Von Jürgen Fritz, Mi. 02. Okt 2019, Titelbild: Pixabay, CC0 Public Domain
Wenn wir von der politisch Linken sprechen, so müssen wir im Grunde drei Phasen unterscheiden, da die Linke sich im Laufe der Zeit gleich zweimal grundlegend wandelte, um nicht zu sagen immer mehr degenerierte.
1. Die frühe (alte) Linke
Ursprünglich war die Linke im 18. und frühen 19. Jahrhundert republikanisch, eine Oppositionsbewegung gegenüber den tradierten, monarchischen Herrschaftsformen der europäischen Staatsgebilde der frühen Neuzeit. In diesem Verständnis wurden mit der Linken antimonarchistische, republikanische, auch am klassischen Liberalismus orientierte politische Strömungen bezeichnet. Links war das Bürgertum im Gegensatz zum rechten Adel, der wie König und Klerus seine Privilegien erhalten wollte (Konservatismus). Links bedeutete demgegenüber eine progressive, nach vorne gerichtete, fortschrittliche Politik, die sich gegen das Reaktionäre, den Rückschritt, und auch gegen das Konservative, das nur auf Erhalt des Bestehenden Ausgerichtete wandte, was sie zu überwinden suchte.
Das Ideal dieser ersten Linken war die Gleichberechtigung, nicht die Gleichheit im Ergebnis. Die Tüchtigkeit des Einzelnen sollte entscheidend sein, nicht die adlige Abstammung. Jeder, der fleißig und geschickt war, sollte die Möglichkeit haben, sein Glück zu finden, unabhängig von nationalen, ethnischen, geschlechtlichen und anderen Gruppenzugehörigkeiten. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (liberté, égalité, fraternité) hießen daher die Schlagworte der Französischen Revolution von 1789.
Genau das prägte auch die USA und machte sie so erfolgreich (vom Tellerwäscher zum Millionär). Dort gab es keinen König, keinen Hochadel, dem alles schon gehörte und der unter sich blieb, was im Laufe der Jahrhunderte bisweilen zur Dekadenz führte. Jeder Bürger konnte sich aus eigener Kraft etwas aufbauen, war seines Glückes eigener Schmied. Die Linke war hier also, auch in Europa, der Anwalt der fleißigen, tüchtigen, aufstrebenden Bürger, nicht der Armen und Erfolglosen, Anwalt der Mittelschicht, nicht der Unterschicht.
2. Die mittlere marxistisch-sozialistische Linke
Ab der Mitte des 19. Jahrhundert (1848 erschien das Manifest der Kommunistischen Partei, zwischen 1867 und 1894 die drei Bände von Das Kapital) wandelte sich der Begriff zunehmend. Als Linke galten nun nach Marx und Engels die Sozialisten bis hin zu Kommunisten, Anarchisten und dann später auch die Sozialdemokraten.
Das Ideal wurde nun allmählich immer mehr nicht die Gleichberechtigung – jeder ist seines Glückes Schmied -, sondern materielle Gleichheit im Ergebnis, möglichst gleiche Lebensverhältnisse auch bei völlig ungleicher Anstrengung und Leistung. Das bedeutete ständige anti-liberale Zwangsenteignungen der Tüchtigen. US-Amerikaner hassen das normalerweise, selbst die Armen, weil sie dieses Grundprinzip eigentlich ablehnen, dass man denen, die sich etwas erarbeitet haben, dieses durch die Staatsgewalt wieder wegnimmt. Das erinnert sie an ihre Anfangszeit, als sie an die englische Krone ständig Abgaben entrichten mussten von dem, was sie völlig eigenständig erarbeitet hatten. Daher der Unabhängigkeitskrieg und die Unabhängigkeitserklärung von 1776, worauf die US-Amerikaner unglaublich stolz sind.
