Die Anfänge der Hochkultur: Wie alles begann

Von Jürgen Fritz, Fr. 5. Okt 2018

Mit dem Entstehen der ersten Hochkulturen wird der Übergang vollzogen von der Ur- zur Weltgeschichte. Die ersten Hochkulturen entwickelten sich an Flüssen. Vor ca. 10.000 Jahren werden erstmals nomadisierende Sammler und Wildbeuter zu sesshaften Fischern, Viehzüchtern, Ackerbauern und schließlich seit rund 5.000 Jahren zu Hochkulturschaffenden. Wie alles anfing.

In der Mitte entspringt ein Fluss

Entscheidend waren weltweit zunächst die Flüsse: in Ägypten der Nil, in Mesopotamien Euphrat und Tigris, in Indien der Indus, in China der Gelbe Fluss usw. Weshalb waren die Flüsse so wichtig? Weil deren periodischen Überschwemmungen das Land fruchtbar machten. Dadurch konnte intensivere Landwirtschaft betrieben werden. Für den Bau von Bewässerung und Staudämmen war aber eine gesellschaftliche Organisation notwendig. Die Arbeitsteilung musste verfeinert werden.

Die Verteilung des knappen fruchtbaren Landes und die Zuteilung der Wassernutzung in zentralisierten Kulturen erforderte zudem eine Verwaltung und Rechtsprechung. Für die Jahre schlechterer Ernte mussten Vorräte angelegt werden. Dies erforderte ebenfalls Organisation und Planung. Und dazu brauchte man die Schrift. Es musste berechnet werden, wann die nächste große Flut kommen wird. So wird erstmals ein Kalender entwickelt, was Kenntnisse in Mathematik und Astronomie voraussetzt. Was ist nun also Kennzeichen einer Hochkultur?

Ägypten

Quelle: Pixabay

Merkmale von Hochkultur

Die folgenden Merkmale müssen nicht alle zusammen erfüllt sein, sind aber typisch für Hochkulturen:

  • geplante Landwirtschaft
  • die Existenz von Städten, die Mittelpunkte von Handel und Herrschaft bilden
  • die Gesellschaft organisiert sich politisch mit einem zentralisierten Verwaltungs­system
  • Arbeitsteilung und Gesellschaftsklassen mit Spezialisierung, Berufssoldaten, um das Aufgebaute gegen Feinde von außen (Räuber) zu schützen
  • Entwicklung der Schrift
  • ein einheitliches Kalendersystem
  • es enstehen anspruchsvolle künstlerische Leistungen: Dichtung, Musik, bildende Kunst, Architektur
  • ausgebaute Religionssysteme entstehen z. B. mit einem funktional differenzierten Götterpantheon, einem Monotheismus, einer Wiedergeburt- und Karma-Lehre etc.
  • durch Sprache, Kultur und Religion bildet sich ein gemeinsames Denken und Fühlen
  • die Entwicklung von Philosophie und Einzelwissenschaften

Diese Merkmale sind, wenn auch nicht jeder einzelne Punkt, so doch viele davon, im Grunde allen Hochkulturen gleich. Doch betrachten wir, wo die ersten solchen entstanden sind.

Einige frühe Hochkulturen

In Ägypten sehen wir ab ca. 3.000 v. Chr. ein Zeitalter, das geprägt ist von der Vorstellung eines Lebens nach dem Tode mit einem Totengericht, bei welchem das Herz gewogen wird, sowie ausgeprägtem Vielgötterglaube mit ersten Ansätzen zum Heno- und Monotheismus (ein Gott überragt die anderen bzw. es gibt nur einen Gott). Erstmals Entwicklung der Schrift, dem Hieroglyphensystem mit hunderten, später tausenden Zeichen, was die Erlernung sehr schwierig machte.

Mesopotamien: Zwischen Euphrat und Tigris entstehen ab ca. 3.000 v. Chr. die Großreiche von Sumer, Akkad, Assur und Babylon. Hier entsteht auch das erste große Epos über die Weltschöpfung, das Gilgamesch-Epos. Und die Sumerer entwickeln ebenfalls schon ganz früh, bereits vor 3.000 v. Chr. ein Schriftsystem: die Keilschrift. Diese war anfänglich eine Bilderschrift, entwickelte sich dann aber zu einer Silbenschrift, aus der dann später auch eine phonetische Konsonantenschrift (die ugaritische Schrift) hervorging. Die Keilschrift wurde von den Sumerern erfunden und später von zahlreichen Völkern des Alten Orients verwendet: von den Akkadern, Babyloniern, Assyrern, Hethitern, Persern und anderen. Schließlich wurde sie von anderen Schriftformen, insbesondere der phönizischen Schrift, verdrängt und geriet in Vergessenheit.

