Ampel: Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört

Von Jürgen Fritz, Mi. 10. Nov 2021, Titelbild: phoenix-Screenshot

Die Grünen sind unzufrieden mit dem Verlauf der Koalitionsverhandlungen. „Kann die Ampel also noch scheitern?“, fragt Friedrich Merz. Dies sei äußerst unwahrscheinlich, denn „alle drei Parteien wollen unbedingt regieren“. Es wachse also zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. Zugleich weist Merz darauf hin, wo die größte innenpolitische Herausforderung der nächsten Jahre liegen dürfte. Und Sigmund Gottlieb nennt fünf Gründe, die für Merz sprechen.

Friedrich Merz: Es wächst zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört

„Die Koalitionsverhandlungen der Ampel verlaufen weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit“, schreibt der CDU-Politiker, den sehr viele gerne als neuen Parteivorsitzenden sehen würden, in seiner aktuellen MerzMail. Das müsse kein Nachteil sein, im Gegenteil, es zeuge von Ernsthaftigkeit und Professionalität. Doch die letzte Woche sei auch deutlich geworden, dass es offenbar nicht ganz so reibungslos verlaufe wie erhofft (inzwischen gibt es sogar erste Stimmen in den Reihen der Grünen, die vor Neuwahlen warnen). Vor allem zwischen Grünen und FDP werde hart um das Finanzministerium gerungen, so Merz.

Die Grünen scheinen unzufrieden zu sein mit dem bisherigen Verhandlungsstand in Sachen Klimaschutz. Sie rufen schon ihre Vorfeld-Organisationen aus den Umweltverbänden zu Hilfe, um den Druck auf die zukünftigen Koalitionspartner zu erhöhen.“ „Kann die Ampel also noch scheitern?“, fragt Friedrich Merz. Das hält er für äußerst unwahrscheinlich, denn „alle drei Parteien wollen unbedingt regieren“: Die SPD und die Grünen verstünden sich ohnehin als natürliche Koalitionspartner. Aber auch die FDP könne sich nach 2017 einen zweiten Abbruch der Koalitionsverhandlungen nicht noch einmal erlauben.

Es wachse also zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört, aber es jetzt trotzdem versuchen müsse. Daraus könne etwas Neues entstehen, daraus könne aber auch schnell Frust und Enttäuschung werden. Nicht nur in der Klimapolitik würden große Aufgaben auf die nächste Regierung warten, auch die Energiepolitik bedürfe einer größeren Korrektur. Denn: „die Preise steigen und steigen, und die erneuerbaren Energien werden bei weitem nicht so schnell ausgebaut wie notwendig und erhofft“.

In der Sozialpolitik sieht Merz die größte innenpolitische Herausforderung der nächsten Jahre

Die größte innenpolitische Herausforderung der nächsten Jahre sieht Merz allerdings in der Sozialpolitik, konkret: „in der Zukunftsfähigkeit aller Zweige der deutschen Sozialversicherung“. In einer sich wandelnden Arbeitswelt könnten Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung nicht weiter allein aus dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis finanziert werden. „Hat die Ampel dazu eine Idee, die über steigende Steuerzuschüsse hinausreicht?“, fragt der Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU. „Schaut sie über den Tellerrand der eigenen Erfahrungen hinaus auch in andere europäische Länder, die diese Probleme längst besser gelöst haben als wir?“

Es werde spannend in der deutschen Politik, und die Union aus CDU und CSU sei gut beraten, ebenfalls den Blick nach vorn zu richten und die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Wenn rund die Hälfte der Jungwähler die Grünen gewählt habe, sei das keine Überraschung. Wenn aber der andere Teil ganz überwiegend die FDP gewählt habe, dann habe das Freiheitsversprechen in der jungen Generation doch offenbar mehr Befürworter als gedacht. Dieser jungen Generation könne man etwas zutrauen. Sie erwarte etwas von der Politik, das über die weitere Verwaltung des Status Quo hinausgehe.

Zwischenruf von Sigmund Gottlieb: Warum Merz alternativlos ist

Unterdessen hat nach dem langjährigen profilierten Fernseh-Korrespondenten Alexander von Sobeck nun auch der neue Herausgeber des European Sigmund Gottlieb, der zuvor von 1995 bis 2017 Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens war, ein klares Statement für Friedrich Merz als neuen CDU-Vorsitzenden abgegeben. Gottlieb sieht Merz ebenfalls als alternativlos und das aus mehreren Gründen:

1. Merz stehe für ein klares marktwirtschaftliches Profil. Da sei er eine Ausnahmeerscheinung, denn „Wirtschaftskompetenz in Führungsämtern der Christdemokraten fehlt seit Jahrzehnten“.

2. Außerdem würde Merz als neuer Bundesvorsitzender die CDU nicht nur in den Augen der Basis, sondern vor allem in der Wahrnehmung der Wähler neu verorten. „Diese wollen nach vielen Jahren der Beliebigkeit wissen, wofür die Christdemokraten, wofür die Unionsparteien eigentlich stehen“, nachdem Angela Merkel die Partei „mehr und mehr zum Verschiebebahnhof für die Optimierung von Wahlchancen degradierte“, so Gottlieb.

3. Merz kenne beide Welten – die politische wie die Welt der Wirtschaft. Als Anwalt, Aufsichtsrat sowie „Blackrock-Statthalter in Deutschland brächte er Wissen und Erfahrung ein, die dem überwiegenden Teil unseres politischen Personals fremd sind“.

4. Sodann verweist Gottlieb auf Merz‘ große Loyalität, was man insbesondere als Hinweis auf das Fehlen einer solchen beim CDU-Parteivorsitzenden Markus Söder interpretieren kann. Im zurückliegenden Wahlkampf habe Merz bis zum Schluss zu einer täglich schrumpfenden Gruppe von Spitzenpolitikern in der Union gehört, „die bis zum letzten Tag entschlossen an der Seite von Armin Laschet standen“, obschon Merz gegen diesen im Januar die Wahl zum CDU-Vorsitzenden mit 47,2 zu 52,8 Prozent der ca. tausend CDU-Delegierten nur knapp verloren hatte.

5. Schließlich verweist Gottlieb auf Merz‘ zündende Rhetorik, mit der er sich in der Tat von den allermeisten Politikern, nicht nur in der Union weit abhebt.

Lesen Sie hier den Gottliebs Artikel auf The EuropeanWarum Merz alternativlos ist.

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