Von Jürgen Fritz, Di. 19. Jan 2021, Titelbild: YouTube-Screenshot
Mit knapper Mehrheit von 52,8 zu 47,2 Prozent wählten die Delegierten völlig entgegen dem Wunsch der Parteibasis und der Unionswähler Armin Laschet in der Stichwahl gegen Friedrich Merz online zum CDU-Vorsitzenden. Dieser hat nun in einem Brief, der JFB vorliegt, seine Anhänger aufgerufen, in der schriftlich-verbindlichen Wahl Laschet „mit einem starken Votum auszustatten“. Auch zu einem möglichen Wechsel in die FDP äußerte er sich.
Merz: Wir sollten Laschet jetzt unterstützen, denn Deutschland droht in rechten Populismus oder grün-linken Neo-Sozialismus abzurutschen
Gestern, am Montag, versendete Friedrich Merz einen Brief an seine Anhänger in der CDU, in welchem er die Delegierten dazu aufrief, die Online-Wahl von Armin Laschet nun auch in der rechtlich verbindlichen schriftlichen Wahl zu bestätigen und diesen „mit einem starken Votum auszustatten“. Schon vor der Wahl hatte Merz, wie auch Röttgen und Laschet, erklärt, dass er das Ergebnis der Online-Wahl, wie auch immer sie ausfallen möge, akzeptieren und im Falle einer Nichtwahl bei der schriftlichen Wahl gar nicht mehr als Kandidat antreten werde. In seinem gestrigen Brief, der JFB vollständig vorliegt, schreibt er nun:
Die CDU stehe an einem wichtigen Wendepunkt ihrer Geschichte, schreibt Merz gleich zu Beginn seines Briefes. Der digitale Parteitag am Wochenende sei ein Meilenstein gewesen. Er lobt insbesondere Generalsekretär Paul Ziemiak und „die Mannschaft im Adenauer-Haus“, die Maßstäbe gesetzt hätten in moderner Parteiarbeit. Jetzt gelte es, den Bück nach vorn zu richten, so Merz. Daher sei es ihm ein großes Anliegen, sich mit diesem Brief an seine Anhänger zu wenden.
Der Parteitag habe entschieden und Armin Laschet sei nun der neue Vorsitzende der CDU. „Wir sollten Armin Laschet jetzt mit aller Kraft gemeinsam bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe unterstützen“, so der knapp Unterlegene wörtlich. Die Union brauche Geschlossenheit und gute Zusammenarbeit „und wir müssen zusammen kämpfen: für unsere Überzeugungen und für unser Land. Wenn wir das nicht tun, dann droht Deutschland in rechten Populismus oder grün linken Neo-Sozialismus abzurutschen. Unserem Land würde schwerer Schaden zugefügt“, schreibt der Kandidat, den sich die CDU-Mitglieder und Wähler mit großer Mehrheit als CDU-Vorsitzenden gewünscht hätten.
Im Februar haben die CDU-Vorsitzende und ihre fünf Stellvertreter, darunter Laschet, das Bundeswirtschaftsministerium angeboten
Und dann erklärt Merz auch, wie es kurz nach der Wahl am Samstag zu seinem Angebot kam, als Bundeswirtschaftsminister sofort ins Kabinett Merkel einzutreten: „Mir wurde vor einem Jahr aus der Führung der CDU der Vorschlag unterbreitet, meine Mitarbeit sehr konkret einzubringen. Ich war und bin für diesen Gedanken unverändert aufgeschlossen. Zugleich bedaure ich sehr, dass in diesem Zusammenhang am Wochenende Irritationen um meine Person entstanden sind. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Auch ohne Amt werde ich mein Versprechen einlösen, für die Partei weiter engagiert zu arbeiten.“
Bezüglich dieses Angebots von Merz, sofort das Bundeswirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) zu übernehmen, was viele irritierte, weiß Ansgar Graw, der Herausgeber des The Eureopean mehr. Er schreibt: „Dieser Vorstoß von Merz sorgt seitdem recht einvernehmlich für Kopfschütteln: Wollte Merz den gerade gewählten Parteichef in einen Machtkampf mit Bundeskanzlerin Angela Merkel drängen, von der bekannt ist, dass sie mit Merz nicht kann und sicher nicht seinetwegen ihren langjährigen Vertrauten Peter Altmaier aus dem Kabinett wirft? Oder formulierte er nach seiner Niederlage und nach dem Ende seiner Hoffnung auf die Kandidatur fürs Kanzleramt eine Maximalforderung, von der er wusste, dass Laschet sie ablehnen und ihm damit einen sicheren Ausstieg aus der Politik eröffnen würde? Entweder Platz 1 oder gar nicht.“
Die „forsche Bewerbung“ von Merz sei jedoch nicht aus heiterem Himmel gekommen. „Angeblich wurde Merz genau dieses Amt vor nicht einmal einem Jahr angeboten.“ Im Februar 2020 sei Merz von der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer der Eintritt ins Kabinett Merkel als Wirtschaftsminister angeboten worden. Sie habe auch im Namen ihrer fünf Stellvertreter – unter ihnen Armin Laschet – gesprochen und im Gegenzug verlangt, dass Merz auf seine Kandidatur für den Parteivorsatz verzichte. Er sollte den Weg frei machen für die „Team-Lösung“ mit Armin Laschet und Jens Spahn.
