Hohn-Urteil: Max. zehn Jahre Haft für IS-Kriegsverbrecherin

Von Jürgen Fritz, Mo. 25 Okt 2021, Titelbild: WELT-Screenshot

Lediglich zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wurde die Islamistin Jennifer W. verurteilt. Dabei wurde die IS-Anhängerin wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland + Beihilfe zum versuchten Mord an einem fünfjährigen Kind + versuchtem Kriegsverbrechen + Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden.

Jennifer W. reist über Syrien in den Irak aus, um dort einen IS-Kämpfer zu heiraten und den Islamischen Staat zu unterstützen

Die heute 30-jährige Jennifer W. war 2014 aus Lohe in Niedersachsen in den Irak ausgereist, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat anzuschließen und einen IS-Kämpfer zu heiraten. Ideologische Gründe hätten sie zu dieser Entscheidung bewegt, gab sie vor Gericht selbst zu. W. reiste zunächst nach Syrien aus und von dort nach Falludscha im Irak, wo sie dann gelebt habe. Dort habe sie als Teil der Sittenpolizei mit dafür gesorgt, dass die strengen islamischen Bekleidungsvorschriften eingehalten wurden. 

Das IS-Paar nimmt sich eine Jesidin als Haussklavin und kettet ihr kleines Kind bei 45 Grad stundenlang in der brennenden Sonne an

Mit ihrem IS-Ehemann hielt sich W. im Irak dann eine Jesidin als Haussklavin. Die Frau, die das Paar als Sklavin hielt, hatte eine kleine Tochter. W.s Mann soll das fünf Jahre alte Kind in einem Hof in der prallen Sonne angekettet haben – wohl als Strafe, weil das Kind sich eingenässt und ins Bett gemacht hatte. Das Mädchen sei der Situation „wehrlos und hilflos ausgesetzt“ gewesen hieß es in der Urteilsbegründung der Richter.

W. unternahm dem Urteilsspruch zufolge nichts, um dem Kind zu helfen, obwohl es ihr „möglich und zumutbar“ gewesen sei. Sie selbst soll zu ihrer Verteidigung gesagt haben, sie hätte ja nichts unternehmen können, sonst hätte sie ihr Mann womöglich „geschubst und eingesperrt“Die Richter stellten jedoch fest, W. habe statt dem kleinen Kind zu helfen, das sich in Lebensgefahr befand, dem weinenden Mädchen sogar noch gedroht, es zu erschießen, wenn es nicht aufhöre zu weinen.

Das fünfjährige Kind, das wohl stundenlang derart angekettet war, verdurstete elendig in der Hitze bei 45 Grad. W. habe „von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnenhitze gefesselte Kind sich in Lebensgefahr befand“, so die Richter weiter.

Ihre Ziele: „Vernichtung der jesidischen Religion“ und „Versklavung des jesidischen Volkes“

Das Gericht zeigte sich auch überzeugt davon, dass W. der Mutter des Mädchens später, als diese um ihr totes Kind weinte, drohte, sie zu erschießen, wenn sie nicht aufhöre zu weinen. Die Mutter des Kindes, die während ihrer Gefangenschaft als IS-Sklavin misshandelt und geschlagen wurde, trat in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Ihren Fall übernahm die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, die Ehefrau des Hollywood-Schauspielers George Clooney.

Das Gericht kam ferner zu dem Ergebnis, dass W. mit ihrer IS-Mitgliedschaft die „Vernichtung der jesidischen Religion“ und die „Versklavung des jesidischen Volkes“ unterstützt habe. Und sie habe bei der Versklavung der Mutter mitgewirkt und Beihilfe bei der Ermordung des Kindes geleistet. Ihr Ehemann und sie hätten die Mutter des gestorbenen Mädchens als Haussklavin ausgebeutet, führte der Richter in der Urteilsbegründung aus.