Die Linke wurde also in dieser zweiten Phase zum Anwalt des Proletariats, der Arbeiter, der Erfolglosen, der Unterschicht, die von anderen über Steuern und Sozialabgaben mitversorgt werden sollten. Und die sozialistische Linke versprach ihnen, den Reichen und der Mittelschicht ständig was wegzunehmen und ihnen zu geben, so dass die Unterschiede im Lebensstandard immer mehr angeglichen wurden, was dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert einerseits zu relativ friedlichen Gesellschaften führte, die aber gegen Ende des Jahrhunderts zunehmend an Dynamik verloren, quasi etwas faul und träge wurden und immer mehr Menschen, teilweise über Generationen hinweg, sich im dichten sozialen Netz einrichteten, das inzwischen hunderte Millionen Menschen in der halben Welt anlockt, Stichwort: anstrengungsloser Wohlstand.
Intermezzo: Der Sündenfall der Moderne
Hannah Arendt beschrieb bereits den Übergang von (1) zu (2) als den Sündenfall der Moderne: „Die Verwandlung der Menschenrechte in die Rechte der Sansculotten (Habenichtse, JF) ist der Wendepunkt der Französischen und aller ihr folgenden Revolutionen.“ Marx erhob dann die Bekämpfung der Massenarmut zum obersten revolutionären Ziel und nicht mehr die Freiheit – die Befreiung der Menschen von Zwangsherrschaft.
Bereits das Manifest des Sansculottismus vom 16.11.1793 gab der Französischen Revolution einen völlig neuen Sinn: „Le but de la revolution est le Bonheur du peuple.“ (Das Ziel der Revolution ist das Glück der Menschen). Am 03.03.1794 verkündete Saint-Just dann: „Das Glück ist eine neue Idee in Europa.“
An die Stelle der Freiheit trat hier bereits erstmals der Anspruch, der Staat müsse alle Menschen glücklich machen. Dies führte unweigerlich in das Abgleiten in den Terror, der immer Hand in Hand geht mit der Missachtung der Freiheit. Hier sehen wir erstmals die Wende nicht zur Herstellung politischer Freiheit (politischer Liberalismus = Demokratie, Mitbestimmung der Bürger), sondern zur Diktatur im Interesse sozialer Ziele. Dies sehen wir dann spätestens seit Marx, Lenin, Stalin, Mao fortlaufend.
3. Die späte postmoderne oder Neue Linke
Inzwischen hat sich die Neue Linke aber längst vom eigenen Proletariat, von den Arbeitern abgewendet und sich ein neues Klientel gesucht, für das sie sich einsetzt: die Minderheiten. Alle „Unterdrückten“ und Benachteiligten sind nun das Objekt der Begierde der postmodernen Linken: Frauen (extremistischer Feminismus), Homosexuelle und sexuelle nicht eindeutig Bestimmbare, die Dritte Welt, Einwanderer aus der Dritten Welt und der Islam („die armen Muslime“). Die, denen es im Vergleich zu den deutschen Arbeitern viel schlechter geht, die globale Unterschicht. Und jetzt auch mit den Grünen und ganz aktuell Greta die „ausgebeutete Natur“.
Das Feindbild ist jetzt nicht mehr der Geburtsadel und auch nicht die reichen Fabrikbesitzer, die ihre „armen Arbeiter ausbeuten“, sondern „die bösen Imperialisten“, vor allem der weiße Mann an sich, Europäer und vor allem die USA und Juden. Solange Juden sich von Nazis, das größte Feindbild von allen, wehrlos umbringen ließen, liebten die Neuen Linken sie. Sobald diese sich aber wehrten und das auch noch sehr erfolgreich, sie sich schützten und etwas aufbauten, auch das noch sehr erfolgreich, hassten die Neuen Linken die Juden, weil sie jetzt ja nicht mehr unten waren, sondern oben.
Im Grunde hassen die Neuen Linken alle Bürger, die nicht bereit sind, das selbst Erarbeitete an die globale Unterschicht abzutreten, quasi alle, die irgendwie erfolgreicher sind als andere, das aber freilich nur in Europa und Nordamerika. Von vermögenden Öl-Scheichs, die so reich sind, dass sie sich mal geschwind für eine Milliarde einen europäischen Fußballclub einfach so zum Vergnügen kaufen, fordert das die Neue Linke nicht (Auto-Rassisten), obwohl die Öl-Milliardäre sich gar nichts erarbeitet haben, sondern einfach das Glück hatten, unfassbare Mengen an Erdöl unter ihren Füßen zu haben, das sie aus eigener Kraft wahrscheinlich nicht einmal hätten fördern können. Daran erkennt man sehr schön, dass die Neuen Linken genau wie die alten Nazis Rassisten sind, deren systematische Diskriminierung sich in der Ausrichtung einfach nur um 180 Grad gedreht hat (inverser Rassismus).