Nur eine lehnte Merz als Wirtschaftsminister ab: Merkel
Und jetzt wird es besonders interessant. Denn Ansgar Graw schildert die Hintergründe wie folgt weiter: „Merz habe bei dem Gespräch im Februar durchaus Bereitschaft für diese Lösung signalisiert. Allerdings habe er gezweifelt, dass Merkel zustimmen würde, und sei nicht durch das Argument überzeugt worden, wenn das die CDU-Vorstandsriege geschlossen fordere, würde die Kanzlerin nachgeben. Und in der Tat habe Merkel einen solchen Kompromiss, der die Entlassung von Altmaier vorausgesetzt hätte, kurz darauf intern strikt abgelehnt.“
Das heißt, alle wären mit dieser Lösung, Merz wird sofort Bundeswirtschaftsminister und überlässt den CDU-Vorsitz kampflos Laschet und Spahn, einverstanden gewesen: die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer, der CDU-Vorstand, Laschet, Spahn und auch Merz selbst. Nur eine nicht: die Kanzlerin. Sie habe sich geweigert, Merz in ihr Kabinett aufzunehmen. Das passt auch sehr gut dazu, wie Merkel auf das jetzige Angebot von Merz am Samstag reagierte.
Innerhalb von Minuten (!) ließ sie über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert schroff mitteilen: „Die Bundeskanzlerin plant keine Kabinettsumbildung“. Diese Art der öffentlichen Zurückweisung – innerhalb von Minuten -, ohne intern miteinander zu sprechen und zu versuchen, gemeinsam eine Lösung der Problematik zu finden, Merz in irgendeiner Form in das große „Team“ der CDU einzubinden, kommt einer Ohrfeige für denjenigen gleich, den Parteimitglieder und Unionswähler mit großer Mehrheit als CDU-Vorsitzenden haben wollten.
Ganz ähnlich berichtet neben The European auch die Süddeutsche Zeitung. Diese schreibt: „Als es darum ging, Friedrich Merz einen Ministerposten zu verschaffen, um seine eigenständige Bewerbung zu verhindern, hat sich Merkel gesperrt. Wäre Merz ins Kabinett gegangen? ‚Meinem Eindruck nach ja‘, sagt Kramp-Karrenbauer.“
Merz: Wir dürfen Deutschland in dieser historischen Stunde nicht grün-rot-roten Experimenten überlassen
Doch zurück Friedrich Merz und seinem Brief an seine Anhänger. In diesem heißt es weiter: Die wirtschaftliche Lage Deutschlands sei ernst. Die Pandemie habe die
Konjunktur dramatisch einbrechen lassen, „Millionen unserer Landsleute stecken mit Sorgen in Kurzarbeit“. Viele Tausend Arbeitsplätze seien bedroht. „Unsere Wettbewerbslage ist ohnedies angeschlagen. Deswegen dürfen wir Deutschland in dieser historischen Stunde nicht rot-rot-grünen Experimenten überlassen. Wir als Kraft der Mitte, der Freiheit und der Vernunft, die wir Wohlstand für alle auch in Zukunft ermöglichen wollen, sind wichtiger denn je. Wir müssen die Aufschwungsperspektive verkörpern. Denn unser Land ist
stark und will diese Stärke wieder entfesseln.“
Deutschland stehe vor einem Comeback der Innovationen und dürfe die Zukunft nicht allein Amerika und China überlassen. „Deshalb kann die CDU auch in Zukunft auf mich zählen.“ Schließlich bittet Merz alle Delegierten, an der schriftlichen Schlussabstimmung teilzunehmen und den neuen Vorsitzenden Armin Laschet „mit einem starken Votum auszustatten“.
