Schwarz-Grün droht Mehrheit zu verlieren

Von Jürgen Fritz, So. 18. Jul 2021, Titelbild: © JFB

Bei über 7 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden, braucht es ca. 46,5 Prozent der Stimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag. Da lagen CDU/CSU und Grüne seit vielen Monaten immer deutlich darüber mit zusammen etwa 49 bis 55 Prozent. Zehn Wochen vor der Bundestagswahl sind diese Werte auf 47,7 Prozent zusammengeschmolzen. Erstmals würde es eng werden für Schwarz-Grün.

Zehn Wochen bis zur Bundestagswahl: So würde Deutschland heute wählen

Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute, die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Aktuell liegen sieben Umfragen von sechs verschiedenen großen Meinungsforschungs-Instituten vor, die diese Kriterien erfüllen. INSA veröffentlich inzwischen jede Woche zwei verschiedene Erhebungen, einmal eine reine Online-Befragung von über 2.000 Personen und einmal eine Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von ca. 1.200 bis 1.500 Personen. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser neun einbezogenen Befragungen (immer nur die aktuellste) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller sieben Werte.

  1. CDU/CSU: 2830 % ==> 28,6 %
  2. GRÜNE: 17 – 20 % ==> 19,1 %
  3. SPD: 15 – 19 % ==> 16,1 %
  4. FDP: 10 – 12,5 % ==> 11,4 %
  5. AfD: 9 – 11 % ==> 10,4 %
  6. LINKE: 68 % ==> 7,0 %
  7. Sonstige: 68 % ==> 7,4 %
2021-07-18

(c) JFB

Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent oder etwas mehr, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von deutlich über fünf oder gar zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.

Dabei sind diese Angaben selbstverständlich keine Zukunftsprognosen, wie die Wähler in elf Wochen votieren werden, sondern wie sie heute votieren würden (empirische Erfassung der Gegenwart).

CDU/CSU legen seit Anfang Mai 5 bis 6 Punkte zu, die Grünen verlieren 7 bis 8 Punkte

Veränderungen seit Ende April / Anfang Mai

Gegenüber dem 28.04.2021 haben sich die Wahl-O-Matrix-Werte wie folgt verändert:

  1. CDU/CSU: + 5,6 %
  2. SPD: + 1,4 %
  3. Sonstige: + 1,1 %
  4. LINKE: +/- 0
  5. FDP: – 0,3 %
  6. AfD: – 0,3 %
  7. GRÜNE: – 7,6 %

Das heißt, CDU/CSU, die nach der Nominierung von Armin Laschet zum Unions-Kanzlerkandidaten am 20. April zunächst regelrecht einstürzten und fast 6 Punkte verloren, haben dies inzwischen wieder kompensiert.

Die Grünen, die nach der Nominierung von Annalena Baerbock als grüne Kanzlerkandidatin am 19. April um 5 Punkte nach oben geschossen waren, haben dagegen seit Anfang Mai inzwischen 7 bis 8 Punkte verloren. Das entspricht bei ca. 46 bis 47 Millionen Wählern, die tatsächlich an der Bundestagswahl teilnehmen (bei über 60 Millionen Wahlberechtigten) über 3,5 Millionen Anhängern (46,5 Millionen x 0,076 = 3,534 Millionen). All die Affären um Annalena Baerbock, die gar nicht zu enden wollen scheinen – jede Woche kommt etwas Neues heraus -, dürften hier ein Grund für diesen jähen Grünen-Absturz sein.

Schwarz-Grün, eine Deutschland- oder eine Jamaika-Koalition wären nach heutigem Stand möglich

Natürlich können sich die Kräfteverhältnisse in den nächsten elf Wochen noch deutlich verändern. Bliebe es aber weitgehend so, dann hätten CDU/CSU einen klaren Regierungsauftrag und könnten sich Koalitionspartner aussuchen. Bei ca. 7,4 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünfprozent-Hürde scheitern werden, würden ca. 46,5 Prozent der Zweitstimmen für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag ausreichen. Damit wären folgende Regierungskoalitionen möglich:

  1. SchwarzGrünGelb (Jamaika): 59,1 %
  2. SchwarzRotGelb (Deutschland-Koalition): 56,1 %
  3. SchwarzGrün: 47,7 %
  4. GrünRotGelb (grüne Ampel): 46,6 %
  5. SchwarzRot: 44,7 %
  6. GrünRotDunkelrot: 42,2 %
  7. SchwarzGelb: 40,0 %
  8. GrünRot: 35,2 %

Grün-Rot-Gelb, eine grüne Ampel hätte im Moment eventuell ganz knapp eine Parlaments-Mehrheit. Schwarz-Grün wäre auch bei über 46,5 Prozent, rutscht aber weiter ab und diese Zahlen sind natürlich alle mit kleinen Messfehlern versehen, nie hundertprozentig exakt. Wirklich sicher wäre derzeit eine Mehrheit wohl nur für ein Dreierbündnis in Form einer Deutschland- oder Jamaika-Koalition.

Für die jetzige schwarz-rote Regierungskoalition, die 2017 noch auf über 53,4 Prozent kam (2013 sogar noch auf über 67 Prozent), würde es dagegen aktuell wahrscheinlich nicht mehr reichen (44,7 Prozent). Noch weniger für Grün-Rot-Dunkelrot oder Schwarz-Gelb. Und Grün-Rot dürfte im September kaum Chancen auf eine Mehrheit haben.

Die Erhebungen dieser Institute wurden von Wahl-O-Matrix für die Gesamtübersicht ausgewertet

Die sieben Umfragen, welche ausgewertet wurden, waren (Kriterium 1: bezogen auf den mittleren Tag der Befragung nicht älter als drei Wochen, Kriterium 2: von jedem Institut immer nur die jeweils aktuellste, sofern nicht verschiedene Erhebungsmethoden vorlagen, ansonsten von jeder Erhebungsmethode die jeweils aktuellste):

  • Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 29.06.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.317 Personen,
  • Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 09.07.2021, telefonische Befragung von 2.502  zufällig ausgewählten Personen,
  • Kantar (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 10.07.2021, telefonische Befragung von 1.495 zufällig ausgewählten Personen,
  • INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 10./11.07.2021, internetbasierte Befragung von 2.087 gezielt ausgewählten Mitgliedern einer Personengruppe (Befragten-Pool),
  • Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 10./11.07.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.110 Befragte,
  • Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 14.07.2021, telefonische Befragung von 1.224 zufällig ausgewählten Personen,
  • INSA (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 14.07.2021, Mix–Befragung per Telefon und per Online-Panel von 1.354 Personen.

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine sehr breite Datenbasis von insgesamt 20.089 Befragten.

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