Von Jürgen Fritz, Di. 23. Mrz 2021, Update: 26. Mrz 2021, Titelbild: Dawum-Screenshot
35 Prozent plus X, so lautete bis vor kurzem noch die Maßgabe für CDU/CSU. Ja die Union durfte sogar hoffen, die 40 Prozent-Marke zu erreichen bei der Bundestagswahl. Doch diese Zeiten scheinen vorbei. Nun steht wieder ein zwei vorne und es stellt sich eher die Frage, ob Armin Laschet es als Erster schaffen wird, CDU/CSU unter 25 Prozent zu führen. Nebeneffekt dabei: Schwarz-Rot hat keine Mehrheit mehr, dafür aber Grün-Rot-Gelb.
Die tiefe Krise der CDU
Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz endeten beide bereits im Desaster für die CDU. Doch nun könnte es bundesweit noch ärger zu kommen für die Union. In Baden-Württemberg, dem mit 11,1 Millionen Menschen nach NRW und Bayern bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem die CDU 58 Jahre lang die baden-württembergische Landesregierung anführte, erzielte sie vor neun Tagen mit 24,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen des Bundeslandes.
Nicht viel besser erging es ihr in Rheinland-Pfalz, dem mit 4,1 Millionen Einwohnern sechstgrößten der 16 Bundesländer. Auch dieses war bis zum Jahr 1991 fest in CDU-Hand, 44 Jahre lang. Man hatte gehofft, Rheinland-Pfalz irgendwie wieder zurückerobern zu können, doch auch hier setzte es mit 27,7 Prozent eine richtige Klatsche. Weniger als 30 Prozent hatte es im einstigen Helmut Kohl-Land noch niemals gegeben für die CDU. Und nun 27,X Prozent. Das war kaum mehr als die Hälfte vom CDU-Ergebnis 1975, als man in Rheinland-Pfalz 53,9 Prozent holte.
Das Problem betrifft aber nicht nur die CDU alleine. Aktuelle Erhebungen von Civey deuten darauf hin, dass die CSU, die im Juli 2020 noch bei 49 Prozent lag in Bayern, nun auf etwa 39,3 Prozent zurückgefallen ist.
Zusätzlich hat die CDU auch noch ein Führungsproblem, wirkt im Grunde führungslos
Und bei dem neuen CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet stellt sich langsam die Frage, ob er nicht ein ähnlicher Fehlgriff ist wie zuvor schon Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach nur 14 Monaten im Amt hinschmiss und ihren Rückzug von Kanzlerkandidatur und CDU-Vorsitz ankündigte, der sich dann allerdings noch fast ein Jahr hinzog, weil man wegen der COVID-19-Pandemie lange keinen Parteitag organisieren konnte oder wollte.
Bei dem im Januar durchgeführte digitalen Parteitag wählten die knapp tausend CDU-Delegierten dann ausgerechnet Armin Laschet zum neuen Bundesvorsitzenden, den weder die 400.000 CDU-Mitglieder wollten noch die damals noch ca. 17 Millionen Unions-Anhänger. Bei Mitgliederbefragungen innerhalb der CDU kam Laschet nie über 7,5 bis 15 Prozent hinaus, während Röttgen regelmäßig Werte von 20 bis 30 Prozent erzielte und Merz 50 bis 70 Prozent, teilweise sogar noch weit mehr. Laschet ist also ein reiner Funktionärs-Parteivorsitzender, der zudem nicht nur bei den CDU-Mitgliedern, sondern auch bei den Wählern extrem schlecht ankommt.
Über 73 Prozent der Wahlberechtigten, also fast drei von vier, halten Laschet nicht für den richtigen Kanzlerkandidaten der Union. Nur 14,7 Prozent halten ihn für den hierfür richtigen Mann. Weit schlimmer aber noch: Nur 16,4 Prozent der Unions-Anhänger halten Laschet als Kanzlerkandidat für geeignet, nicht einmal Einer von Sechs. Und 72,5 Prozent der CDU/CSU-Anhänger sagen klipp und klar: Nein, nicht Laschet. Nun kann die derzeitige Krise natürlich nicht pirmär dem neuen CDU-Vorsitzenden angelastet werden, diese hat vielmehr etliche Gründe und Schuldige, aber die entscheidende Frage dürfte sein: Ist Laschet derjenige, der die Union aus dieser tiefen Krise wieder herausführen kann? Und da lautet die Antwort wohl eher: Nein, das ist er ganz und gar nicht.
Somit hat die CDU gleich mehrere tiefsitzende Probleme, zusätzlich zur Coronakrise, zur Maskenaffäre, zu den Wahldebakeln in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auch noch ein Führungsproblem, so dass auch nicht klar ist, wer sie aus dieser Krise herausführen soll, zumal die Macht in der CDU, solange Merkel das Kanzleramt besetzt, geteilt ist.
Der beispiellose Absturz in den Umfragewerten
Hinzu kommt, dass der zentrale Minister in dieser Pandemie, der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), eine Fehlbesetzung in diesem Amt zu sein scheint. Inzwischen sagen 54 Prozent der Bundesbürger, dass Spahn als Gesundheitsminister entlassen werden sollte. Von der Masken- und Korruptionsaffäre ganz zu schweigen, die der Union nun völlig den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint.
