Von Jürgen Fritz, Fr. 05. März 2021, Titelbild: © JFB
Neun Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg zeichnet sich deutlich ab, dass Die Grünen mit ihrem amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wohl wieder als stärkste Partei aus der Wahl hervorgehen werden und zwar noch klarer als 2016. Der CDU, die in BW 1976 noch auf fast 57 Prozent kam, und der SPD droht jeweils ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen des Bundeslandes. Gleichwohl ist Grün-Rot ganz nah an einer Mehrheit dran.
2011: Katastrophenwahl für CDU und SPD und sensationeller Aufstieg der Grünen
Die Landtagswahlen 2011 und 2016 waren ja schon Tiefpunkte für die CDU Baden-Württemberg, aber diese werden wohl dieses Jahr nochmals unterschritten. 2011 fiel die CDU im Ländle von 44,2 auf 39 Prozent. Das war ihr schlechtestes Ergebnis seit 1952. Werte unter 40 Prozent hatte es für die CDU in Baden-Württemberg mehr als ein halbes Jahrhundert niemals gegeben. In guten Zeiten lag man hier bei 52, 53 oder gar fast 57 Prozent. Und dieses schlechte Wahlergebnis hatte Folgen.
Nachdem die CDU 58 Jahre lang die baden-württembergische Landesregierung angeführt und mit Gebhard Müller (1953-1958), Kurt Georg Kiesinger (1958-1966), Hans Filbinger (1966-1978), Lothar Späth (1978-1991), Erwin Teufel (1991-2005), Günther Oettinger (2005-2010) und Stefan Mappus (2010-2011) immer den Ministerpräsidenten gestellt hatte, übernahm nun Grün-Rot die Regierung und die Grünen stellten mit Winfried Kretschmann erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Ministerpräsidenten.
Die SPD erzielte mit nur 23,1 Prozent sogar ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen von Baden-Württemberg. Die Grünen aber schossen förmlich in die Höhe von 11,7 auf 24,2 Prozent und waren damit stärker als die SPD. Zusammen hatte Grün-Rot 47,3 Prozent der Stimmen gegenüber 44,3 Prozent von CDU und FDP und damit eine Mehrheit der Sitze im Landtag. So kam es also zum ersten deutschen grünen Regierungschef auf Landesebene.
2016: CDU und SPD verlieren beide nochmals 10 bis 12 Punkte und die Grünen werden noch stärker
Doch fünf Jahre später sollte es noch schlimmer kommen für die CDU und auch für die SPD. Die CDU konnte nicht einmal die 39 Prozent halten, verlor nochmals 12 Punkte und fiel auf sage und schreibe 27 Prozent, nicht mal halb so viel wie 1976.
Nicht minder schlimm kam es für die SPD. Diese verlor nochmals mehr als 10 Punkte und fiel von 23,1 auf 12,7 Prozent. Die Grünen aber legten noch weiter zu auf über 30 Prozent (30,3). Winfried Kretschmann war nach fünf Jahren Regierungstätigkeit äußerst beliebt und – Achtung Spoiler! – er ist es noch immer.
Da die SPD aber dermaßen schwach war, reichte es trotz der noch stärker gewordenen Grünen nun nicht mehr für Grün-Rot und so musste nun die CDU als Juniorpartner für Kretschmann herhalten. Und sie tat es. So kam es also fünf Jahre lang zu einer grün-schwarzen Landesregierung, ebenfalls ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Und es gab 2016 noch ein Novum.
Die im Februar 2013 gegründete AfD trat 2016 erstmals in Baden-Württemberg an und kam direkt auf über 15 Prozent (15,1). Wie sieht es nun 2021 aus?
2021: Grüne scheinen noch weiter zulegen zu können, CDU und SPD verlieren wohl nochmals und AfD fällt zurück
Alle drei Trends scheinen sich nach heutigem Stand fortzusetzen: 1. Die Grünen werden wohl noch weiter anwachsen in Baden-Württemberg, 2. die CDU und 3. die SPD werden weiter Stimmen einbüßen und noch schwächer werden. Bezüglich der AfD lässt sich dagegen sagen, dass die gut 15 Prozent nicht gehalten werden können. Hier geht es wohl eher in Richtung 11 bis 12 Prozent rückwärts. Bezogen auf ihre Größe wären das die größten Verluste von allen Parteien. Die AfD scheint etwa jeden vierten Wähler in Baden-Württemberg zu verlieren.
