Von Jürgen Fritz, Do. 16. Mai 2019
„Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“ (Carl Sandburg) … dann kommt der Krieg zu dir. „Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und lässt andere kämpfen für seine Sache, der muss sich vorsehen: denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal den Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will: denn es wird kämpfen für die Sache des Feinds, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“ (Bertolt Brecht) Dieser große Kultur- und Weltanschauungskrieg wird uns alle überdauern, sprich: „Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen.“ (George Santayana)
Liberalismus, Sozialismus und Islam oder: Es kann nur einen geben
Sollte meine These stimmen, dass wir uns in einem globalen Krieg der Kulturen befinden zwischen vor allen Dingen drei großen Weltanschauungen, die alle drei einen universalen Geltungsanspruch haben: 1. Liberalismus, 2. Sozialismus und 3. Islam (Ultrakonservatismus), es daneben noch etwas verträumte Romantiker gibt, die meinen, es könnte langfristig so etwas wie Ethnopluralismus geben (jeder köchelt so vor sich hin, wie es ihm gefällt), dann ist aus Sicht der drei genannten Weltanschauungen mit universalem Geltungsanspruch jeder Anhänger einer der beiden anderen solchen ein Krieger des Feindes.
Was ist der Unterschied zwischen einem Gegner und einem Feind und warum benutze ich diesen Ausdruck und nicht jenen? Wenn ich gegen jemand Tennis oder Tischtennis spiele, dann will ich den anderen besiegen, aber ich will nicht, dass er aus der Welt verschwindet. Gegen wen soll ich denn dann spielen, wenn ich alle verschwinden lasse? Dann hätte ich ja keinen Gegner mehr. In einem globalen Weltanschauungskrieg aber sollen die anderen Weltbilder völlig ausradiert werden. Von ihnen soll möglichst nichts übrig bleiben. Daher ist es sachlich richtig von Kriegund Feinden zu sprechen und nicht von Gegnern.
Dabei gilt: Wenn auch nur eine Seite den Krieg will, dann ist er schon da. Krieg ist quasi anderes als Friede nichts Symmetrisches. Es müssen nicht beide Seiten ihn wollen. Wenn A B überfällt, mit dem Ziel, ihn zu vernichten, dann ist B im Krieg ob er will oder nicht, während Friede den Willen zu eben jenem auf beiden Seiten voraussetzt.
Der strukturell benachteiligte Liberalismus
Der echte Liberalismus muss wollen, dass alle Menschen in Freiheit leben, dass die Menschenrechte für alle gelten, nicht nur für die Menschen, die im eigenen Territorium leben. Das heißt nicht, dass man andere mit Gewalt dazu zwingen muss, ebenfalls liberale Gesellschaften zu entwickeln, aber man muss darauf hinwirken, dass die Entwicklung langfristig in diese Richtung geht. Insbesondere wenn man gar nicht die Mittel hat, das gewaltsam durchzusetzen, oder wenn die menschlichen Verluste viel zu groß wären, müssen hier andere Strategien gewählt werden, zum Beispiel Förderung der Aufklärung, aber das Ziel muss angestrebt werden. Ein menschenrechtsorientierter Liberaler kann sich nicht darauf beschränken, dass nur seine Gesellschaft dementsprechend organisiert ist.
Der Liberalismus scheint mir nun in diesem globalen Kulturkrieg die schlechtesten Karten zu besitzen. Für ihn werden die wenigsten kämpfen, wobei er die einzige Weltanschauung ist, die nicht primär mit Gewalt und Indoktrination bzw. Propaganda kämpft. Leider sind aber wohl viele ökonomisch Liberale (Kapitalisten, freie Marktwirtschaftler) keine kulturellen (freies Denken und Sprechen, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit etc.) und auch keine politischen Liberale (Gewaltenteilung, Trennung von Staat und Religion, Demokratie), sondern reine Geschäftemacher, die sich längst mit den beiden großen Unterdrückunssystemen verbündet haben.
Auf die christlichen Kirchen und Funktionäre ist keinerlei Verlass, sie werden fast vollständig überlaufen
Die christlichen Kirchen und Funktionäre werden wohl fast komplett zum Islam überlaufen, weil der ihnen näher ist als der Liberalismus. Man hat ja den gleichen Gott, meint man zumindest (was in Wahrheit nicht stimmt), und Liberalismus kann leicht zur Abkehr von diesem führen, vor allem wenn man die kleinen Kinder liberal erzieht.
Selbst der Sozialismus scheint den christlichen Kirchen und Funktionären näher, mit dem man sich wohl auch noch arrangieren könnte, siehe Franziskus und die Befreiungstheologen, zumal die Neuen Linken viel weniger religionskritisch sind als die Altlinken, so wie überhaupt noch religionskritisch sind. Hier hat man wohl erkannt, dass eine Entente mit den großen Religionen die eigene Durchschlagskraft enorm erhöht. Und Jesus war ja selbst – natürlich nicht im Marx’schen Sinne – sehr kommunismusaffin (kein Privateigentum, sich vor allem um die Armen kümmern etc.).