Die versklavte jesidische Frau sei täglich geschlagen worden. Und W. habe ihren Mann oft sogar dazu angestachelt, die Frau zu misshandeln. Auch seien der Angeklagten die menschenfeindlichen Ziele und Taten des IS bekannt gewesen, als sie in den Irak ausreiste, um sich der Organisation anzuschließen, betonte das Gericht.

Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich gefordert, doch die Richter entscheiden gerade mal auf zehn Jahre Freiheitsstrafe

Dafür bekommt sie jetzt von den Richtern des OLG München unter dem Vorsitz von Richter Reinhold Baier (oben, Bildmitte) gerade einmal zehn Jahre. Das ist ein lächerliches Strafmaß, angesichts dieser extremen Verbrechen (Islambonus?). Man stelle sich vor, Nazis hätten solche unmenschlichen Untaten begangen, wie das Urteil dann ausgefallen wäre. W.s Verteidiger Ali Aydin plädierte sogar nur für eine zweijährige Strafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, weil sie ja aktiv gar nichts getan habe bezüglich des Todes des Kindes. Nach dem Motto: der Ehemann, der hier jetzt gerade nicht vor Gericht steht, war schuld. Eigentlich ja die Sonne.

Die Staatsanwaltschaft, insbesondere Oberstaatsanwältin Claudia Gorf, hatte dagegen eine lebenslange Haft für W. gefordertDer Vorwurf in der Anklage lautete auf Mord durch Unterlassen. Dabei ist zu bedenken, dass „lebenslänglich“ in Deutschland nicht wirklich lebenslänglich bedeutet. Aber bei „lebenslänglich“ kann frühestens nach 15 Haftjahren die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Bewährungszeit dauert dann 5 Jahre.

Zehnjährige Haftstrafe bedeutet: nach sechs bis sieben Jahren kann der Rest auf Bewährung ausgesetzt werden

Bei einer zehnjährigen Freiheitsstrafe dürfte die Strafe nach ca. sechs bis sieben Jahren (zwei Drittel der verhängten Strafe, siehe § 57 StGB) zur Bewährung ausgesetzt werden können. Die Täterin ist heute 30 Jahre alt. Mit 36 oder 37 könnte sie bei diesem Urteil also bereits wieder auf freiem Fuß sein.

Wenn ihr die Untersuchungshaft seit ihrer Verhaftung 2018 angerechnet wird, wovon ich ausgehe, dann kann sie sogar schon drei bis vier Jahren, also mit 33 oder 34, wieder in Freiheit sein. Dann kann sie, wenn sie es geschickt anstellt, eventuell über Umwege, wieder in den IS ausreisen und dort weitere Kriegsverbrechen begehen und sich an weiteren Morden beteiligen.

Weltweit der erste Prozess gegen IS-Mitglieder wegen Verbrechen an Jesiden

W. kehrte 2015 nach Deutschland zurück, bekam ihr Kind und schloss sich hier der salafistisch-dschihadistischen Szene an. 2018  konnte sie festgenommen gemacht werden, als sie versuchte, mit ihrer zweijährigen Tochter erneut nach Syrien in das Herrschaftsgebiet des Islamischen Staates auszureisen. Auf ihrem Computer und Handy fand die Polizei Bilder von Enthauptungen und Anleitungen zum Bombenbau. Zuvor hatte sie gegenüber einem verdeckten Ermittler geprahlt, wie sie für den IS im Irak tätig gewesen sei.

Ihrem Exmann, der im Mai 2019 in Griechenland gefasst wurde, steht in Frankfurt ebenfalls vor dem Oberlandesgericht unter anderem wegen Mordes, Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Nach Angaben der jesidischen Organisation Yazda war dieser Münchner Prozess, der im April 2019, also vor zweieinhalb Jahren begann, weltweit der Erste, in dem Straftaten von IS-Mitgliedern gegen die religiöse Minderheit der Jesiden angeklagt wurden.

Die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nannte den Prozess einen großen Moment und ein wichtiges Verfahren für alle jesidischen Überlebenden. „Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden.“

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