Was, wenn es AKK, was, wenn es Merz wird?

Von Jürgen Fritz, Fr. 7. Dez 2018

Heute ist es soweit. Die CDU wird sich einen neuen Parteivorsitzenden wählen. Nach 18 Jahren ist damit das Ende der Ära Merkel als CDU-Chefin gekommen. Der neue CDU-Vorsitzende wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in nicht allzu großer Ferne auch der kommende Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und damit eine der mächtigsten Personen in Europa und der Welt sein. Doch was haben wir unter einer CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer und was unter einem Parteivorsitz von Friedrich Merz zu erwarten?

Wer wird es werden?

1.001 Delegierte wählen heute in Hamburg den neuen CDU-Parteivorsitzenden. Das Rennen dürfte sich entscheiden zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn, wobei Spahn nur Außenseiterchancen zufallen. Vermutlich wird es zu einem zweiten Wahldurchgang kommen, weil kein Kandidat – eventuell werden noch weitere über die drei hinaus nominiert -, im ersten Durchgang auf die erforderliche Mehrheit kommen wird. In der Stichwahl dürfte es sich dann zwischen AKK und Merz entscheiden.

Die Bild am Sonntag fragte am letzten Wochenende bei den Bezirks- und Kreisverbänden nach, um deren jeweiligen Delegierten ausfindig zu machen und sie zu befragen, wen sie heute wählen werden. Die BamS erreichte insgesamt 953 der 1.001 Delegierte. Hier das Ergebnis, was diese vor ein paar Tagen sagten. 489 konnten noch keine (konkrete) Angabe machen, weitere 195 sagten, dass sie noch unentschieden seien, wen sie auf dem Bundesparteitag wählen werden. Die Verbleibenden 269, also knapp 27 Prozent der Wahlberechtigten heute, machten bereits eine konkrete Wahlaussage. Das ist noch zu wenig, um daraus eindeutige Schlüsse für die Wahl heute zu ziehen, gibt aber doch erste Hinweise, denn immerhin ist das schon über ein Viertel der 1.001 Delegierten.

Ergebnis: Bei diesen 269 bereits Entschiedenen führt Friedrich Merz klar mit 144 Stimmen (53,5 Prozent) vor Annegret Kramp-Karrenbauer mit 96 Stimmen (35,7 Prozent) und Jens Spahn mit 29 Stimmen (10,8 Prozent). Vergleiche dazu die JFB-Umfrage, bei der aber natürlich nicht CDU-Delegierte und auch nicht CDU-Wähler, sondern alle befragt wurden.

Wen hätten die Wahlberechtigten am liebsten?

Laut einer Forsa-Umfrage von letzter Woche, wobei Forsa als SPD- und Merkel-nah gilt und die Zahlen dieses Instituts generell mit großer Vorsicht zu genießen sind, ist AKK bei den Wählern allgemein beliebter als Merz. Die breite Masse empfindet sie als glaubwürdiger, sympathischer und bodenständiger. Die etwas dubiose Figur an der Spitze von Forsa, Manfred Güllner, die so tut als wäre sie Wissenschaftler, die in Wahrheit aber Wähler zu beeinflussen trachtet, so hat man seit Jahren massiv den Eindruck, plädiert daher ganz entschieden für AKK, von der Güllner ähnlich begeistert zu sein scheint wie von Merkel in den letzten Jahren.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Kramp-Karrenbauer im Wahlvolk bei den Frauen eher punkten kann als Merz und Spahn. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend von gestern gaben 45 Prozent an, sie hätten am liebsten die Saarländerin an der CDU-Spitze. 30 Prozent votierten hier für Merz und 10 Prozent für Spahn. Interessanter sind natürlich die Zahlen der CDU-Anhänger. Hier ist der Abstand zwischen AKK und Merz wenig überraschend geringer, denn dass Merz bei SPD-, Grünen-, und SED-Anhängern weniger gut ankommt als Kramp-Karrenbauer dürfte klar sein. Unter den CDU-Wählern sprachen sich 47 Prozent für AKK aus, 37 Prozent für Merz und 12 Prozent für Spahn.

