haseloff wird Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bleiben und hat nunmehr freie Auswahl, mit wem er regieren möchte

Vor fünf Jahren hatte die Linke einen, die AfD 15 und die CDU 27 der 43 Wahlkreise direkt gewonnen. Dieses Jahr hat die CDU bis auf einen Wahlkreis alle anderen gewonnen, 40 von 41:

Auf Grund von Überhangmandaten (die CDU holte, wie gesagt, 40 Direktmandate; bei 83 Sitzen, die vorgesehen waren, dürfte sie auf Grund ihres Zweitstimmenanteils aber nur 34 Sitze erhalten, also muss der Landtag entsprechend vergrößert werden, so dass die Relationen wieder stimmen) wird der neue Landtag auf jeden Fall deutlich mehr als die 83 vorgesehenen Sitze haben, wahrscheinlich ca. 97. Dann wird es 49 Sitze für eine Mehrheit brauchen:

Sitzverteilung

ZDF-Screenshot

Nach ZDF-Berechnungen kommen die Parteien auf folgende Mandate:

  1. CDU: 40
  2. AfD: 23
  3. LINKE: 12
  4. SPD: 9
  5. FDP: 7
  6. GRÜNE: 6

CDU und SPD kommen also nach ersten Berechnungen genau auf die 49 notwendigen Sitze, hätten also eine Mehrheit im Parlament. Damit bräuchte Reiner Haseloff kein Dreierbündnis mehr. Im Vorfeld der Wahl war ja sogar befürchtet worden, dass er zukünftig ein Viererbündnis aus CDU, SPD, Grüne und FDP brauchen könnte, um eine Mehrheit zusammen zu bekommen. Nun könnte also, auf Grund des überragenden Ergebnisses der CDU, sogar ein Zweierbündnis möglich werden, die Grünen damit als dritter Partner überflüssig werden.

Sollte es doch nicht ganz reichen für eine schwarz-rote Regierungskoalition (a) hätte Haseloff freie Auswahl. Er könnte dann versuchen, b) eine sogenannte Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP zu schmieden oder c) doch wieder eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Schließlich wäre d) rechnerisch auch eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen möglich. Kurzum, der große Wahlsieger Reiner Haseloff und die CDU haben nun auf jeden Fall freie Auswahl.

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