Von Jürgen Fritz, Do. 09. Apr 2020, Titelbild: Worldometer-Screenshot
Wissenschaftler der Universität Göttingen schätzen die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten deutlich höher ein als bisher angenommen wurde. Weltweit könnte es bereits zehn Millionen Infizierte geben, teilten die Forscher mit. In Italien und Spanien seien wohl höchstens 3,5 Prozent aller Infektionen entdeckt worden, in Deutschland etwa 15 bis 16 Prozent. Insofern könnten sich bei uns schon bis Ende März rund 460.000 Menschen infiziert haben. Daher erscheint es sinnvoller, die Todesfallzahlen genauer zu betrachten, die gestern leider deutlich in die Höhe schnellten.
Vorbemerkung
All die folgenden Zahlen bilden natürlich niemals die tatsächliche Zahl der Infizierten, der Toten, der Genesenen etc. ab. Um diese exakt zu eruieren, müsste man so umfangreich testen, wie das mitten im Verlauf der Pandemie gar nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass alle veröffentlichten Zahlen in Bezug auf die detektierten Infizierten immer einen Blick in die Vergangenheit von vor ca. einer Woche darstellen, weil die Infizierten nicht sofort etwas spüren (Inkubationszeit), dann nicht sofort getestet werden und die Testergebnisse nicht sofort vorliegen und wenn sie vorliegen, nicht sofort weitergegeben und sofort zentral erfasst werden. Selbst wenn man also alle tatsächlich Infizierten erfassen könnte, was bei großen Populationen völlig unmöglich ist, so würden die abgedruckten Zahlen angeben, wie der Stand vor ca. einer Woche war.
Bei den Todesfällen kommt hinzu, dass ein am 01.04. Infizierter ja nicht nicht gleich am 02.04. stirbt, auch nicht am 08.04., wenn er dann das erste Mal in der Statistik als detektierter Infizierter auftaucht, sondern zum Beispiel am 10.04. oder 20.04 oder irgendwann dazwischen. Die Todesfallzahlen würden also selbst dann noch weiter steigen, wenn sich ab sofort kein einziger Mensch mehr neu infiziert würde, weil von den bereits Infizierten manche in den nächsten ein, zwei, drei Wochen sterben würden.
Gleichwohl kann aus dem Verlauf, wie die Zahlen sich verändern, einiges abgelesen werden, nämlich welche Dynamik das ganze Geschehen hat. Die exakten Zahlen sind dabei gar nicht entscheidend, wenn es um politische und gesellschaftliche Entscheidungen geht. Entscheidend sind vielmehr die Dimensionen, in denen wir uns bewegen.
Die zehn Länder mit den bisher meisten Todesfällen
In dieser Worldometer-Tabelle sehen wir, geordnet nach den Todesfällen insgesamt (Total Deaths, 4. Spalte) die zehn Staaten, die bislang weltweit die meisten COVID-19-Toten zu verzeichnen haben:
Die USA haben zum Stand von gestern Abend mit fast 435.000 zwar die mit großem Abstand meisten registrierten SARS-CoV-2-Infizierten (Spalte 2), haben auch den höchsten Infizierten-Zuwachs mit +31.935 (Spalte 3) und die meisten Todesfälle am gestrigen Tag mit 1.940 (Spalte 5), aber die meisten Todesfälle insgesamt hatten gestern noch Italien und Spanien.
Italien hat den Höhepunkt der ersten Welle überstanden
Zuerst die gute Nachricht: In Italien (60,4 Mio. Einwohner) steigt die Zahl der neu dazukommenden COVID-19-Toten seit vielen Tage, genau seit dem 27. März nicht mehr an, sondern fällt sogar seit zwölf Tagen. Nachdem es am 27. und 28. März je um die 900 am jeweiligen Tag Verstorbenen waren geht die Zahl seither moderat zurück und lag gestern, am 8. April „nur noch“ bei 542. Das ist ein sehr gutes Zeichen! Wäre die Kurve weiter so nach oben gegangen wie bis zum 27. März, wären wir gestern bei über 6.400 Toten gewesen statt 542 und heute bei über 7.500 innerhalb von 24 Stunden.
Auch Spanien hat den Höhepunkt der ersten Welle überschritten
Ein ähnliches Bild sehen wir in Spanien (47 Mio. Einwohner), wo SARS-CoV-2 einige Tage später ankam als in Italien. Hier wurde der Höhepunkt in Bezug auf die täglichen COVID-19-Todesfälle am 2. April erreicht mit 961. Seither gehen die täglichen Todesfälle zurück auf jetzt 747. Wäre die Entwicklung in Spanien vom 2. bis zum 8. April so weitergegangen, dann hätten wir dort gestern fast 2.400 COVID-19-Tote gesehen und heute über 2.750. Beiden Ländern, Italien und Spanien, scheint es also jetzt erstmal gelungen zu sein, zumindest die exponentielle Verbreitung zu brechen.
