Von Jürgen Fritz, Fr. 10. Dez 2021, Titelbild: Devid und Linda R., Privatfotos
Am Samstag wurden im Ortsteil Senzig in Königs Wusterhausen in Brandenburg in einem Wohnhaus fünf Personen tot aufgefunden, die beiden 40-jährigen Eltern und ihre drei Kinder (4, 8, 10). Alle erschossen. Der Abschiedsbrief von Devid R. sowie Chatnachrichten geben Hinweise auf das Motiv der Tat.
Ein schrecklicher Fund
Letzten Samstag gegen 12 Uhr wurde in Königs Wusterhausen in Brandenburg im Ortsteil Senzig ein schrecklicher Fund gemacht. Die gesamte Familie R., Vater, Mutter und die drei Kinder im Alter von vier, acht und zehn Jahren, wurde in ihrem Wohnhaus tot aufgefunden. Alle erschossen. Laut Staatsanwaltschaft starben die Eltern und Kinder, drei Mädchen, schon in der Nacht zu Freitag. Dies hätten Obduktion und letzte Aktivitäten der Familie ergeben, so Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon gegenüber BILD.
Der 40-jährige Devid R. war als Berufsschullehrer im Nachbarort tätig, die 40-jährige Linda R. war als Betriebswirtin an der Technischen Hochschule in Wildau im Marketing angestellt. Es soll eine Corona-Infektion gegeben haben, so dass die ganze Familie unter Quarantäne stand. Nun also war die ganze Familie ausgelöscht. Nur ihr kleiner Hund hat überlebt. Nur ihn ließ der Täter am Leben.
Ein Abschiedsbrief und Chatnachrichten geben Hinweise auf Täter und Motiv
Dieser Fall war zunächst ein Rätsel. Wie, durch wessen Hand kam die gesamte Familie ums Leben? Nun wird das Motiv für diese schreckliche Tat und den Tod von mit fünf Personen allmählich klarer. Zum einen wurde nämlich ein Abschiedsbrief des Vaters gefunden. Diesen fanden Ermittler im Haus der Familie. Außerdem hat man begonnen, Chatnachrichten auszuwerten. Aus beidem ergibt sich ein erschütterndes Motiv.
Devid R. hatte offenbar ein Impfzertifikat für seine Frau fälschen lassen oder selbst gefälscht. Ihr Arbeitgeber, die Technische Hochschule, hatte das erfahren. Nun hatten Devid und Linda R. Angst vor einer Verhaftung und dem Verlust der Kinder, wie Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon am Dienstag der dpa sagte. Später wurde bekannt, dass der 40-jährige Devid R. Impfpässe in größerem Stil gefälscht habe.
Richtig ist: Die Gesetzgebung zum Anfertigen oder Vorlegen eines gefälschten Impfnachweises ist vor zwei Wochen verschärft worden. Seitdem ist der „Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ allgemein strafbar. Der entsprechende Paragraf des Strafgesetzbuchs sieht dafür eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Auf Grundlage der Gesetzesänderung muss man nun auch als Privatperson mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn man einen Impfnachweis fälscht.
Gleichwohl war die Angst der Eltern völlig unbegründet. Da beide nicht vorbestraft waren, hätten sie keine Freiheitsstrafe zu befürchten gehabt. Auch zu einem Entzug der Kinder wäre es auf Grund eines solchen Vergehens niemals gekommen. Wie der rbb am Mittwoch berichtete, soll der Frau zwar ein Disziplinarverfahren oder sogar eine Entlassung durch die Arbeitgeberin, die Technische Hochschule Wildau, im Raum gestanden haben. Eine Freiheitsstrafe und die Wegnahme der Kinder wäre aber ohne Vorstrafen nie in Frage gekommen. Doch wie sind die Eltern oder der Mann überhaupt auf diese Idee gekommen? Wie konnte es zu dieser kaum fassbaren Tragödie kommen?
Ein gefälschter Kettenbrief
Es gibt massive Hinweise, dass Devid R. sich seit Monaten auf Telegram in der Querdenkerszene herumgetrieben habe und in Gruppen von Verschwörungsgläubigen, die Verschwörungsymythen übernehmen (aufschnappen), daran glauben und sie dann selbst weiter kolportieren. In dieser Szene sei den Leuten mit Haftstrafen und Kindesentzug Angst gemacht wurde, auch mit gefälschten Dokumenten, die in Kettennachrichten weitergereicht wurden.
In diesem Kettenbrief ist davon die Rede, die Behörden würden planen, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Impfbereitschaft zu erhöhen oder die Impfung notfalls durchzusetzen“. Dann werden „mögliche Maßnahmen zur Diskussion“ gestellt, wie „Gefährderansprache, Verwarnungsgeld, Bußgeld, Zwangsgeld, 30 Tage Zwangshaft“ und zuletzt „Inobhutnahme des Kindes oder Jugendlichen durch das Jugendamt mit anschließender Durchführung der Impfung“.

Der Kettenbrief
Bei diesem Papier, das auf Telegram verbreitet wurde, handelt es sich um eine Fälschung. Das heißt, hier wurde Menschen offensichtlich mit falschen Dingen gezielt Angst gemacht. Und diejenigen, denen Angst gemacht wurde, haben wiederum anderen Angst eingejagt. So schaukelte sich das Ganze hoch.
