Mein Facebookprozess: Verlauf der Hauptverhandlung

Von Jürgen Fritz, Do. 24. Jan 2019

Vor 15 Monaten, im Oktober 2017, hatte ich über meinen Anwalt Dr. Christian Stahl, Kanzlei REPGOW, Klage beim Landgericht Hamburg gegen Facebook Ireland Limited eingereicht wegen einer u.E. eindeutig rechtswidrigen Löschung eines von mir eingestellten Beitrages plus anschließender Sperrung meines Accounts. In den folgenden Monaten nahmen wir mehrere Klageerweiterungen vor, so dass sich der Umfang der Klage von einer auf insgesamt sieben u.E. rechtswidrige Sperrungen ausdehnte. Gestern kam es nun endlich zum Haupttermin des Prozesses vor dem Landgericht Hamburg mit einer mündlichen Verhandlung. Hier ein kurzer Bericht.

Keine Verhandlung vor der Kammer, sondern vor einem Einzelrichter

Die erste Überraschung erlebten Dr. Stahl und ich gleich zu Beginn der Verhandlung. Eigentlich sollte diese vor der Zivilkammer stattfinden. Zivilkammern sind mit drei Richtern besetzt. Stattdessen wurde die Verhandlung nur von einem Richter geleitet, Herrn Dr. Brüggemeier, einem noch sehr jungen Juristen, der erst seit kurzem am Landgericht zu sein scheint. Offensichtlich war ihm der Fall erst relativ knapp vor dem Verhandlungstermin zugeteilt worden. Den schriftlichen Beschluss, dass der Fall von der Zivilkammer 16 an Herrn Dr. Brüggemeier als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen wurde, also gar nicht vor der Kammer verhandelt wird, erhielten wir erst heute, einen Tag nach der Verhandlung. Das muss wohl nicht weiter kommentiert werden (Chaos).

Dr. Brüggemeier gab zu Beginn der Verhandlung zu erkennen, dass er die Schriftsätze beider Parteien, jeweils über 100 Seiten, zumindest zum Großteil gelesen hatte, sagte aber gleich, dass er sich noch weiter in die Schriftsätze vertiefen müsse. Ob eine ausführliche mündliche Verhandlung überhaupt angebracht war, war somit fraglich. Dabei war Dr. Stahl extra von Regensburg nach Hamburg (über 700 Kilometer) angereist.

Facebook lehnt einen Vergleich ab

Zunächst stellte sich die Frage, ob es zu einer gütlichen Einigung (Vergleich) kommen könne. Dies ist für Richter meist die beste Variante, weil ihnen dann viel Arbeit erspart bleibt, sie kein Urteil fällen und schreiben müssen. Wir selbst wären unter Umständen zu einem Vergleich bereit gewesen, wenn die Gegenseite ein entsprechendes Angebot unterbreitet hätte, zum Beispiel die Wiederherstellung aller gelöschten Beiträge, die Zurücknahme aller Sperrungen (den Zähler wieder auf Null stellen) plus eine adäquate Entschädigung.

Facebook hat, wie wohl üblich, die Kanzlei White & Case, eine der größten Kanzleien der Welt, beauftragt, seine Interessen zu vertreten, welche durch Herrn Markus Mette aus Hamburg repräsentiert wurde. Dieser gab sogleich zu erkennen, dass seine Mandantin nicht bereit sei zu einer gütlichen Einigung, da insbesondere Dr. Stahl mehrere hunderte Prozesse gegen Facebook führe und daher eine rechtliche Klärung sinnvoll sei.

Ich selbst muss gestehen, dass ich nicht genau weiß, ob ich nicht schwach geworden wäre, wenn Facebook ein entsprechendes Vergleichsangebot unterbreitet hätte. Denn für mich persönlich wäre dann die Sache sehr schnell ausgestanden gewesen, wenn alle meine Sperrungen annulliert worden wären und ich entsprechend entschädigt. Im Sinne der Sache ist aber ein gerichtliche Auseinandersetzung, auch und gerade über mehrere Instanzen, die bessere Lösung. Denn letztlich muss hier im Sinne aller eine eindeutige Rechtsprechung her, damit klar gestellt wird, ob das regelmäßige doch recht willkürlich Lösch- und Sperrungs-Prozedere von Facebook rechtswidrig ist oder nicht.