Viele wünschen sich einen Wechsel von Merz in die FDP
Merz machte auch deutlich, dass ein Wechsel in eine andere Partei für ihn nicht in Frage komme. Nach der Wahl am Samstag hatte es von verschiedener Seite Anregungen gegeben, Merz solle in die FDP wechseln. „Merz muss in die FDP“, schrieb zum Beispiel Claus Strunz. „Eine profilierte, liberale Partei Deutschlands gäbe vielen Bürgern das Gefühl eines wirklichen Neubeginns. Sie hätte das Potenzial, bei Wahlen hohe zweistellige Ergebnisse zu erzielen und so zu einem starken Koalitionspartner künftiger Landes- und Bundesregierungen zu werden. Merz und Lindner wären die zwei gegen den Rest der Schwarz-Grün-Rot-Blau-Links-Welt, die Deutschland droht. Oder anders gesagt: die Achse der Vernunft.“
Auch Rainer Zitelmann plädierte leidenschaftlich für einen Wechsel von Merz in die FDP. Die CDU habe das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren gezeigt, „dass ihre Funktionäre den Kurs von Friedrich Merz nicht wollen“, sondern weiter auf Merkel-Kurs bleiben wollten. Die Riege der Laschet-Unterstützer sage alles über ihn: Die gesamte CDU-Linke habe wie eine 1 hinter ihm gestanden. „Heute haben Leute wie Daniel Günther (der Mann aus Schleswig Holstein, der einer Zusammenarbeit mit der Linken das Wort redet) das Sagen, während konservative Politiker wie Wolfgang Bosbach längst frustriert aufgegeben haben“, so Zitelmann. Deutschland brauche einen starken bürgerlichen Block aus CDU/CSU und FDP, um eine solche Linksfront-Regierung zu verhindern. „Friedrich Merz könnte hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, aber nicht in der CDU“, so Zitelmann abschließend.
Ein Parteiwechsel von Merz würde die CDU sofort eine Million Wähler kosten und die FDP aufs 1,4 bis 1,5-fache nach oben katapultieren
Ein solcher Parteiwechsel von Merz hätte enorme Auswirkungen auf die Parteienlandschaft. Eine aktuelle INSA-Umfrage im Auftrag von BILD ergab: Sollte Merz in die FDP wechseln, würde das den Liberalen jede Menge neue Wähler bescheren. Diese würden die Zahl ihrer Wähler schlagartig um 40 bis 50 Prozent steigern, allein durch die Person Merz. Die FDP stiege sofort um etwa drei Prozentpunkte, also von derzeit ca. 6,5 Prozent im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute auf dann ca. 9,5 Prozent und mittel- und langfristig könnte das noch weit größere positive Folgen für die FDP, aber negative für die CDU und auch die CSU haben.
56 Prozent der FDP-Wähler fänden einen Partei-Eintritt von Merz auch gut. Nur 24 Prozent der FDP-Anhänger fänden einen Merz-Wechsel nicht gut. Umgekehrt würde die CDU bei einem Parteiaustritt von Merz und Wechsel zur FDP schlagartig ca. eine Million ihrer 13 Millionen Wähler (2 Prozentpunkte) verlieren.
Doch all dem hat Merz eine Absage erteilt. Die Zeichen, die von ihm kommen, scheinen ganz eindeutig: Ein Wechsel zur FDP kommt für ihn wohl nicht in Frage. Merz wird in der CDU bleiben und bietet erneut seine Mitarbeit an. Diese wird von vielen auch ausdrücklich gewünscht, ganz besonders von der Parteibasis und den Unionswählern, aber auch von vielen in der CDU-Spitze. Doch es gibt eine Frau, die genau das unter allen Umständen vermeiden will.
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