Enge Kontakte in die Querdenker- und Impfgegner-Szene und zunehmende Radikalisierung
Laut BILD sollen Anwohner gesagt haben, Devid R., der ein Impfgegner war, habe sich in letzter Zeit radikalisiert. Jetzt fand das Netz-Beobachtungszentrum CeMAS heraus: Der Berufsschullehrer war seit Sommer Mitglied in mehreren Chat-Gruppen radikaler Impfgegner – auch beim bekannten Corona-Leugner Bodo Schiffmann (53). Laut RND war der Familienvater mindestens seit dem Sommer Mitglied in Telegram-Chatgruppen der „Querdenker“-Szene.
Zu Beginn der 3G-Pflicht am Arbeitsplatz am 25. November habe sich Devid R. bei der Telegram-Gruppe „Freiheitsboten Königs Wusterhausen“ angemeldet. Leiter: der stadtbekannte Verschwörungs-Anhänger sei ein Andreas H. Mitglied in dieser Telegram-Gruppe soll unter anderem Andreas Kalbitz sein.
Kalbitz war von 2017 bis zum Entzug der AfD-Mitgliedschaft im Mai 2020 Landesvorsitzender der AfD Brandenburg, Mitglied des AfD-Bundesvorstandes und Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburgs. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes war Kalbitz Mitglied der inzwischen verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Außerdem gehörte der dem sogenannten Flügel in der AfD an, einem völkisch-nationalistischen Parteiflügel um Björn Höcke, an dessen Seite Kalbitz jahrelang ganz eng stand. Höcke hatte Ende August 2020 in einem MDR-Interview verkündet: „Corona ist vorbei und wird auch nicht wiederkommen“. Kalbitz, einer der engsten Vertrauten Höckes, war über Jahre hinweg zum Teil zeitgleich Mitglied in mehreren rechtsextremistischen und neonazistischen Vereinigungen bzw. war und ist ihnen verbunden.
Ein weiteres Mitglied in dieser Telegram-Gruppe soll der AfD-Politiker Dennis Hohloch sein. Hohloch wurde im Sommer 2020 bis zur Wahl von Hans-Christoph Berndt am 27. Oktober als Nachfolger von Andreas Kalbitz kommissarischer Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg.
Angst, man würde den Eltern ihre Kinder wegnehmen und zwangsimpfen
Devid R. hatte also, wie aus seinem Abschiedsbrief hervorgeht, Angst, dass man ihm die Kinder wegnehmen würde, er und seine Frau Linda in Haft müssten. Diese Angst wurde geschürt oder verstärkt durch das, was auf Telegram, unter anderem in solchen wie oben genannten Gruppen kolportiert wurde, so in diesem ominösen Kettenbrief, der schon seit Monaten durch Impfgegner-Foren geisterte. Und bei diesem angeblich vertraulichen Schriftstück des Bundesgesundheitsministeriums handelt es sich wie erwähnt um eine Fälschung.
Aus den Chatnachrichten, die bisher ausgewertet wurden, geht wohl hervor, dass Devid R. sich selbst als Teil dieser Szene verstanden und an Impf-Verschwörungsmythen geglaubt hat. Seit Juli 2021 war er Mitglied einer Chatgruppe des „Querdenker“-Arztes und Impfgegners Bodo Schiffmann. Schiffmann ist eine Schlüsselfigur der deutschen Corona-Leugner-Szene.
Dabei hatte er zum Teil völlig abstruse Vorstellungen. So schrieb Devid R., er habe eine Gürtelrose bekommen, nachdem er Kontakt mit einem geimpften Freund hatte. In einem Telegram-Kanal habe er gelesen, Geimpfte könnten eine Gürtelrose entwickeln und auf Ungeimpfte übertragen. „Ich versuche das auch nicht so an mich ranzulassen, aber ich bin Vater von drei Kindern und die Einschläge kommen einfach näher“, schrieb er in einer anderen Gruppe.
Vermutliches Tatmotiv: Angst vor Wegnahme der Kinder, ihrer „Umerziehung und Zwangsimpfung“
Und dann habe Devid R. folgendes geschrieben:
„Ich bin bereit, mich mit allem, was ich aufzubieten habe, zu wehren, und bin brennender Unterstützer derjenigen, die gerade für Frieden, Freiheit und Grundrechte ganz vorne kämpfen.“
Zwei Stunden später habe er noch hinzugefügt, er sei
„stark für meine Familie, komme was da wolle“.
Devid R. empfand die Pandemiepolitik offensichtlich als „Unrecht und Tyrannei“, gegen welche sich die Menschen durchsetzen müssten. Er sei bereit,
„mich mit allem, was ich aufzubieten habe, zu wehren“,
schrieb er in einem Impfgegnerforum auf Telegram.
Der Ehemann und Vater dreier Kinder fürchtete für seine Töchter offensichtlich eine „Umerziehung und Zwangsimpfung“. Um dem zuvorzukommen, hat Devid R., so die begründeten Vermutungen nach derzeitigem Ermittlungsstand, wahrscheinlich schon in der Nacht auf Freitag letzte Woche zuerst seine drei Kinder, dann seine Frau und zuletzt sich selbst getötet.
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