Der Weg durch die Instanzen wird sich wohl noch lange hinziehen

Dies wird aber bedeuten, dass mit der ersten Instanz, also dem Urteil des Landgerichtes Hamburg, noch lange nicht Schluss sein wird. Egal wer verliert, ob Facebook oder wir, der Verlierer wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in die nächste Instanz gehen, das wäre dann das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg. Und auch dann wird wohl noch nicht Schluss ein. Wer vor dem OLG verliert, wird wohl, so ist anzunehmen, vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ziehen. Das aber heißt, das Ganze wird sich nochmals über Jahre hinziehen.

Die Gegenseite hat in der Verhandlung darum gebeten, auf den letzten Schriftsatz von Dr. Stahl nochmals antworten zu dürfen und dafür eine Frist von sechs Wochen beantragt, weil die Kanzlei sich mit der Mutter von Facebook Irerland, Facebook USA, absprechen müsse. Dem kam Richter Brüggemeier nach. Dieser Schriftsatz wird dem Gericht also Anfang März vorliegen, so dass mit einem Urteil frühestens Ende März oder April zu rechnen ist. Sollte es dann, wie erwartet, vor das OLG gegen, dürfte es bis zum OLG-Urteil nochmals rund ein Jahr dauern, wir hätten dann also 2020, und für die nächste Instanz, BGH in Karlsruhe, müssen wir sicher mindestens nochmals ein Jahr rechnen, so dass wir auf jeden Fall im Jahr 2021 landen dürften. Insofern ist vielleicht verständlich, warum ich bei einem Vergleichsangebot vielleicht doch schwach geworden wäre. Aber der Weg durch die Instanzen ist, wie gesagt, im Sinne der Sache der bessere.

Kurze Skizzierung der verschiedenen Argumentationen

In der kurzen mündlichen Verhandlung, die sich dann doch ergab, stellte Herr Mette zunächst heraus, wie schwierig es für Facebook sei, weil es von zwei Seiten unter Beschuss wäre. Die einen würden meinen, Facebook lösche zu viel, die anderen dagegen das Gegenteil, es lösche zu wenig. (Dass Facebook einerseits zu viel, andererseits zu wenig löscht, je nachdem, welche Ansichten vertreten werden, was leicht nachweisbar ist, blendete er dabei natürlich völlig aus.) Er blieb in seinen rhetorisch sehr geschickten Ausführungen immer sehr allgemein, ging im Grunde gar nicht wirklich auf meinen Fall und die konkreten sieben Löschungen ein, sondern warb quasi in sehr allgemeiner Form um Verständnis für seine Mandantin. Im übrigen hätte ich ja die Möglichkeit, meine Meinung überall anders frei zu äußern, ich müsse Facebook ja nicht nutzen.

Auf den Einwand von Dr. Stahl, dass hier ein Vertragsverhältnis zwischen Facebook als Plattformbetreiber und seinen Nutzern bestehe und beide Vertragspartner sich sowohl an den geschlossenen Vertrag als auch an Recht und Gesetz zu halten habe, dass zum Beispiel einseitige Vertragsstrafen rechtlich kaum haltbar seien, wusste die Gegenseite wenig zu entgegnen. Herr Mette berief sich dagegen auf das Netzwerkdurchsetzungs-Gesetz, welches Facebook dazu verpflichte, bestimmte Dinge vom Netz zu nehmen. Auf unsere Rückfrage, ob denn im NetzDG irgendetwas von Sperrungen stünde (tut es nicht), entgegnete er, ein Plattformbetreiber müsse doch das Recht haben, bei Vertragsverletzungen entsprechende Strafen zu verhängen. Doch stellt sich auch hier die Frage: Welche Möglichkeiten haben denn die Nutzer der Plattform, also die Vertragspartner von Facebook, Strafen gegen Facebook zu verhängen, wenn Facebook sich nicht an den vereinbarten Vertrag hält?

Die zwei grundsätzlichen Fragen, die es zu entscheiden gilt

Insgesamt wird das Gericht zwei grundsätzliche Dinge zu klären haben: Erstens ob die „Gemeinschaftsstandards“, „Seitenrichtlinien“ und Nutzungsbedingungen von Facebook überhaupt rechtens sind. Hier gibt es bereits mehrere Urteile deutscher Gerichte, die das verneinen, andere bejahen diese Frage. Herr Dr. Brüggemeier gab zu erkennen, dass er momentan eher dazu neigt, sich Letzterem anzuschließen, dass die Fb-Richtlinien also rechtmäßig wären. Sollte sein Urteil so ausfallen, werden wir das wahrscheinlich anfechten.