Auch Mohammed trug zunächst antikapitalistische Züge. Er lehnte sich anfangs in Mekka vor allem gegen den dort dominanten Stamm der Quaraisch auf, der sich aus gut einem Dutzend Clans zusammensetzte, die dort eine reiche Aristokratie bildeten. Seine Anhänger fand Mohammed zunächst ähnlich wie Jesus bei den Armen und Sklaven. Vor allem aber war Mohammed vollkommen antiliberal, so dass es hier sogar noch stärkere Berührungspunkte zum Sozialismus gibt – einer der Gründe für die Schwäche der Sozialisten für den Islam.
Die Neuen Rechten: naive, weltfremde Träumer
Die Neuen Rechten dagegen mit ihrem Konzept des Ethnopluralismus (Völkervielfalt, jeder soll so machen, wie er will, wie es seiner Tradition entspricht) können hier kaum anders als dem Untergang geweihte Randerscheinung gesehen werden. Warum sollte Land A mit Land Z ein Bündnis schließen, das im Angriffsfall zum Kriegsbündnis verpflichtet, wenn A und Z vollkommen unterschiedliche Weltanschauungen haben? Würden Sie für ein andere Kultur kämpfen und sterben wollen, die sich für Sklaverei, für Genitalverstümmelungen oder Unterdrückung von Christen stark macht? Warum sollte man das tun? Welche Motivation sollte hierfür aufgebracht werden?
Nein, starke, verlässliche Bündnisse, die auch dann halten, wenn es um Leben und Tod geht, entstehen, vor allem aber halten am ehesten, wenn es eine gemeinsame Weltanschauung gibt, die einen in der Tiefe verbindet. Genau das fehlt den Neuen Rechten mit ihrem Ethnopluralismus, der genau wie der Multikulturalismus nichts anderes darstellt als eine weitere Variante des kulturellen und ethischen Relativismus. Daher sind sie im Grunde gar kein globaler Player und haben den drei großen Weltanschauungen außer auf lokaler Ebene kaum etwas entgegenzusetzen.
Die Nationalismen scheinen mir zwar im Moment noch notwendig, weil liberale Demokratien in größerem Maßstab derzeit, auf Grund der noch zu großen Unterschiede zwischen den Nationen, noch nicht funktionieren, auch Francis Fukuyama scheint das zunehmend zu erkennen, aber langfristig hat der Liberalismus wohl nur eine Chance, wenn er über das Nationale hinaus wächst.
Im Moment spricht vieles dafür, dass die Demografie den großen Kulturkrieg entscheiden wird
Insgesamt scheint mir in diesem globalen Weltanschauungskrieg wie so oft die Demografie von entscheidender Bedeutung. Meine Vermutung: Umfang und Geschwindigkeit der Reproduktion von neuen Kriegern, sprich Anhängern der eigenen Weltanschauung, wird den Kampf langfristig entscheiden, zumal der Krieg von seiten des Islams nicht per offener Feldschlacht geführt wird, da wird ja die gesamte islamische Welt seit Jahrzehnten nicht mal mit dem winzigen Israel fertig, sondern durch Infiltrierung und Auflösung von innen heraus. Siehe hierzu beispielsweise die Äußerungen von Erdogan, aber auch vielen anderen. Und siehe wie die Supermächte Sowjetunion und USA gegen das winzige Afghanistan beide scheiterten.
Warum scheiterten die zwei damals mächtigsten Imperien an einem winzig kleinen Land, das überhaupt keine Technologie besaß? Wegen der unglaublichen hohen menschlichen Reproduktion. 100 afghanische Frauen bekamen über Jahrzehnte hinweg 700 bis 800 Kinder, also fast 400 Jungen. Wenn ein Afghane in diesen Kriegen fiel, wurden schon wieder drei, vier neue Jungs geboren, die 15 Jahre später zum Kampf bereit standen. Das wäre wohl auch die Erklärung, warum die Führer der Dritten Welt so wenig Interesse haben, ihre extremen Überbevölkerungen, die zu so viel Armut, Elend und lauter Problemen führen, in den Griff zu bekommen.
Die große Schwäche der Liberalen
Mehr Menschen bedeutet mehr Macht, zumal die Liberalen, die Gleichheitsfetichisten und die Demokraten mehrheitlich meinen, jeder sei „gleich viel wert“, egal was er in sich trägt. Es seien ja alles nur „Menschen“ und nicht Krieger oder Träger einer feindlichen Weltanschauung. Das heißt, die (Pseudo-)Liberalen verstehen diesen Krieg gar nicht so richtig, weil sie viel zu sehr den Einzelnen und viel zu wenig das Ganze sehen.
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Titelbild: Pixabay, CC0 Creative Commons
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