Indien: Die älteste bekannte Zivilisation auf dem indischen Subkontinent und eine der ältesten Hochkulturen der Welt, ist die Indus-Kultur. Ihre Geschichte reicht mindestens 5.000 Jahre zurück, also bis vor 3.000 v. Chr. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. entfaltete sich der Buddhismus, der mehr als 1.000 Jahre neben dem Hinduismus eine der maßgeblichen Geistesströmungen Indiens war. Anfänge von „Philosophie“ im weitesten Sinne sehen wir hier ab ca. 1.500 v. Chr. in den Veden. In der Folge entwickeln sich sechs klassische orthodoxe Systeme, unter anderem Yoga, und einige nicht nicht-orthodoxe Systeme unter anderem Buddhismus und Janismus.

Palästina (Vorderer Orient): Ab ca. 1.200 v. Chr. entwickelt sich im Judentum ein reiner Monotheismus (Ein-Gott-Glaube), aus dem später andere, Christentum und Islam, hervorgehen, die sich ab dem Mittelalter immer weiter verbreiten.

Iran: um 560 v. Chr. gründet Zarathustra eine monotheistische Religion mit stark ausgeprägtem Dualimus.

China: Auch China gehört zu den ältesten Zivilisationen und Hochkulturen der Menschheit und zu einer der ganz wenigen, die über die Jahrtausende hinweg Bestand hatte und hat bis heute. Als Träger dieser Kultur und dominierende Volksgruppe haben sich in der Geschichte Chinas die Han-Chinesen etabliert. Schriftliche Aufzeichnungen über die chinesische Kultur reichen über 3.500 Jahre zurück, also bis vor 1.500 v. Chr. Im 6. Jahrhundert v. Chr. entsteht der Konfuzianismus mit einer konservativen Moral- und Staatsphilosophie. Ab dem 11. Jahrhundert wird der Neukonfuzianismus zur eigentlichen Staatsphilosophie Chinas. Daneben sehen wir im Reich der Mitte ab ca. dem 5. Jahrhundert. v. Chr. den Daoismus (Lao Tse), den Mohismus und die Yin-Yang-Schule.

Der Aufstieg Europas

Die Wiege der abendländischen Hochkultur und zugleich Philosophie sehen wir in den griechischen Kolonien an den Küsten des Mittelmeeres. Durch den regen Handel mit den frühen Hochkulturen rund ums Mittelmeer bringen die griechischen Händler das Wissen nach Europa: Mathematik, Astronomie, Geographie, Kalender, Münzwesen, Papier und vor allem die Schrift.

Nachdem die Phönizier um 1.000 v. Chr. das Alphabet aus Ugarit, wo es um 1.400 v. Chr. entwickelt wurde, übernommen haben, übernehmen nun die Griechen das Alphabet und entwickeln es weiter, indem sie zum Beispiel Vokale einfügen, die in den semitischen Sprachen (Phönizisch, Hebräisch, Arabisch) weitgehend fehlen.

Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. bringen griechische Siedler das Alphabet nach Italien, wo die Etrusker (in der heutigen Toskana) es im Laufe des 4. Jahrhunderts übernehmen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. orientieren sich die Römer an der griechisch-etruskischen Schrift und überliefern sie im 1. Jahrhundert v. Chr. nach Mitteleuropa. Dieses Schriftsystem ist allen anderen weit überlegen und ermöglicht mit nur rund 25 Zeichen durch entsprechende Kombination alles Mögliche sehr differenziert auszudrücken und evoziert eine enorme geistige Weiterentwicklung.

Ab ca. 500 v. Chr. sehen wir in Griechenland dann Dinge, die es so zuvor nirgends auf der Welt gab und zwar a) erstmals in der Menschheitsgeschichte den Übergang von der Adelsherrschaft zur Demokratie und noch einen anderen Übergang: b) den vom Mythos zum Logos. An die Stelle von anthropomorphen Göttern treten nun natürliche, rationale Prinzipien der Erklärung und Ordnung der Welt sowie der Stellung des Menschen in dieser. Hieraus entwickeln sich allmählich die Wissenschaften.

Offene Fragen

Der Übergang vom Mythos zum Logos, ebenso der hin zur Demokratie, zu demokratiefähigen Wesen, ist bis heute, zweieinhalb Jahrtausende später, aber nur von einem Bruchteil der rund 7,5 Milliarden Menschen vollzogen, auch in den Ländern, die offiziell vorgeben, Demokratien zu sein. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Fragen:

  • Warum fällt den Vielen der Übergang vom Mythos zum Logos so schwer?
  • Wenn es den Vielen so schwer fällt, passen diese zwei Konzepte, das Logos- und das Demokratie-Konzept dann überhaupt zusammen?
  • Wer ist überhaupt der Demos und wie muss dieser sinnvollerweise begrenzt werden und nach welchen objektiven, sachlichen Kriterien? Wie machten es die alten Griechen, die dieses Konzept erfanden?

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Titelbild: Pixabay, CC0 Creative Commons

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