Von Jürgen Fritz, Mi. 09. Feb 2022, Titelbild: FSeifikaran/Twitter
Mona Heidari wurde nur 17 Jahre alt. Ihr bot das Leben nicht einmal die Chance, das Erwachsenenalter überhaupt nur zu erreichen. Und dabei starb Mona Heidari nicht, weil sie krank wurde und man ihr nicht helfen konnte. Auch nicht durch einen schrecklichen Unfall, sondern weil ihr jemand ihr junges Leben genommen hat: ihr eigener „Ehemann“. Aber nicht nur das.
Mit zwölf Jahren zwangsverheiratet, dann wohl immer wieder vergewaltigt, geflüchtet, mit Gewalt zurückgeholt und dann ermordet
Bereits mit zwölf Jahren wurde das Mädchen, Angehörige der arabischen Minderheit der Ahwazis, mit ihrem Cousin verheiratet. In der Kinderehe (Zwangsehe) soll sie mehrfach vergewaltigt worden sein. Bereits mit 14 Jahren bekam sie einen kleinen Jungen.
Schließlich gelang ihr die Flucht in die Türkei. Aber wie die kurdische Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) berichtet, sei sie dort von ihrem „Ehemann“ und ihrem Vater aufgespürt und wieder nach Ahvaz verschleppt worden. Unmittelbar nach der erzwungenen Rückkehr wurde sie ermordet.
Im Internet verbreitete sich nun ein grässliches Video. In diesem sieht man „ihren Mann“ nach dem Mord an ihr. Grinsend läuft er durch die Straße, in der rechten Hand hält er ein blutiges langes Messer, in der linken den abgetrennten Kopf von Mona.

Twitter-Screenshot
Menschenrechtsaktivisten fordern bessere Gesetze zum Schutz von Frauen und Erhöhung des Mindestalters für Eheschließungen
Er soll die 17-Jährige zusammen mit seinem Schwager, einem Bruder von Mona, umgebracht haben. Ob sie die junge Frau zuerst umgebracht und ihr dann den Kopf abgeschnitten haben oder ob sie sie lebendig enthaupteten, wurde nicht genannt. Nach Polizeiangaben haben die Zwei die Tat auf jeden Fall bereits gestanden. Demnächst würden sie einem Haftrichter vorgeführt, hieß es. Frauenrechtler befürchten jedoch, dass beide schon bald wieder freikommen könnten.
Die Nachrichtenagentur Insa berichtete am Dienstag, der Mann habe „seiner Frau“ Ehebruch vorgeworfen. Die furchtbare Tat ereignete sich demnach in Ahwas, der Hauptstadt der Provinz Chusestan im Nordwesten des Landes. „Der Ehemann“ und Monas Bruder seien am Montag bei einer Polizeirazzia „in ihrem Versteck“ festgenommen worden, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf die örtliche Polizei.
Menschenrechtsaktivisten forderten als Konsequenz aus der erschütternden Tat bessere Gesetze zum Schutz von Frauen und eine Erhöhung des Mindestalters für Eheschließungen, das in der schiitisch dominierten Islamischen Republik Iran (dem „Gottesstaat“) bei 13 Jahren liegt.
Leider alles andere als ein Einzelfall
Dabei ist Mona Heidari, deren Leben mit nur 17 Jahren auf derart brutale, ja unmenschliche Weise ausgelöscht wurde, kein Einzelfall, ja nicht einmal eine absolute Seltenheit im Iran. Solche sogenannten „Ehrenmorde“ kommen besonders in ländlichen Gebieten mit patriarchalischen Strukturen immer wieder vor.
Urteile fallen häufig sehr mild aus, sofern es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren kommt. Grundlage ist das islamische Strafrecht, das Mordfälle durch Vergeltung regelt. Dem Oberhaupt der Familie des oder der Getöteten wird Blutgeld angeboten: Nur wenn dieser es als „Blutsbesitzer“ ablehnt, wird der Mörder staatlich bestraft, oft hingerichtet. Für einen innerfamiliären Mord liegt die Höchststrafe nach aktueller Gesetzgebung allerdings bei zehn Jahren, als ob es so etwas wie Besitzrechte in der Familie gäbe, insbesondere der Männer über ihre Frauen und Töchter.
Nach Angaben der Organisation für Frauenrechte in Ahvaz sind in den letzten zwei Jahren mindestens 60 Frauen und Mädchen Opfer von sogenannten „Ehrenmorden“ geworden. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weitaus höher liegen. Einige der Opfer waren jünger als fünfzehn, teilweise sogar erst zehn Jahre alt. Keiner der Täter sei bisher vor Gericht gestellt worden, da die meisten Familien nicht einmal Anzeige erstattet hätten.
Die sehr renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte im Oktober 2020 einen Artikel, in dem es hieß, dass im Iran zwischen 2010 und 2014 mindestens 8.000 sogenannte „Ehrenmorde“ begangen worden seien, sprich Mädchen und junge Frauen getötet wurden, einfach nur weil sie sich weigerten, sich solchen archaischen Regeln zu unterwerfen und ein wenigstens halbwegs selbst bestimmtes Leben führen wollten.
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