Der völlige Wandel des Menschenbildes
Insbesondere Calvinisten, deren Lehre gerade Kirchen im angloamerikanischen Raum nachhaltig prägten, deuteten den weltlichen Erfolg als Zeichen dafür, dass Gott diesen erfolgreichen Menschen auserwählt hat und offensichtlich besonders lieben muss. Dahinter stand die Lehre von der doppelten Prädestination (Vorherbestimmung), wonach Gott ein für alle Mal vorherbestimmt habe, ob ein bestimmter Mensch auf dem Weg zur ewigen Seligkeit oder zur ewigen Verdammnis sei. Menschliches Handeln könne nicht ohne Gottes Gnade erfolgreich sein. Da Calvin gleichzeitig die Notwendigkeit eigener Vorsorge für das irdische Wohl betonte, ließ im 16. und 17. Jahrhundert in calvinistischen Kreisen das Lebensgefühl entstehen, Erfolg sei Ausdruck von Gottes Segen.
Die Neuen Linken dagegen haben sich quasi der ursprünglichen Jesus-Lehre wieder angenähert, die lange Zeit fast ausschließlich eine reine Unterschichtenbewegung war. Im Erfolg und Fleiß sehen sie eher etwas Verdächtiges, nach dem Motto: Wer besonders erfolgreich ist, hat anderen etwas weggenommen und kann daher kein guter Mensch sein. Dieser Grundgedanke findet sich wiederum bei dem Nazarener: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“ (Markus 10,25; Lukas 18,25 und Matthäus 19,24).
Fleiß und Erfolg sind eine Versündigung am neuen Heiligtum der postmodernen Linken: am Gleichheitsfetisch
Außerdem fügt der Erfolgreiche dem Erfolglosen Schmerz zu, weil er ihm zeigt, was dieser nicht ist. Und Schmerz zufügen ist in der schrägen Weltsicht des Neuen Linken per se immer böse. Die calvinistische Lehre dagegen hatte den Fleiß und das Erfolgsstreben gefördert, da man dadurch sich selbst und allen anderen beweisen konnte, dass man von Gott besonders geliebt und zum ewigen Heil vorherbestimmt war, dass man eine gute Seele hat. Diese Vorstellung programmiert den Erfolg quasi vor, weil dann alle zeigen wollen, dass sie gute Menschen sind und sich daher besonders anstrengen. Die Neuen Linken sehen das aber genau umgekehrt: Fleiß und Erfolg ist eine Versündigung an ihrem neuen Heiligtum: dem Gleichheitsfetisch.
Das ist also in gewisser Weise ein völliger Gegensatz zu (1), zu den frühen Linken, als man Tüchtigkeit, Fleiß und Erfolg anders als einfach nur vererbten Reichtum gerade anstrebte und bewunderte, wenn dieser mit den eigenen Händen respektive dem eigenen Grips erarbeitet worden war. Die Neuen Linken wollen genau das den Menschen jetzt wegnehmen und alles Höhere quasi zerstören, alles einebnen oder sogar alle überdurchschnittlich Erfolgreichen nach unten drücken zur Strafe für ihren Wohlstand in der Vergangenheit und für den Wohlstand ihrer Eltern und Großeltern. Postmoderne Linke sind keine Vertreter mehr des Bürgertums wie die frühen Linken, auch nicht mehr der Arbeiter wie die mittleren Linken, sie sind primär „Anti-Imperialisten“, welche in ihrer ganz eigenen Logik „die Sünder“ bestrafen wollen sowohl für ihre eigenen „Sünden“ als auch die ihrer Väter, um so ein imaginiertes metaphysisches Gleichgewicht wiederherzustellen.
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