Betrachtet man die Antworten aller Wahlberechtigter, also nicht nur der relevanten CDU-Anhänger, nach Geschlechtern getrennt, ergibt sich ein klares Bild. Im Wahlvolk liegt AKK bei den Frauen mit 53 Prozent klar vor Merz (23 Prozent) und Spahn (8 Prozent), bei den Männern dagegen liegt Merz knapp vorne mit 38 Prozent vor AKK mit 37 und Spahn mit 11 Prozent.

Entscheidend ist aber für die CDU natürlich nicht, was SPD-, Grüne- und SED- oder AfD-Wähler wollen. Betrachten wir also, wie es innerhalb der CDU selbst aussieht.

Wer steht hinter AKK?

Für Annegret Kramp-Karrenbauer als künftige CDU-Vorsitzende hat sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther bereits am Montagabend ausgesprochen. Das ist nicht überraschend, steht Günther doch sogar der SED (Die Linke) nicht allzu fern und sprach sich bereits öffentlich dafür aus, dass die CDU auch mit den SED-Nachfolgern koalieren könne, um Mehrheiten zustande zu bringen, Hauptsache nicht mit der AfD! Er werde die jetzige Generalsekretärin wählen und für sie werben, sagte Günther vor Journalisten in Kiel. Sein eigener Landesverband soll das aber mehrheitlich durchaus anders sehen, ist zu hören, und scheint eher hinter Merz zu stehen.

Hinter AKK soll auch der CDU-Arbeitnehmerflügel mehrheitlich stehen, so ist zu hören, wobei hier keine klare Zahlen vorliegen. Der ehemalige Bundesinnenminister und jahrzehntelange enge Merkel-Vertraute Thomas de Maizière, der sich im September 2015 nicht traute, die deutsche Außengrenze zu schließen, obschon das seine Aufgabe gewesen wäre, will AKK wählen, wie er diese Tage öffentlich verlautbaren ließ.

Nachdem Wolfgang Schäuble sich am Mittwoch dezidiert geäußert hatte, platzte sofort Peter Altmaier, einer von Merkels engsten Vertrauten, hervor, kritisierte Schäuble, dass dieser seine Präferenz öffentlich mache, dies käme einem Dammbruch gleich, um sich selbst dann sofort für AKK stark zu machen. Auch das keine Überraschung, denn die beiden Saarländer, Altmaier und AKK, gehörten seit Jahren zum engsten Merkel-Kreis. Der ehemalige rheinland-pfälzische und thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel hat sich gestern Abend bei Markus Lanz ebenfalls für AKK ausgesprochen. Auch Vogel gilt als großer Merkel-Fan. Die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, sprach sich ebenfalls für AKK als neue CDU-Chefin aus.

 Die Merz-Anhänger in der CDU

Dass der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch sich klar für Merz aussprechen würde, war zu erwarten. Die beiden verbindet eine lange Freundschaft und beide waren mit der Merkel-Politik der letzten Jahre nicht einverstanden. Auch die baden-württembergische CDU scheint eine klare Präferenz für Merz zu haben, ebenso die Mittelstandsvereinigung der CDU. Der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, scheint ebenfalls klar zu Merz zu tendieren, ebenso Carsten Linnemann, der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU und Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der große Paukenschlag kam aber Mitte der Woche.

Denn da hat sich dann doch überraschend, überraschend insofern, dass er es öffentlich aussprach, noch dazu mit solch einer Vehemenz, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble für Friedrich Merz ausgesprochen. Und das mit diesen gravitätischen Worten, die man mehrfach lesen muss:  „Es wäre das Beste für das Land, wenn Friedrich Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte“, sagte Schäuble der FAZ (Mittwochsausgabe).

Ein Wahlsieg von Friedrich Merz „würde es erleichtern, wieder zu einer Integration der politischen Kräfte zur Mitte hin zu kommen und unser System zu stabilisieren“, so Schäuble weiter. „Die politischen Ränder würden dann wieder schwächer.“ Schäuble und Merz eint ihr angespanntes Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer desaströsen deutschlandfeindlichen Politik der letzten Jahre. Die beiden CDU-Politiker sind seit den 1990er-Jahren befreundet, hielten auch während Merz’ Auszeit von der Politik Kontakt. „Dass Merz ein anständiger Kerl ist, habe ich immer gewusst“, sagte Schäuble, der große Stücke auf den Sauerländer hält. 