USA haben die letzten zwei Tage jeweils fast 2.000 Tote innerhalb von 24 Stunden
Deutlich weniger gut sieht der Verlauf in den USA (327 Mio. Einwohner) aus, wo das Virus nochmals einige Tage später ankam, die Kurve der Todesfälle bis vorgestern steil nach oben ging auf 1.971. Die Marke von 2.000 Toten an einem Tag hat bislang noch kein einziges Land weltweit überschritten, den USA droht aber genau das. Gestern waren es 1.940 gemeldete Todesfälle. Hier gilt es zu beobachten, ob jetzt der Turnaround geschafft wird oder ob die Zahlen weiter steigen.
Besonders betroffen in den USA ist bekanntlich der US-Bundesstaat New York (ca. 19,5 Millionen Einwohner, 6 Prozent der USA insgesamt) auf den von den von den 14.788 US-Todesfällen insgesamt alleine 6,268 (über 42 Prozent) entfallen.
Großbritannien verzeichnet gestern neuen Höchstwert bei den Todesfällen
In Frankreich sind die Zahlen derzeit schwer zu deuten, da hier alte Todesfälle aus Pflegeheimen etc., die zuvor gar nicht erfasst worden waren, die letzten Tage nachgetragen wurden, so dass der tatsächliche Kurvenverlauf nicht ganz klar ist. Es sieht aber noch nicht besonders gut aus in Frankreich.
Einen besorgniserregenden Verlauf sehen wir auf jeden Fall auch in Großbritannien (66,6 Mio. Einwohner), wo Boris Johnson zuerst den glorreichen Plan verfolgte, möglichst schnell eine Herden-Immunität zu erzeugen, das heißt die Ausbreitung des Virus nicht gezielt zu bremsen, und inzwischen selbst seit einigen Tagen mit COVID-19 auf der Intensivstation liegt. Im Vereinigten Königreich wurde gestern mit 938 Todesfällen ein neuer Höchstwert erreicht, nachdem es zwei, drei Tage zuvor schon kurzfristig nach einem Rückgang der täglichen Todeszahlen ausgesehen hatte.
Deutschland hat erstmals über 300 Tote an einem Tag
Und leider sehen wir auch in Deutschland (83 Mio. Einwohner) noch keinen Anlass zur Beruhigung. Während der Iran und vor allen Dingen China über den ersten Berg hinweg zu sein scheinen, stieg die 24-Stunden-Todeszahl bei uns gestern auf einen neuen Rekordwert von 333. Bislang war die Zahl der COVID-19-Toten im Vergleich zu anderen Ländern doch recht gering, aber sie steigt deutlich weiter an. Das ist kein gutes Zeichen. Noch schlimmer: Sie schnellt gestern regelrecht nach oben von 206 auf 333. Insofern bleibt zu hoffen, dass diese Zahl heute nicht weiter so ansteigt, am besten gar nicht.
Die Zahl der neuen Todesfälle hinkt dabei immer der Zahl der Neuinfektionen hinterher, weil die Infizierten, bei denen die Erkrankung einen ganz schweren Verlauf nimmt, ja nicht sofort sterben, sondern wenn überhaupt, dann in der Regel erst nach ein, zwei, drei Wochen.
Dabei hat Deutschland bereits über 113.000 detektierte Infizierte und gestern kamen 5.633 neue hinzu. Das ist zwar weniger als zum Höhepunkt am 27. März, als 6.933 neue SARS-CoV-2-Infektionen registriert wurden, auch ist der exponentielle Anstieg klar gebrochen, aber der Rückgang in den letzten knapp zwei Wochen ist nur moderat.
Bayern und Baden-Württemberg sind derzeit am stärksten betroffen
Die zum Stand gestern Abend (08.04.2020) über 113.000 Corona-Infizierten (und auch die Todesfälle) verteilen sich hierbei recht unterschiedliche innerhalb Deutschlands. Die meisten detektierten Infizierten sehen wir
- in Bayern (fast 30.000),
- in NRW (knapp 24.000) und
- in Baden-Württemberg (fast 23.000).
Diese drei Bundesländer machen über 67 Prozent aller in Deutschland Infizierten aus. Noch wichtiger sind aber folgende Zahlen: die Fälle pro 100.000 Einwohner.
Auch hier liegt
- Bayern mit 226 ganz vorne vor
- Baden-Württemberg: 207,7
- dem Saarland: 186
- Hamburg: 183 und
- NRW: 133.
Am wenigsten Infizierte pro 100.000 Einwohner sehen wir derzeit in Sachsen-Anhalt (<50) und in Mecklenburg-Vorpommern (35,6).
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