Infratest dimap (ARD Baden-WürttembergTrend) und Forschungsgruppe Wahlen (ZDF Politbarometer) veröffentlichten gestern bzw. heute aktuelle Erhebungen. Demnach kämen die Parteien jetzt im Moment auf folgende Werte (jeweils das arithmetische Mittel für jede Partei und die Veränderung gegenüber 2016):
- GRÜNE: 34,0 % ==> + 3,7
- CDU: 24,5 % ==> − 2,5
- AfD: 11,5 % ==> − 3,6
- SPD: 10,0 % ==> − 2,7
- FDP: 10,0 % ==> + 1,7
- LINKE: 3,5 % ==> + 0,6
- Sonstige: 6,5 % ==> + 2,8

(c) JFB
Grün-Rot ganz dicht an einer Mehrheit der Sitze im Landtag dran
Die Linke dürfte kaum Aussichten haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Ebenso die Klein- und Kleinstparteien, die zusammen auf etwa 6 bis 7 Prozent kämen. Damit würden ca. 10 Prozent der Stimmen im Landtag nicht abgebildet sein und man bräuchte minimal über 45 Prozent der Stimmen für eine Mehrheit der Sitze im Parlament.
Grün-Rot kommen nach diesen beiden aktuellen Erhebungen zusammen auf ca. 44 Prozent (Infratest dimap: 43, Forschungsgruppe Wahlen: 45) gegenüber 46 Prozent für CDU + AfD + FDP. Grüne und SPD wären demnach im Moment ganz nah an einer Mehrheit dran.
Schwarz-Rot-Gelb käme ebenfalls auf knapp 45 Prozent (ca. 44,5). Aber es ist wohl unwahrscheinlich, dass eine neue Regierung gegen die Grünen mit dem sehr beliebten Winfried Kretschmann gebildet wird. Das würde das Wahlergebnis ja gewissermaßen auf den Kopf stellen und viele Bürger verärgern.
65 Prozent würden bei einer Direktwahl Kretschmann wählen, nur 17 Prozent Susanne Eisenmann (CDU)
Wenn die Wahlberechtigten in Baden-Württemberg ihren Ministerpräsidenten direkt wählen könnten und dabei die Wahl hätten zwischen Amtsinhaber Kretschmann (Grüne) und der CDU-Herausforderin Susanne Eisenmann, so würden laut Infratest dimap sich 65 Prozent, also fast zwei Drittel, für Kretschmann entscheiden und nur 17 Prozent (jeder Sechste) für die derzeitige CDU-Bildungsministerin.
Mit der Arbeit der grün-schwarzen Koalition sind gemäß Infratest dimap aktuell 59 Prozent der Bürger zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Und fast jeder Zweite, nämlich 48 Prozent wünschen sich, dass die Landesregierung weiter von den Grünen angeführt wird. Nur jeder Dritte (33 Prozent) spricht sich für eine CDU-geführte Landesregierung aus.
Sogar 59 Prozent der CDU-Wähler wollen Kretschmann als Ministerpräsidenten behalten
Die Erhebungen von Forschungsgruppe Wahlen fallen sogar noch deutlicher für die Grünen und Kretschmann aus. Hier sagten sogar 70 Prozent, dass sie lieber Kretschmann als Ministerpräsidenten hätten und nur ganze 11 Prozent, jeder Neunte, sprachen sich für Susanne Eisenmann aus.
Auffallend dabei auch: Winfried Kretschmann hat die Anhänger seiner Partei nahezu geschlossen hinter sich (96 Prozent), aber lediglich 29 Prozent der CDU-Anhänger möchten Eisenmann als Ministerpräsidentin. Sogar 59 Prozent der CDU-Wähler wollen Kretschmann behalten. Dies zeigt, dass die Landtagswahl in Baden-Württemberg ähnlich wie in Rheinland-Pfalz, aber noch stärker als dort, eine Personenwahl sein wird, bei welcher der Kretschmann-Joker zieht.
Wer in den Bundesländern regiert
An diesem Gesamtbild wird sich also nach der Baden-Württembergwahl wohl kaum etwas ändern.
Anzahl der Ministerpräsidenten, welche die jeweiligen Parteien stellen
- SPD: 7 (Niedersachsen: Stephan Weil, Rheinland-Pfalz: Malu Dreyer, Berlin: Michael Müller, Brandenburg: Dietmar Woidke, Hamburg: Peter Tschentscher, Mecklenburg-Vorpommern: Manuela Schwesig, Bremen: Andreas Bovenschulte)
- CDU: 6 (Nordrhein-Westfalen: Armin Laschet, Hessen: Volker Bouffier, Sachsen: Michael Kretschmer, Schleswig-Holstein: Daniel Günther, Sachsen-Anhalt: Reiner Haseloff, Saarland: Tobias Hans)
- CSU: 1 (Bayern: Markus Söder)
- Die Grünen: 1 (Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann)
- Die Linke: 1 (Thüringen: Bodo Ramelow)
Anzahl der Bundesländer, in denen die Parteien regieren
- SPD: 11 (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen)
- Die Grünen: 11 (Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg, Bremen)
- CDU: 10 (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland)
- FDP: 3 (NRW, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein)
- Die Linke: 2 (Berlin, Thüringen)
- CSU: 1 (Bayern)
- Freie Wähler: 1 (Bayern)
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