Schäubles Wort hat in der CDU immenses Gewicht, gilt er doch als der Übervater der Partei. Und dass er sich so klar und so vehement hinter Merz stellt, dürfte andere beeindrucken. Vor allem ist Schäubles Perspektivenwechsel sehr bemerkenswert. Sein Argument lautet nicht, Merz sei für die CDU besser als AKK und Spahn, sondern in seinem Diktum steckt drin: Merz ist für unser Land klar die beste Option. Er ist genau der Mann, den wir an dieser Stelle – gemeint ist das Kanzleramt – jetzt brauchen.

Am Mittwoch hat sich dann auch die CDU Sachsen-Anhalt klar für Merz ausgesprochen. Der Landesverband führte eine Abstimmung bei seinen Mitgliedern durch, bei der sich ca. 38 Prozent beteiligten. Das Ergebnis sprach eine überdeutliche Sprache. Friedrich Merz erhielt 55,8 Prozent der Stimmen, AKK nur 39,5 und Spahn nicht mal 4,7 Prozent.

Was wird heute passieren?

Fassen wir zusammen: In der Bevölkerung allgemein ist Kramp-Karrenbauer sehr beliebt, vor allem bei den Frauen. Hier liegt sie bei den Sympathiewerten klar vor Merz und Spahn. Bei den CDU-Anhängern ist der Unterschied allerdings geringer und bei den Männern liegt sogar Merz ganz knapp vor ihr, bei den CDU-Männern wahrscheinlich sogar etwas deutlicher. Merz gilt als vor allem als wirtschaftlich kompetenter und führungsstärker. Was gegen Kramp-Karrenbauer sprechen könnte: Nur rund ein Drittel (34 Prozent) der Delegierten auf dem CDU-Parteitag sind weiblich.

Meine Vermutung: Spahn wird keine Chance haben, neuer CDU-Vorsitzender zu werden. Der 38-Jährige könnte aber einen Achtungserfolg erzielen mit über 10 Prozent der Stimmen im ersten Wahldurchgang. Das wäre ein ordentliches Ergebnis. Entscheiden wird es sich aber zwischen AKK und Merz und hier wird es eng werden. AKK ist wohl auf Grund ihrer extrem guten Vernetzung in der Partei ganz knappe Favoritin, aber Merz, der innerhalb der Delegierten fast gleichauf liegen dürfte, könnte das Ding heute drehen. Von entscheidender Bedeutung könnten die heutigen Reden der beiden werden.

„Die Reden werden die Unentschlossenen sicherlich stark beeinflussen und ihre Wahl entscheiden“, sagt Rhetorik-Professor Joachim Knape von der Uni Tübingen. Denn über 50, womöglich über 70 Prozent der Delegierten war vor wenigen Tagen noch nicht sicher, wem sie ihre Stimme geben sollen. Die Redezeit ist auf 10 bis 20 Minuten angesetzt, je nachdem, wie viele Kandidaten antreten werden. Merz-Anhänger hoffen auf so viele Minuten wie möglich, weil Merz als sehr guter Redner gilt. Für ihn wären deutlich mehr als 20 Minuten besser. AKK hingegen könnte eine längere Redezeit vielleicht schaden. Körpersprache-Expertin Veronika Langguth äußerte sich gegenüber der Bild wie folgt: „Ihre Stimme ist klar und deutlich, doch zeigt sie wenig Modulation und Pausen, was über eine längere Strecke hinweg, zusammen mit gleichförmiger Lautstärke, eher schwer erträglich wirkt.“ AKK wird daher eher auf nur 10 bis 15 Minuten Redezeit hoffen, so dass Merz weniger Gelegenheit hat zu punkten.