Dies alles spiegelt sich in den aktuellen Erhebungen zur Bundestagswahl wider, in denen die Union regelrecht abschmiert von 36 bis 38 Prozent, die sie vor wenigen Monaten noch hatte, auf nun unter 28 Prozent, Tendenz weiter sinkend.
So würden die Deutschen heute wählen
Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Dies waren sieben der neun großen Meinungsforschungs-Institute. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser sieben einbezogenen Institute (es wurde jeweils nur die neueste Umfrage herangezogen) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller sieben Werte:
- CDU/CSU: 26 – 29 % ==> 27,8 %
- GRÜNE: 20 – 23 % ==> 21,6 %
- SPD: 16 – 18 % ==> 16,7 %
- AfD: 10 – 11 % ==> 10,6 %
- FDP: 8,5 – 10,5 % ==> 9,4 %
- LINKE: 7 – 8,5 % ==> 7,5 %
- Sonstige: 5 – 8 % ==> 6,4 %

(c) JFB
Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von fünf bis zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.
Der Union rennen die Wähler davon, aber wo rennen sie hin?
Wir sehen an den Zahlen oben: CDU/CSU laufen die Wähler in den letzten Wochen in Scharen davon und wir können auch erkennen, wo sie hinlaufen: vor allem zu den Grünen und zur FDP, die beide deutlich zulegen. Die Wählerwanderung geht aber auch zum Teil zur AfD, zur SPD und zu den sonstigen (Klein-)Parteien. Die Einzige, die von der Schwäche der Union nicht profitieren kann, ist Die Linke (SED, PDS, Linkspartei.PDS + WASG = Die Linke), die auf einem für ihre Verhältnisse sehr niedrigen Niveau von ca. 7,5 Prozent bleibt. Alle anderen nützt das Abschmieren von CDU/CSU und zwar zum Teil enorm.
Veränderungen gegenüber den Wahl-O-Matrix-Werten vom 28.02.2021
- GRÜNE: + 2,8 %
- FDP: + 1,6 %
- AfD: + 0,8 %
- SPD: + 0,8 %
- Sonstige: + 0,6 %
- LINKE: + 0,1 %
- CDU/CSU: – 6,7 %
Schwarz-Rot hat keine Mehrheit mehr, dafür Grün-Rot-Gelb
Und diese massiven Veränderungen haben vor allem einen folgenreichen Effekt: Die derzeitige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD, die bei der Bundestagswahl 2013 noch eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit von 67,2 Prozent hatte (2017 waren es dann nur noch 53,4 Prozent) hat nun überhaupt keine Mehrheit mehr. CDU/CSU und SPD kämen zusammen derzeit gerade noch auf ca. 44,5 Prozent. Und das würde nicht reichen für eine Mehrheit im Parlament.
Für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag wären mit diesen Ergebnissen wegen der ca. 6,4 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, nicht über 50, sondern etwas über 46,8 Prozent der Stimmen notwendig. Und da liegt die schwarz-rote Koalition nun wegen der enormen Verluste der Union darunter. Grün-Rot-Gelb, also eine grüne Ampel-Koalition hätte bei einem solchen Wahlergebnis dagegen eine Mehrheit im Parlament. Folgende Koalitionen wären denkbar:
- Schwarz–Grün: 49,4 %
- Grün–Rot–Gelb (Ampel): 47,7 %
- Grün–Rot–Dunkelrot: 45,8 %
- Schwarz–Rot: 44,5 %
- Schwarz–Gelb: 37,2 %
Zum heutigen Stand gäbe es also zwei Optionen: Sowohl Schwarz-Grün als auch Grün-Rot-Gelb kämen knapp über 46,8 Prozent der Stimmen und hätten damit eine Mehrheit der Sitze im Deutschen Bundestag. Damit wäre eine Regierung ohne respektive gegen CDU/CSU möglich, aber kaum noch gegen die Grünen (Schwarz-Rot-Gelb wäre natürlich rechnerisch auch eine Option, käme auf 53,9 Prozent, aber das wird die SPD auf keinen Fall mitmachen).
Die Erhebungen dieser Institute wurden ausgewertet
Die fünf Institute, die (bezogen auf den mittleren Tag der Befragung) in den letzten drei Wochen Erhebungen durchführten, welche ausgewertet wurden, waren:
- Kantar (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 14.03.2021, telefonische Befragung von 1.942 zufällig ausgewählten Personen
- Allensbach (FAZ), mittlerer Tag der Befragung: 14./15.03.2021, persönlich-mündliche Befragung von 1.006 nach Quotenvorgaben ausgewählten Personen
- Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 16.03.2021, Mixed-Befragung (telefonisch und online) von 1.207 zufällig ausgewählten Personen
- Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 19.03.2021, telefonische Befragung von 2.511 zufällig ausgewählten Personen
- Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 19./20.03.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.113 Befragte, abgerufen am 23.03.2021 um 12 Uhr
- INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 20./21.03.2021, internetbasierte Befragung von 3.104 nach Quotenvorgaben ausgewählten Mitgliedern eines Befragten-Pools
- Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 24.03.2021, telefonische Befragung von 1.030 zufällig ausgewählten Personen
Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine recht breite Datenbasis von insgesamt 20.866 Befragten.
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