Wie Civey (SPIEGEL) Umfrageergebnisse auf oder abrundet, je nach Partei

Von Jürgen Fritz, Do. 16. Sep 2021, YouTube-Screenshot

Civey gehört zu den zehn bekanntesten Meinungsforschungsinstituten in Deutschland. Es wird unter anderem für den Tagesspiegel, den FOCUS, die WELT, vor allem aber für den SPIEGEL tätig. Dort werden fast jede Woche Umfrageergebnisse zur Sonntagsfrage bezüglich der Bundestagswahl veröffentlicht. Bei diesen Zahlen fällt aber etwas auf.

Civey (SPIEGEL) runden x,4 bis x,6 alles auf, bei der AfD aber x,9 oder x,95 ab

Als Gründer und Betreiber von Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendem Meta-Analyse-Tool, beobachte ich regelmäßig alle Veröffentlichungen der führenden Meinungsforschungsinstitute und berechne jede Woche das arithmetische Mittel, den Wahl-O-Matrix-Mittelwert. Im Zuge dessen fallen mir hin und wieder Besonderheit auf, so auch hier im aktuellen Fall.

Betrachtet man die Ergebnisse auf der Civey-Seite, die auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet sind, und vergleicht sie mit den dann im SPIEGEL veröffentlichten Werten, welche auf ganze Zahlen gerundet sind, so sticht nämlich etwas ins Auge. Hier die Ergebnisse von der Civey-Seite vom 15.09.2021 gegen Abend (tagsüber waren sie auch nicht anders) …

Sonntagsfrage-2021-09-15

… und die Ergebnisse aus der Nacht vom 15.09.2021 auf den 16.09.2021:

Sonntagsfrage-2021-09-16

Wie unschwer zu erkennen ist, variieren die Werte nur minimal, nie mehr als um 0,1 Prozent, dreimal sogar überhaupt nicht. Und hier sehen Sie nun die Zahlen, die der SPIEGEL am 15.09.2021, abends um 20:30 Uhr veröffentlichte:

SPIEGEL-2021-09-15

Civey (oder der SPIEGEL?) rundet

  • bei der CDU/CSU bei 22,4 bis 22,5 auf 23 Prozent auf,
  • bei den Grünen bei 16,5 bis 16,6 auf 17 Prozent und
  • bei der FDP bei 11,6 auf 12 Prozent.

Das ist alles völlig korrekt, das kann man in jedem Einzelfall so machen. x,5 – oder x,6 ohnehin – kann man aufrunden auf die nächst höhere ganze Zahl. Frappierend ist aber, dass bei einer anderen Partei gänzlich anders verfahren wird.

  • Bei der AfD nämlich rundet Civey (oder der SPIEGEL?) bei 10,9 bis 11,0 auf 10 Prozent ab,
  • während bei Die Linke bei 5,9 wieder auf 6 aufgerundet wird.

Mathematisch nicht zu rechtfertigen

Und das ist nun mathematisch nicht nur sehr ungewöhnlich, sondern mehr als das. Bei den Werten auf der Civey-Seite liegt die AfD nur 0,6 bis 0,7 Punkte hinter der FDP, auf der SPIEGEL-Seite dagegen liegt sie 2 volle Punkte dahinter. Selbst wenn man auch x,5 Werte zuließe, so läge 10,9 bis 11,0 natürlich näher bei 11 als bei 10,5. Selbst da müsste man also korrekterweise auf- und nicht abrunden. Aber von 10,9 bis 11,0 auf 10 abrunden, das widerspricht nun wirklich jeder mathematischen Regel.

Manchmal muss man freilich selbst bei x,5 oder x,6 oder x,7 irgendwo abrunden, damit die Summe nicht mehr als 100 Prozent ergibt, wenn man jedes Mal aufrundet. Aber dann rundet man normalerweise dort ab, wo die erste Ziffer nach dem Komma am kleinsten ist, nicht dort, wo sie am größten ist. Schon gar macht man aus einer 11,0 eine 10. Mathematisch ist das jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Aber vielleicht gibt es ja andere Gründe.

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