Meine Prognose: Je länger man Merz sprechen lässt, desto mehr hat er die Möglichkeit noch nicht entschiedene Delegierte zu überzeugen und zu zeigen, dass er ein anderes Format hat als seine perfekt vernetzte, aber wenig glanzvolle Konkurrentin, die etwas von einer grauen Maus hat und die man sich als kommende Kanzlerin weniger gut vorstellen kann. Nun aber vielleicht zur Schlüsselfrage.

Was, wenn AKK es wird?

Sollte sich der Parteitag für Kramp-Karrenbauer entscheiden, wird sich die Politik sicherlich weniger verändern. AKK wird nicht alles genauso weitermachen wie Merkel, auch sie wird zum Beispiel bei Abschiebungen von abgelehnten Asylanten restriktiver vorgehen. Insgesamt steht sie aber vor allem für eines: Kontinuität. Insofern kommt sie vor allem bei SPD-lern, Grünen und SED-lern besser an als Merz. Ebenso bei den fast vollständig grün-linken Massenmedien. Dort wird sie regelrecht hochgejubelt, was natürlich zu einer Verzerrung der Wahlchancen führt, weil auch CDU-Delegierte sich von den grün-linken Massenmedien beeinflussen lassen.

Dass Kramp-Karrenbauer über die geistige Kompetenz, den Weitblick, die innere Stärke und Durchsetzungskraft verfügt, den Kurs der Politik drastisch zu ändern und Politik für und nicht gegen Deutschland und unser Volk zu betreiben, darf als extrem unwahrscheinlich angesehen werden.

Auch die CDU dürfte dann massive Einbußen hinnehmen. Viele, für die Merz die letzte Hoffnung war, dass die Partei doch nochmal von der SPD und den Grünen weggeführt würde, werden sich dann weitgehend zurückziehen oder sogar aus der CDU austreten, nicht wenige womöglich in die AfD eintreten, die dann zur neuen Volkspartei werden könnte. Das Problem dabei: Die AfD hätte auf Dauer keinen möglichen Koalitionspartner und alleine auf 50 Prozent zu kommen, scheint ausgeschlossen.

Was, wenn Merz es wird?

Doch wie sieht es aus, wenn Merz die Mehrheit der Delegierten heute überzeugen kann? Steigen dann die Chancen für Deutschland und Europa deutlich oder nur ein wenig? Ich selbst habe dazu bereits vor fünf Wochen ein positives, optimistisches Szenario entwickelt, Michael Klonovsky hat ein eher pessimistisches solches. Ich fürchte, dass das seine das realistischere ist, meines quasi dasjenige, das eher ein wenig Hoffnung macht. Doch geben wir Michael Klonovsky das letzte Wort, der gestern schreibt:

„‚Was passiert, wenn Merz es wird?‘ Wie oft habe ich diese Frage in den vergangenen Tagen gehört. Was dann passiert? Er würde in diesem Falle wohl auch Merkel beerben. Die Medien werden sich auf ihn einschießen, weil er Millionär ist und ‚rechts‘ von Merkel steht.

Merz wird versuchen, das zu kompensieren und sich dem Mainstream anzudienen, indem er sich maßlos von der AfD distanziert. Niemand wird das honorieren, am wenigsten der Wähler, vor allem nicht, wenn er zugleich mit den Grünen flirtet. Da die Probleme nicht kleiner werden, dürften immer mehr CDUler zur AfD überlaufen. Noch haben die Christdemokraten Ämter und Pöstchen zu verteilen, was den Laden zusammenhält, doch diese Partei wird den Weg der SPD gehen.

Mittelfristig entscheidet der Gegensatz Grüne – AfD über die deutsche Politik. Wenn die CDU eine Zukunft haben will, wird sie die AfD verdrängen und sich radikal gegen die Grünen stellen müssen (deren Radikalismus hierzulande übrigens viel zu selten thematisiert wird; wer die Wirtschaft dekarbonisieren, die Familie auflösen und immer mehr potentielle Bürgerkriegskombattanten einwandern lassen will, ist keine Partei der bürgerlichen Mitte).“

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Titelbild: YouTube-Screenshot

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