Zweitens wird es dann darum gehen, wenn das Hamburger Landgericht davon ausgeht, dass die Fb-Richtlinien rechtmäßig und damit gültig sind, ob sie in meinem konkreten Fall korrekt oder fehlerhaft angewendet wurden. Dies muss dann in allen sieben Fällen dezidiert geprüft werden. Da ich niemals Personen angegriffen habe, sondern immer nur Allgemeines, insbesondere die islamische Weltanschauung, dürfte mein Fall ideal geeignet sein, um hier eine höchstrichterliche Entscheidung herbeizuführen. Sollte der Richter zu dem Urteil kommen, dass nicht nur die Fb-Richtlinien rechtmäßig sind, sondern ich auch gegen diese verstoßen habe, was ich mir nicht vorstellen kann, dass er zu diesem Urteil kommt, dann werden wir das sicherlich anfechten.

Sehr fairer Umgang miteinander in der Verhandlung

Zwei positive Dinge zum Abschluss. Das Klima in der Verhandlung war ausgesprochen entspannt und von großer Fairness geprägt. Das Landgericht Hamburg machte auf mich einen etwas chaotischen Eindruck, aber Richter Dr. Brüggemeier war ausgesprochen höflich und sehr um eine angemessene, ausgeglichene Verhandlung bemüht. Er ließ auch mich selbst, nach dem dem Vortrag der beiden Anwälte, ausführlich zu Wort kommen. Und auch der Anwalt der Gegenseite begegnete uns sehr respektvoll. In seiner Argumentation war er zwar sichtlich bemüht, vom konkreten Fall möglichst weit abzulenken und zum Allgemeinen hinzulenken sowie um Verständnis für die Situation seiner Mandantin zu werben, aber das würde ich umgekehrt ja genauso machen. Das ist sein Job.

Und zuletzt natürlich ein ganz großes Dankeschön an Dr. Christian Stahl, der ein unglaubliches Engagement an den Tag legt. Bei ihm spürt man, dass ihm dieses Thema wirklich am Herzen liegt. Er reiste für die Verhandlung, wie oben schon erwähnt, extra von Regensburg nach Hamburg an, so dass er einen ganzen Arbeitstag investieren musste. Herrn Stahl kann ich in jeder Hinsicht nur empfehlen. Er ist nicht nur sehr tief in der Materie drin – es gibt keinen zweiten Anwalt in Deutschland, der so viele Prozesse gegen Facebook führt – und ist ungewöhnlich engagiert, sondern seinen Mandanten gegenüber auch ausgesprochen fair.

Sobald das Urteil des Landgerichtes Hamburg vorliegt, werde ich weiter berichten.

P.S.

Kurz vor dem Prozess machte Facebook übrigens zumindest mal einen kleinen Rückzieher und stellte zwei der sieben strittigen Postings nach vielen, vielen Monaten plötzlich wie aus dem Nichts wieder her. Natürlich ohne jedes Eingeständnis, dass es sich um rechtswidrige Löschungen und rechtswidrige Sperrungen handelte, sondern einfach so. Inbesondere dieser Artikel von Prof. Rudolf Brandner wurde inzwischen wieder freigeschaltet: Das muslimische Paradox: Die Migranten fliehen vor dem, das sie selbst in sich tragen und damit zu uns importieren.

P.P.S.

Die Verzögerungstaktik von Facebook ist ganz normal. Das versuchen große Konzerne immer, um den Gegner zu zermürben. Dieses Prozedere kenne ich, da ich schon oft gegen großen Konzerne geklagt und übrigens noch nie verloren habe. Gegen die MLP AG, ein milliardenschwerer Konzern, klagte ich fünf Jahre lang, dann gab sie schließlich klein bei und machte mir ein überaus großzügiges Vergleichsangebot, nachdem der Richter die Gegenseite fragte, ob sie es tatsächlich drauf ankommen lassen wolle, dass er ein Urteil fälle, das dann publik würde. Aber hier ist das Ziel, wie erläutert, nicht ein Vergleich, sondern eine Klärung der Rechtslage für alle und der Kampf für die freie Meinungsäußerung.

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Titelbild: Pixabay, CC0 Creative Commons

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